Tiere im Parlament?

Für ein neues Verständnis politischer Repräsentation

Mit ihrem Buch Zoopolis intervenieren Sue Donaldson und Will Kymlicka nicht nur in die akademische Debatte zu Tierrechten, sondern auch in einen gesellschaftlichen Diskurs, der zunehmend die Widersprüche im menschlichen Umgang mit Tieren thematisiert.1 Das Schlachten von jährlich vielen Millionen Schweinen, Hühnern und Rindern zum Verzehr, die Massentierhaltung auf engstem Raum ohne Tageslicht und die Tötung von Mäusen oder Affen zu Forschungszwecken sind Ausdruck eines gesellschaftlichen Mensch/Tier-Verhältnisses, das auf einseitiger Nutzung, Ausbeutung und Beherrschung beruht. Gleichzeitig leben in jedem dritten deutschen Haushalt Heimtiere, die wie Familienmitglieder behandelt werden. Angesichts dieser merkwürdigen Situation wird eine gesellschaftliche Diskussion über unseren Umgang mit Tieren eingefordert, die weniger auf kleinteilige Verbesserungen von Haltungsbedingungen abzielt, als vielmehr die Grundprämisse, dass Menschen Tiere zu eigenen Zwecken nutzen dürfen, in Frage stellt.

Police horses. Photo: Louise Lynn. Source:Flickr

Während an dem einen Ende des Spektrums aktueller Überlegungen zu Mensch/Tier-Beziehungen nur minimale Abweichungen vom Status quo angestrebt werden, lässt sich der von Donaldson und Kymlicka vertretene Ansatz an dessen anderem Ende verorten: Sie fordern nicht nur universelle Grundrechte für alle Tiere, sondern darüber hinaus kontextabhängige politische Rechte, je nachdem, welche Interaktions- und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen bestimmten Tieren und dem Menschen bestehen. Besonders radikal ist ihre Position in Bezug auf Haus- und Nutztiere. Diese Tiere können Donaldson und Kymlicka zufolge als Staatsbürger volle Inklusion in demokratische Gemeinschaften beanspruchen. Der Diagnose, in politischen Institutionen seien “domestizierte Tiere zu unsichtbaren Wesen gemacht […] und ihre Interessen […] ignoriert” worden, folgt die Forderung, Haus- und Nutztiere politisch zu vertreten, sodass sie “an der gemeinsamen Urheberschaft von Gesetzen” mitwirken können.2 Das Ziel des Autorenduos ist somit die Vertretung der Interessen von Tieren als Bürger. Das ist eine provokante Forderung, die intuitiv Widerstand hervorruft: “Man muss sich das nur ausmalen – Tiere im Parlament, am Mikrofon vertreten durch Ombudsleute” – allein die Reformulierung des Vorschlags scheint zu verdeutlichen, wie lächerlich er eigentlich ist.3 Was könnte es heißen, Tiere politisch zu repräsentieren?

Politische Repräsentation ist ein politiktheoretischer Grundbegriff, der mehr umfasst als Reden im Parlament. Ganz allgemein wird darunter ein “Sichvergegenwärtigen von Nichtgegenwärtigem” verstanden, weshalb politische Repräsentation die Herbeiführung politischer Sichtbarkeit verspricht.4 Diese Sichtbarkeit hat zwei Dimensionen; sie meint sowohl eine substanzielle der Interessenvertretung als auch eine symbolische der Verkörperung einer politischen Gemeinschaft. Diese doppelte Vergegenwärtigung lässt sich am Parlament veranschaulichen. Es erfüllt zum einen die Funktion, die Interessen der Bürger substanziell zu vertreten, und verkörpert gleichzeitig symbolisch das demokratische Volk. Was im politischen Entscheidungsprozess ‘vergegenwärtigt’ werden soll, ist also der ‘Wille des Volkes’ im Sinne der Stimmen, Interessen, Meinungen oder Perspektiven der Bürgerinnen, aber auch ihrer gemeinsamen Wertvorstellungen und Normen.5

Fordern Donaldson und Kymlicka die Vertretung der Interessen von Tieren als Bürger, zielen sie meines Erachtens auf beide Repräsentationsdimensionen ab. Erstens argumentieren sie für die substanzielle Inklusion der Interessen von Tieren, das heißt für die Notwendigkeit, solche Interessen zu ermitteln und wirksam in politischen Institutionen zu vertreten. Freilich werden die Interessen von Tieren nicht bloß als etwaige Anliegen von Schutzbefohlenen verstanden, sondern – viel provokanter – als die Interessen von Mitbürgern. Die politische Vertretung bekommt damit eine zweite, symbolische Dimension, postulieren Donaldson und Kymlicka doch die Notwendigkeit, Tiere als Bürger einzubeziehen und ihrer “Zugehörigkeit zum ‘Wir’ der politischen Gemeinschaft” durch politische Repräsentation wirksam Ausdruck zu verleihen.6

Neben gerechtfertigten Zweifeln daran, ob es tatsächlich notwendig ist, Tiere politisch zu repräsentieren, die ich hier jedoch ausklammern möchte, sind mindestens zwei Einwände gegen die Möglichkeit, Tiere politisch zu repräsentieren, denkbar, deren Schlagkraft im Folgenden überprüft werden soll. Zunächst könnte kritisiert werden, dass die Interessenvertretung von Tieren nicht umsetzbar sei – schließlich können Tiere keine Vertreterinnen wählen und ihre Interessen auch nicht kommunizieren (1). Selbst wenn, wie ich unter Rückgriff auf aktuelle Debatten der Repräsentationstheorie zu zeigen versuche, dieser Einwand ausgeräumt werden kann, ist ein zweiter Einwand schwerer von der Hand zu weisen: Es ist völlig unklar, was es heißen könnte, Tiere als Bürger, das heißt als Gleiche, zu vertreten und eine gemeinsame Mensch/Tier-Gemeinschaft zu verkörpern (2). Auch wenn es bereits erste institutionelle Entwürfe zur Repräsentation einer Mensch/Tier-Gemeinschaft gibt, ist bisher völlig unterbestimmt, wie die politische Gleichheit von Ungleichen realisiert werden könnte. Daher schlage ich abschließend vor, einen Schritt zurückzugehen und nicht die Repräsentation von Tieren in politischen Institutionen zu fordern, sondern ihre Vertretung in demokratischen Auseinandersetzungen über die Grenzen politischer Zugehörigkeit (3).

I. Tiere in Repräsentationsbeziehungen: Vertretung der Interessen von Tieren

Gerade weil das Konzept politischer Repräsentation in aller Regel eng mit der Einrichtung von Wahlen verknüpft ist, stellt sich die Frage, ob nicht bereits im Begriff der Repräsentation selbst Elemente angelegt sind, die eine Übertragung auf den Fall von Tieren ausschließen. Das Ziel politischer Repräsentation besteht darin, die Interessen bestimmter Gruppen durch gewählte Akteure in politischen Entscheidungsprozessen zu vertreten. Die Vertreterinnen sollen durch Wahl dazu autorisiert werden, für eine Gruppe zu sprechen oder zu handeln und sich dabei in gewissem Maße nach den Interessen der Vertretenen richten – sonst droht die Abwahl. Genauer betrachtet rühren die Zweifel an der Repräsentationsfähigkeit von Tieren daher, dass der Repräsentationsgedanke auf der Annahme beruht, die Repräsentierten seien Gruppen autonomer Individuen mit identifizierbaren Interessen und also fähig, ihre Vertreterinnen zu wählen und sie gegebenenfalls auch zur Rechenschaft zu ziehen. Keines dieser Merkmale scheint auf Tiere übertragbar zu sein und die Idee politischer Rechte für Tiere somit absurd:

“‘Ballots for whales? Absurd’, they will scoff. ‘Whales do not talk: not to us anyway. They do not mark ballot papers. They do not have interests – or anyway, they do not communicate them to us clearly enough for us ever to know whether someone entrusted with representing them is discharging that fiduciary responsibility well or badly.'”7

Zunächst ist offensichtlich, dass Tiere keine Repräsentantinnen wählen können. Die Wahl ist aber, wie oben bemerkt, der Modus der Autorisierung, weshalb fraglich ist, ob nicht autorisierte Akteure überhaupt als Repräsentantinnen fungieren können. Zweitens stellt sich die Frage, was in diesem Falle unter Interessen verstanden werden könnte. Welche Interessen haben Tiere und wie können Menschen sie erkennen? Beide Probleme lassen sich darauf zurückführen, dass Tiere eben keine autonomen Individuen sind, die fähig wären, ihre Interessen zu artikulieren und ihnen durch eine Wahlentscheidung politisch Ausdruck zu verleihen – ist es dann überhaupt möglich, Tiere zu repräsentieren? Abstrakter formuliert ist also zu untersuchen, ob ein konstitutiver Zusammenhang zwischen Autonomie beziehungsweise politischer Handlungsfähigkeit und Repräsentation besteht.

Der Politologin Hanna F. Pitkin zufolge setzt Repräsentation in der Tat voraus, dass “the person acted for is conceived as capable of acting and judging for himself”.8 Da beispielsweise Kindern diese Fähigkeit fehlt, schließt Pitkin aus, dass sie im strengen Sinne repräsentiert werden können. Sie lassen sich allenfalls betreuen. Gleiches würde folglich für Tiere zutreffen: Man kann sich zwar um sie kümmern und für sie sorgen, doch sollte nicht von politischer Repräsentation die Rede sein. Pitkin plädiert dafür, den Begriff der Repräsentation für ganz bestimmte Beziehungen des ‘Fürsprechens’ zu reservieren. Nämlich für solche, in denen die vertretene Gruppe in der Lage ist, Repräsentantinnen zu beeinflussen oder zu kontrollieren.

Strebt man in erster Linie nach konzeptueller Klarheit, dann erscheint Pitkins Differenzierungsvorschlag attraktiv. Außerdem ist er aus normativer Sicht einleuchtend. Schließlich sollte nicht jede (nicht autorisierte) Person, die vorgibt, für andere zu sprechen oder zu handeln, als Repräsentantin anerkannt werden. Stattdessen muss eine Form der Rückbindung der Repräsentantinnen an die Repräsentierten gewährleistet sein.
Derlei normative Deutungen des Repräsentationsbegriffs gelten innerhalb der Fachdiskussion jedoch als zu idealisierend und exklusiv. So wird kritisiert, eine zu enge Verknüpfung von Repräsentation und Autonomie führe dazu, dass ausgerechnet diejenigen definitorisch als nicht repräsentationsfähig ausgeschlossen würden, die ihre Interessen nicht selbst in politische Foren tragen könnten und daher besonders auf Vertreterinnen angewiesen seien.9
Darüber hinaus wird bemängelt, dass ein solches Verständnis politischer Repräsentation bestimmte Praktiken der Interessenvertretung jenseits nationalstaatlicher Parlamente nicht als Repräsentation erfassen kann. So übernehmen zahlreiche NGOs in den Vereinten Nationen repräsentative Funktionen, wenn sie sich etwa für den Schutz von Frauenrechten einsetzen, ohne dass sie per Wahl dazu autorisiert wurden. Je mehr politische Entscheidungen jenseits nationalstaatlicher Grenzen getroffen werden und je mehr transnationale Problemlagen sich herausbilden oder als solche verstanden werden, desto wichtiger werden Gruppen und Organisationen, die Interessen jenseits der gewohnten territorialen und elektoralen Formen repräsentieren.10 NGOs wie Greenpeace sind weder gewählt noch vertreten sie handlungsfähige Gruppen mit identifizierbaren Interessen, noch sind sie den Repräsentierten gegenüber rechenschaftspflichtig – trotzdem werden sie zunehmend als politische Repräsentantinnen verstanden.

Die sich augenscheinlich wandelnden empirischen Bedingungen erfordern mithin eine Anpassung des Repräsentationsbegriffs, der die konzeptuelle Bindung an autonome Gruppen, die Wahl als einzigen Modus der Autorisierung und das territoriale Prinzip zur Organisation politischer Repräsentation lockern muss, soll er seine Relevanz nicht völlig einbüßen.11 Auch wenn das Konzept der Repräsentation auf normative Anforderungen nicht verzichten kann, bedarf es angepasster Kriterien und Maßstäbe, die den neuen Formen politischer Repräsentation Rechnung tragen. Wichtig ist hierbei, dass weder das Autorisierungs- noch das Interessenproblem spezifische Herausforderungen der Repräsentation von Tieren darstellen. Die Bedeutung der Wahl wird überall dort hinterfragt, wo bereits Repräsentationsfunktionen von nicht gewählten Akteuren übernommen werden oder wo Gruppen nicht in der Lage sind, ihre eigenen Vertreterinnen zu bestimmen. Auch das Interessenproblem trifft nicht exklusiv auf Tiere zu. Vielmehr sind auch menschliche Gruppen, deren Interessen politisch vertreten werden sollen, wie zum Beispiel die Gruppen der ‘Arbeiter’, ‘Frauen’ oder ‘Christen’, so heterogen, dass unklar ist, wie vermeintlich gemeinsame Interessen ermittelt und kommuniziert werden können. Vor diesem Hintergrund wurden in der politischen Theorie zuletzt verstärkt Versuche unternommen, den Begriff der Repräsentation aus seinem einzelstaatlichen, auf Wahl und Territorium beruhenden Gehäuse zu schälen.

An dieser Stelle liegt nun der Einwand nahe, dass die Frage, ob Tiere politisch vertreten werden können, keine sei, die sich auf der abstrakt-begrifflichen Ebene beantwortet lasse. Vielmehr scheint die Theorie der sich wandelnden Praxis hinterherzuhinken: Organisationen wie PETA, lokale Tierschutzvereine, aber auch die Tierschutzbeauftragten der Bundesländer oder die niederländische Partij voor de Dieren (Partei für die Tiere), die wie die deutsche Tierschutzpartei über einen Sitz im Europaparlament verfügt und zusätzlich mit zwei Sitzen im niederländischen Parlament vertreten ist, zeigen, dass die Forderung nach politischer Vertretung von Tieren keineswegs absurd ist. Es wird bereits für Tiere gesprochen und gehandelt, zahlreiche Gruppen haben sich faktisch zum Ziel gesetzt, die Interessen von Tieren auf die politische Agenda zu setzen. Tiere werden also offensichtlich bereits politisch vertreten – ob es Köpfen mit politiktheoretischem Faible für Begriffsarbeit passt oder nicht. Im Folgenden versuche ich daher zu zeigen, dass die angedeuteten Erweiterungen des begrifflichen Rahmens eng mit neuen praktischen Vorschlägen verknüpft sind und dafür sorgen, dass die erwähnten Interessenvertretungen überhaupt erst als Repräsentation von Tieren anerkannt werden können.

Ein Blick auf aktuelle Diskussionen des Autorisierungsproblems macht deutlich, dass die begriffliche Verklammerung von politischer Repräsentation und direkter Autorisierung durch die Repräsentierten zunehmend gelockert wird. Zum einen wird nahegelegt, dass Repräsentantinnen durch Dritte autorisiert werden können, auch wenn die Repräsentierten dazu selbst nicht in der Lage sind.12 Diese Idee wird zum Beispiel im Hinblick auf zukünftige Generationen, Kinder und Menschen mit kognitiven Behinderungen diskutiert, ist aber auch auf Tiere übertragbar. Es müsse jemand im Namen der Tiere Repräsentantinnen autorisieren, in politischen Kontexten für sie einzustehen. Die Tierschutzbeauftragten, die es neben den Tierschutzbeiräten in einigen deutschen Bundesländern gibt, werden vom zuständigen Ministerium ernannt und sind Beispiele für eine solche indirekt autorisierte Repräsentation von Tieren, auch wenn die Kompetenzen dieser Repräsentanten sehr begrenzt sind. Eine zweite Perspektive wurde oben bereits angedeutet. Zahlreiche NGOs agieren heute als Repräsentantinnen, obwohl sie weder von den Repräsentierten noch von Dritten zu ihrer Repräsentationsfunktion autorisiert wurden. Sie sind also selbstautorisierte Repräsentantinnen, die sich selbst den Auftrag erteilen, sich für die Interessen bestimmter Gruppen zu engagieren. Aus normativer Sicht gilt allerdings als Schwäche beider Vorschläge, dass in ihnen Repräsentation keine direkte Beziehung mehr ist, in der die Repräsentierten unmittelbaren Einfluss auf die Repräsentantinnen ausüben können. Die Interessenvertretung wird auf Kosten der Rückbindung an die Repräsentierten gewährleistet.

Auch hinsichtlich des Interessenproblems scheint ein Umdenken erforderlich. Zunehmend werden Deutungen von Repräsentation als zu vereinfacht kritisiert, die davon ausgehen, dass feststehende Interessen abgelesen oder kommuniziert werden, sodass die Repräsentantinnen lediglich als Sprachrohr der Repräsentierten fungieren. Diese Vorstellung abstrahiert zu stark von der Komplexität tatsächlicher Interaktionsbeziehungen, denn auch im Fall von heterogen zusammengesetzten (menschlichen) Gruppen kann keineswegs unterstellt werden, dass die Interessen eines derartigen Kollektivs einfach bestehen und abgelesen werden können.13 Als Gegenvorschlag wird ein ‘interpretatives’ Verständnis von Repräsentation ins Feld geführt, dem zufolge Interessen durch die Interaktion und Deliberation zwischen Repräsentantinnen und Repräsentierten verändert oder sogar erst hervorgebracht werden. Die Aufgabe der Repräsentantinnen besteht folglich darin, die Interessen der Repräsentierten erst zu ermitteln und auszufiltern, um sie dann in politischen Institutionen oder gegenüber der politischen Öffentlichkeit zu vertreten. Das interpretative Verständnis von Interessenvertretung mag zwar der Komplexität moderner Repräsentationsbeziehungen Rechnung tragen, scheint auf den ersten Blick allerdings nicht auf den Fall von Tieren übertragbar zu sein. Eine Konzeption der politischen Repräsentation von Tieren – so ein naheliegender Einwand – kann nicht auf der Prämisse beruhen, ihre Interessen seien das Ergebnis deliberativer Prozesse zwischen Menschen und Tieren, da Letztere nicht in eine sprachliche Auseinandersetzung mit ihren Repräsentantinnen treten können.

Freilich kann dieser Einwand gegen das interpretative Repräsentationsverständnis nur dann überzeugen, wenn man den Kern der interpretativen Abklärung von Interessen in Prozessen der Deliberation sieht. Plausibler ist es meines Erachtens, dass zur Kreativität von Repräsentantinnen gehört, Wege zu finden, um die etwaigen Interessen von Tieren auszumachen. Ihre Aufgabe sollte sein, angesichts konkreter Fragen zu ermitteln, was im Interesse der Repräsentierten liegen könnte. Dadurch verschiebt sich die Begründungslast: Nicht die Tiere müssen bestimmte Eigenschaften haben, damit sie repräsentiert werden können, vielmehr müssen ihre Repräsentantinnen über bestimmte Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen, um überhaupt repräsentieren zu können. Sie müssen auf die Bedürfnisse der Tiere eingehen, sich mit ihnen auseinandersetzen und zu verstehen versuchen, worin ihre Interessen bestehen könnten. Dessen ungeachtet deutet sich in diesem Zusammenhang, neben der fehlenden direkten Rückbindung an die Repräsentierten, ein weiterer normativer Vorbehalt an. Zwar mag es möglich sein, die Interessen von Tieren interpretativ zu ermitteln, doch wird diese Interesseninterpretation in gewisser Weise immer paternalistisch ausfallen. Menschen haben prinzipiell die Möglichkeit, bestimmten Darstellungen ihrer Interessenlage zu widersprechen oder sich selbst zu vertreten, während bei Tieren stets für andere gesprochen wird – mit allen dazugehörenden Schwierigkeiten.14

Die neuen repräsentationstheoretischen Überlegungen ergeben also ein ambivalentes Bild: Zwar können die Interessen von Tieren durch Menschen politisch vertreten werden, aber ohne die direkte Wahl entfällt der herkömmliche Kontrollmechanismus der Repräsentierten gegenüber ihren Vertreterinnen. Aus diesem Grund wird in der politischen Theorie verstärkt versucht, neue Konzeptionen von Autorisierung auszubuchstabieren und normative Kriterien zur inhaltlichen Beurteilung der Arbeit von Repräsentantinnen zu entwickeln. Nichtsdestoweniger ist eine vorzugswürdige Alternative zu den offensichtlichen Kandidaten ‘keine politische Vertretung’ und ‘paternalistische Vertretung’ vorerst nicht in Sicht. Ein Blick in die politische Praxis hat allerdings gezeigt, dass es bereits zahlreiche indirekt autorisierte und selbstautorisierte Tier-Repräsentantinnen gibt, die sich der Aufgabe verschreiben, die Interessen von Tieren auf die politische Tagesordnung zu setzen. Trotzdem sollte Pitkins Vorbehalt nicht aus den Augen verloren werden: Was ist Repräsentation wert, wenn prinzipiell jeder behaupten kann, für Tiere zu sprechen? Der Vorschlag, Tiere politisch zu repräsentieren, muss also mit Überlegungen einhergehen, wie Repräsentationsbeziehungen normativ beurteilt und praktisch reguliert werden können: Wer sollte das Recht haben, Vertreterinnen von Tieren zu ernennen? Wie kann gewährleistet werden, dass ihre Interessen überzeugend interpretiert werden?

II. Tiere in repräsentativen Institutionen: Vertretung von Tieren als Bürger

Bei Donaldson und Kymlicka bleibt es, wie gesagt, nicht einfach bei der Forderung, die Interessen von Tieren zu vertreten – sie plädieren darüber hinaus für ihre Vertretung als Bürger. Selbst wenn unter abgeschwächten normativen Voraussetzungen akzeptiert würde, dass Repräsentationsbeziehungen im Sinne der Interessenvertretung zwischen Menschen und Tieren denkbar sind, ist damit noch nicht ausreichend begründet, dass Tiere auch als Bürger politisch repräsentiert werden können. Politische Repräsentation – so könnte kritisch angemerkt werden – ist nicht einfach ein Modus der Herrschaftsorganisation, der dazu dient, den Willen des Volkes in politische Institutionen zu tragen, vielmehr beruht sie zudem auf der symbolischen Verkörperung und Darstellung gemeinsamer Wertvorstellungen. Politische Repräsentation ist, mit anderen Worten, als eine Verknüpfung von “Willensbeziehung” und “Symbolbeziehung” zu verstehen, wobei mit Symbolbeziehung die “Darstellung der grundlegenden politischen Wertvorstellungen und Ordnungsprinzipien eines Gemeinwesens” gemeint ist.15 Während in der bislang thematisierten Interessenvertretung von Tieren der Fokus auf der Willensbeziehung lag, verschiebt sich das Augenmerk auf die symbolische Dimension von Repräsentation, sobald Tiere als Bürger vertreten werden sollen, also auf die Frage nach dem, was die politische Gemeinschaft “in ihrer Vielheit zusammenhält”.16 Mithin lautet die Frage auf dieser Ebene nicht mehr, ob jemand für Tiere sprechen und ihre je besonderen Interessen in die politischen Institutionen der menschlichen Gemeinschaft tragen kann. Würden Tiere als Bürger und somit als Mitglieder des demos verstanden, ginge es stattdessen darum, die gesamte Mensch/Tier-Gemeinschaft politisch zu vertreten und der “normativen Struktur des Zusammenlebens in einem Gemeinwesen” Ausdruck zu verleihen.17 Grundlage der politischen Repräsentation, die beide Dimensionen einschließt, ist demnach die politische Zugehörigkeit der Tiere zum Gemeinwesen, weshalb es nur konsequent ist, dass Donaldson und Kymlicka von der Staatsbürgerschaft domestizierter Tiere ausgehen und darauf aufbauend ihre politische Repräsentation fordern. Staatsbürgerschaft verstehen sie als ein “kooperatives soziales Projekt, bei dem alle als Gleiche anerkannt werden, von den Gütern des sozialen Lebens profitieren dürfen und je nach Fähigkeit und Neigung zum allgemeinen Wohl beitragen können”.18 Während für die Interessenvertretung der postulierte staatsbürgerliche Status von Tieren keine Rolle gespielt hat, lenkt die Symbolbeziehung den Blick auf die Idee einer Gemeinschaft, in der Tiere wie Menschen als Gleiche gelten und gleichermaßen vom sozialen Leben profitieren sollen.

Was könnte es heißen, Menschen und Tiere ‘als Gleiche’ zu repräsentieren und welche Institutionen könnten der Gleichheit ihres Bürgerstatus bei aller Unterschiedlichkeit ihrer Kompetenzen und Interessen Ausdruck verleihen? Eine Abwandlung der konventionellen Gleichheitslosung zu ‘one animal, one vote’ ist augenscheinlich wenig hilfreich. Stattdessen müsste ein neues Verständnis politischer Gleichheit entfaltet werden, das plausiblerweise auf Tiere als Bürger anwendbar ist und gestatten würde, Tiere und Menschen als politische Gemeinschaft zu denken. Da Repräsentationsbeziehungen zwischen Tier und Mensch, wie oben ausgeführt, nie ganz vom Paternalismusvorwurf freigesprochen werden können, ist hierbei zu berücksichtigen, dass repräsentative Institutionen nicht zu weiteren Instrumenten der Beherrschung von Tieren werden dürfen. Institutionen politischer Repräsentation sind Ordnungsstrukturen politischer Macht und symbolisieren gleichzeitig “die leitenden Ideen einer politischen Einheit”.19 Insofern lauert hier die Gefahr, dass Menschen ihren Umgang mit Tieren in vorgeblich gemeinsamen Institutionen gleicher Bürger rechtfertigen, dadurch jedoch ein System der Beherrschung etablieren könnten, das Tieren zwar einen Platz einräumt, aber effektiv keinen wirklich gleichberechtigten Umgang fördert. Diese Probleme sind schwerwiegend und bekräftigen kritische Stimmen, die bezweifeln, dass eine auf Gleichheit basierende Mensch/Tier-Gemeinschaft in politischen Institutionen zu verwirklichen sei.

Einen wichtigen Versuch, dieses Problem zu lösen, hat Andrew Dobson mit seinem einschlägigen Artikel Representative Democracy and the Environment vorgelegt.19 Er untersucht, wie Gruppen, die von bestimmten demokratischen Entscheidungen betroffen, aber nicht Teil der Wählerschaft sind, politisch beteiligt und repräsentiert werden können, und befasst sich neben Tieren auch mit Nichtstaatsbürgern und zukünftigen Generationen. Sein Vorschlag ist ein Modell der Proxy-Repräsentation von Tieren: Einer Gruppe der (menschlichen) Wählerschaft wird das Recht zugesprochen, aus ihrer Mitte Repräsentantinnen für andere Spezies zu wählen, die dann Sitze im Parlament bekommen und sich dort für die Interessen von Tieren einsetzen. Diese sogenannte Proxy-Wählerschaft soll Dobson zufolge aus der ‘Nachhaltigkeitslobby’ bestehen, worunter er Organisationen und Verbände versteht, die sich für Nachhaltigkeit und den Umweltschutz einsetzen. Die Tier-Repräsentantinnen sollen durch diese Proxy-Wählerschaft gewählt und nicht ernannt werden, damit die Kandidatinnen einen Wahlkampf führen müssen, was zu einer Orientierung an den Präferenzen ihrer Wählerinnen führen würde.20

Dobsons Modell lässt sich als ein erster konkreter Vorschlag für die Institutionalisierung der Repräsentation einer Mensch/Tier-Gemeinschaft verstehen. Die Idee, im Parlament Sitze für Tier-Vertreterinnen zu reservieren, scheint nicht nur ein Mechanismus der Interessenvertretung zu sein, sondern Ausdruck der Vorstellung, dass Tiere und Menschen gleichberechtigte Mitglieder einer politischen Gemeinschaft sind, die beide im parlamentarischen Zentrum der Demokratie vertreten sein müssen. Allerdings bleiben viele zentrale Fragen unbeantwortet. Offen ist neben der Zusammensetzung des Parlaments beispielsweise, welche Kompetenzen die Tier-Repräsentantinnen hätten: Ginge es nur darum, die Interessen von Tieren zu äußern, oder hätten die Tier-Vertreterinnen ein Vetorecht in wichtigen Belangen? Zudem stellen sich Fragen politischer Gleichheit nicht nur zwischen Tieren und Menschen, sondern auch zwischen menschlichen Bürgerinnen. Einerseits spricht für eine Begrenzung des Kreises der Wahlberechtigten, dass die Proxy-Wählerschaft eine Gruppe sein sollte, von der anzunehmen ist, dass sie tatsächlich im Interesse der Tiere handelt. Hätten alle Bürgerinnen das Recht, die Tier-Repräsentantinnen zu bestimmen, könnte nicht ausgeschlossen werden, dass sie Kandidatinnen wählen, die versprechen, menschliche Interessen am wenigsten einzuschränken. Das würde natürlich der Idee, die Interessen von Tieren politisch zu repräsentieren, zuwiderlaufen. Andererseits wäre es unter dem Gesichtspunkt der politischen Gleichheit höchst problematisch, nur eine kleine Gruppe von Bürgerinnen mit einer zusätzlichen Stimme auszustatten, indem man ihnen das Recht gewährt, Tier- Repräsentantinnen zu wählen. Ein Lösungsweg könnte darin bestehen, nicht den Kreis der Wählerinnen zu beschränken, sondern die potenziellen Tier-Repräsentantinnen stärker zu überprüfen und nur solche als Kandidatinnen zuzulassen, die bestimmte Kriterien erfüllen.

Ein weiterer Aspekt lässt Zweifel daran aufkommen, ob Dobsons Vorschlag tatsächlich als Modell der Repräsentation einer Mensch/ Tier-Gemeinschaft taugt. Wirft man einen Blick auf die Art, wie er die Notwendigkeit der politischen Repräsentation von Tieren begründet, wird deutlich, dass sein Ausgangspunkt die Betroffenheit von Tieren durch demokratische Entscheidungen ist. Gemäß dem Grundsatz, dass all diejenigen an demokratischen Entscheidungen teilhaben sollten, die von ihnen betroffen sind, geht Dobson davon aus, dass Tiere Anspruch auf politische Teilhabe haben. Folglich resultiert der Anspruch auf politische Repräsentation nicht aus ihrem Status als Mitbürger, sondern aus dem Faktum, dass sie von Ergebnissen politischer Willensbildung betroffen sind. Insofern stellt sich die Frage, ob repräsentative Institutionen tatsächlich eine Mensch/Tier-Gemeinschaft gleicher Bürger verkörpern, für Dobson nicht. Aus der Betroffenheit folgt die Notwendigkeit der Interessenvertretung, doch generiert sie keine Ansprüche der Tiere auf politische Inklusion nach dem Bürgerschaftsmodell. Dass sein Vorschlag darauf beruht, Tiere im Parlament zu vertreten, steht demnach nicht im Zusammenhang mit der politischen Einheit, die diese Institution symbolisieren würde. Menschen und Tiere sollen also nicht ‘als Gleiche’ vertreten werden, vielmehr werden den Tieren im Rahmen menschlicher politischer Institutionen begrenzte Mitsprache- und Entscheidungsrechte zugesprochen.

Damit zeichnet sich deutlich der grundlegende Unterschied ab, der zwischen der von Donaldson und Kymlicka geforderten politischen Repräsentation von Tieren als Bürgern und bereits existierenden Tierschutzparteien und -beauftragten oder Tierrechtsorganisationen besteht. Wurde die Vertretung von Tieren bisher von außen an die menschliche politische Gemeinschaft herangetragen, erfordert ihr Status als Gleiche eine Umgestaltung aller repräsentativen Institutionen, die fortan die Mensch/Tier-Gemeinschaft vertreten. Dass es so schwierig ist, Institutionen für einen gemeinsamen Mensch/Tier-demos zu
entwickeln, liegt nicht an mangelnder institutionentheoretischer Kreativität, sondern ergibt sich vielmehr aus der Unsicherheit, wie eine solche Gemeinschaft aussehen könnte. Die erste Frage angesichts des unchartered territory einer politischen Mensch/Tier-Gemeinschaft kann folglich nicht sein, welche Institutionen wir dort errichten können, sondern wie es überhaupt zu betreten ist.

III. Vertretung von Tieren in Prozessen der Grenzziehung

Unsere gegenwärtigen Vorstellungen von politischer Repräsentation hängen mit dem normativen Selbstverständnis politischer Gemeinschaften zusammen, das sich in ihren institutionellen Arrangements widerspiegelt. Bestehende repräsentative Institutionen sind Ergebnisse historischer Prozesse und Kämpfe um Zugehörigkeit. Wandelnde Zugehörigkeitsnormen haben stets Fragen der politischen Repräsentation aufgeworfen. So wurde diskutiert, ob es ausreicht, vormals exkludierten Gruppen das aktive und passive Wahlrecht zuzugestehen, ohne die bestehenden Institutionen zu reformieren, und ob der geringe Anteil an Frauen oder bestimmten ethnischen Gruppen in Parlamenten ausgleichende Maßnahmen rechtfertigt. In der politischen Theorie werden diese Fragen zwar philosophisch erörtert und beantwortet, aber eine Symbolbeziehung zwischen Bürgern und neuen politischen Institutionen kann stets nur das Ergebnis politischer Auseinandersetzungen sein. Durch entsprechende Prozesse lassen sich rechtliche Bestimmungen genauso verändern wie das Selbstverständnis demokratischer Gemeinschaften. Es kann daher nur ein erster Schritt sein, aufzuzeigen, dass die Interessenvertretung von Tieren technisch möglich ist. Anschließend muss eine demokratische Verständigung über die Inklusion von Tieren in die demokratische Gemeinschaft stattfinden. Nur auf diesem Wege ist es vorstellbar, dass die menschlichen Bürger eine Ordnung, in der Tiere politisch vertreten werden, als angemessenen Ausdruck ihrer Wertvorstellungen anerkennen.

In solchen Grenzziehungsprozessen würde verhandelt, welchen Status Tiere haben sollten und wie einer neuen Mensch/Tier-Gemeinschaft politisch Ausdruck zu verleihen wäre. Diese Aushandlungsprozesse lassen sich jedoch nur dann wirklich ernst nehmen, wenn Tiere darin politisch vertreten und ihre Interessen angemessen berücksichtigt und einbezogen würden. Was genau ‘angemessene Berücksichtigung’ in Grenzziehungsprozessen heißt, bleibt vorerst offen, doch sind die Gleichheitsforderungen auf dieser Ebene möglicherweise weniger stark, weshalb es ausreichen könnte, bestimmte Minimalbedingungen aufzuzeigen. Ihre Repräsentation in Entscheidungsprozessen über die Grenzen der Zugehörigkeit ist allerdings eine Voraussetzung dafür, dass Tiere überhaupt einen anderen politischen Status erlangen. Folglich muss es zunächst Vertreterinnen geben, die in diesen Grenzziehungsprozessen die Interessen von Tieren vertreten. Das unterstreicht die Bedeutung von selbstautorisierten Tier-Repräsentantinnen: Sie sind zwar keine gewählten Akteure, doch wird ihr Anspruch, Tiere zu vertreten und ihre Interessen politisch sichtbar zu machen, Einfluss auf das Selbstverständnis der menschlichen Bürgerschaft haben. Einige Kommentatorinnen gehen sogar so weit, zu sagen, dass diejenigen, die Tiere in politischen Prozessen vertreten, die Grenzen der politischen Gemeinschaft verschieben, indem sie Tiere als deren Mitglieder präsentieren.21

Auch Donaldson und Kymlicka haben diese symbolische Komponente vor Augen, wenn sie betonen, wie wichtig es sei, Tiere in der Öffentlichkeit präsenter zu machen.22 Analog zu Entwicklungen im gesellschaftlichen Umgang mit Menschen, die behindert sind, erhoffen sie sich, dass die Anwesenheit von Tieren im öffentlichen Raum “unsere Vorstellungen von der politischen Gemeinschaft verändert sowie die Institutionen und Strukturen des Gemeinschaftslebens”.23 Tiere und ihre menschlichen Fürsprecher können politische Auseinandersetzungen über die Grenzen der Zugehörigkeit anstoßen und möglicherweise einen Wandel des Selbstverständnisses politischer Gemeinschaften in Gang setzen. Auch wenn es von einigen als Rückschritt, von anderen als immer noch zu radikal empfunden würde, denke ich, dass die primäre Forderung sein sollte, Tiere in demokratischen Auseinandersetzungen über die Grenzen politischer Zugehörigkeit zu vertreten. Nur dort ließe sich der Anspruch auf eine Mitgliedschaft erstreiten, die laut Donaldson und Kymlicka Grundlage der politischen Repräsentation von Tieren in einer Mensch/Tier-Gemeinschaft sein sollte. Politische Repräsentation ist nicht als eine Konsequenz aus dem Status von Tieren, sondern als dessen Voraussetzung zu fordern.

Das irritierende Postulat, Tiere politisch zu repräsentieren, ist ebenso provokant wie produktiv. Es löst eine ganze Kette an Folgefragen aus, die im Grunde nur unter Rückgriff auf weitreichende normative, konzeptuelle und institutionelle Überlegungen zu beantworten sind. Wieso haben Tiere einen Anspruch auf politische Repräsentation? Wie könnten Institutionen einer Mensch/Tier-Gemeinschaft aussehen? Mit derartigen Fragen finden sich herkömmliche Auffassungen von Gleichheit und Repräsentation auf die Probe gestellt. Die Provokation der Forderung liegt, so hoffe ich gezeigt zu haben, nicht (allein) in der Vorstellung, dass jemand die Interessen von Tieren politisch vertreten sollte. Das ist in geringem Ausmaß durch verschiedene Tierrechtsvereine und -organisationen, Tierschutzbeauftragte und -parteien heute bereits Realität. Radikal wird diese Forderung erst, wenn man politische Repräsentation als Vertretung und Verkörperung einer politischen Gemeinschaft versteht, die Tiere zu ihren Mitgliedern zählt.

Allerdings beruht die Provokation dieser These nicht zuletzt und einstweilen darauf, dass ihre zentralen Prämissen ungeklärt bleiben. Wie Gleichheit zwischen Menschen und Tieren zu gewährleisten wäre, ist ebenso fraglich, wie es problematisch ist, “das Faktum der Mitgliedschaft in einer gemeinsamen und gemischten Gemeinschaft als gegeben” vorauszusetzen.24 Zwar mögen Menschen bereits seit langem in der Gemeinschaft mit Haustieren leben, doch ist nicht absehbar, was das für die gängigen und ethisch fragwürdigen Praktiken im Umgang mit den sogenannten ‘Nutztieren’ bedeutet. Dass die Grenzen der politischen Gemeinschaft zumindest teilweise auch Tiere einschließen, taugt jedenfalls nicht als tragende Prämisse einer politischen Theorie des Mensch/Tier-Verhältnisses, deren Überlegungen zu Gleichheits- und Zugehörigkeitsvorstellungen erst am Anfang stehen.

Sue Donaldson/Will Kymlicka, Zoopolis. Eine politische Theorie der Tierrechte, Berlin 2013.

Donaldson/Kymlicka, Zoopolis, S. 341 und S. 229.

Christian Geyer, "Ratte, Kuh und Mensch in der Gleichheitsfalle", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2.7. 2014.

Hanna F. Pitkin, The Concept of Representation, Berkeley 1967, S. 8f.; Gerhard Leibholz, Das Wesen der Repräsentation und der Gestaltwandel der Demokratie im 20. Jahrhundert, Berlin 1960.

Gerhard Göhler, "Der Zusammenhang von Institution, Macht und Repräsentation", in: Gerhard Göhler et al., Institution -- Macht -- Repräsentation. Wofür politische Institutionen stehen und wie sie wirken, Baden-Baden 1997, S. 11-62, hier S. 46-52.

Donaldson/Kymlicka, Zoopolis, S. 225.

Robert E. Goodin, "Enfranchising the Earth, and its Alternatives", in: Political Studies 44 (1996), S. 835-849, hier S. 840f.

Pitkin, The Concept of Representation, S. 162.

Kimberly K. Smith, Governing Animals. Animal Welfare and the Liberal State, Oxford 2011, S. 105.

Vgl. Michael Saward, The Representative Claim, Oxford 2010.

Vgl. Nadia Urbinati/Mark E.Warren, "The Concept of Representation in Contemporary Democratic Theory", in: Annual Review of Political Science 11 (2008), S. 387-412, hier S. 389f.

Mónica Brito Vieira/David Runciman, Representation, Cambridge/Malden, MA 2008, S. 74f.

Philip Pettit, "Varieties of Public Representation", in: Ian Shapiro/Susan C. Stokes/ Elisabeth J. Wood/Alexander S. Kirshner (Hg.), Political Representation, Cambridge 2009, S. 61--89, hier S. 65--69.

Ebd., S. 78.

Göhler, "Institution, Macht und Repräsentation", S. 46.

Ebd., S. 49.

Ebd.

Donaldson/Kymlicka, Zoopolis, S. 302 (eigene Hervorhebung). 19 Göhler, "Institution, Macht und Repräsentation", S. 50.

Andrew Dobson, "Representative Democracy and the Environment", in: William M. Lafferty/James Meadowcroft (Hg.), Democracy and the Environment. Problems and Prospects, Cheltenham 1996, S. 124--139.

Ebd., S. 137.

Smith, Governing Animals, S. 107.

Donaldson/Kymlicka, Zoopolis, S. 251.

24 Ebd., S. 250.

Ebd., S. 228, Fn. 2.

Published 29 October 2014
Original in German
First published by Mittelweg 36 5/2014

Contributed by Mittelweg 36 © Svenja Ahlhaus / Mittelweg 36 / Eurozine

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