Das "Memorandum": Wurzel des serbischen Nationalismus
Jens-Martin Eriksen und Frederik Stjernfelt im Gespräch mit den Urhebern des Memorandums, Mihajlo Markovic und Vasilije Krestic, Belgrad im September 2003
Die serbische Akademie der Künste und Wissenschaften hat 1986 ein so genanntes “Memorandum” veröffentlicht, in dem die zentralen Thesen der serbischen Nationalisten zusammengefasst sind. Das Memorandum, das von den anderen Republiken Jugoslawiens als eine Art Kriegserklärung aufgefasst wurde, galt praktisch allen serbischen Nationalisten als ideologische Basis. Bis in die 1990er Jahre wurde es als das gültige politische Programm der serbischen Republikführung begriffen.
Die zentrale Aussage des Memorandums ist die Behauptung, dass Serbien von den anderen Teilrepubliken sowie dem Titoismus gezielt geschwächt werde. Die Verfasser beklagen u.a. die “wirtschaftliche Diskriminierung Serbiens”, die “Unterdrückung der Serben in Kroatien” und den “Genozid an den Serben im Kosovo” und fordern ein Ende der “Diskriminierungen des serbischen Volkes”.
Der in den späten 1980er Jahren zunehmende, auch die Bevölkerung erfassende serbische Nationalismus wurde von den anderen Republiken mit großer Skepsis und Beunruhigung aufgenommen. Angesichts der von Serben dominierten Machtverteilung in der jugoslawischen Volksrepublik entbehrt die angebliche wirtschaftliche und kulturelle Benachteiligung, die auf einer Verschwörung der anderen jugoslawischen Nationen beruhen soll, jeglicher Grundlage. Einige sehen in diesem Dokument auch schon einen Beleg für die frühe und systematische Vorbereitung zur Errichtung eines großserbischen Staates und damit der Kriege in Kroatien und Bosnien-Herzegowina.
Dass es den dänischen Autoren Jens-Martin Eriksen und Fredrik Stjernfelt gelungen ist, mit zwei der damaligen Akademiemitglieder und Verfassern des Memorandums ins Gespräch zu kommen, gleicht einer kleinen Sensation.
Es besteht kein Zweifel an der Bedeutung des so genannten “Memorandums” der Serbischen Akademie der Künste und Wissenschaften für die politische Mobilisierung und den brutalen serbischen Nationalismus, der mit der Machtübernahme durch die Regierung Milosevic in Serbien Programm wurde. Dieses berüchtigte Dokument gehört zu den wichtigsten Quellen über den neuen serbischen Nationalismus, wie er Ende der 1980er Jahre entstand und wie ihn die Haager Prozesse noch immer enthüllen. Wie aber verhält es sich mit den Verfassern dieses Dokuments? Durch die umfassenden Recherchen Olivera Mlosavljevics sind uns die wichtigsten Autoren des Memorandums bekannt, die der Autorin zufolge für die ökonomischen, politischen und nationalistischen Seiten des Dokuments verantwortlich zeichnen: der Wirtschaftswissenschaftler Kosta Mihaljovic, der Philosoph Mihajlo Markovic und der Historiker Vasilije Krestic.
Mihajlo Markovic: Die Zeitschrift PRAXIS und der “demokratische Sozialismus”
Mit diesen Personen Kontakt aufzunehmen ist nicht leicht, sie spielen in der serbischen Öffentlichkeit heute nicht mehr die gleiche aktive Rolle wie in den Tagen der serbischen Kulturrevolution Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre. Eine Analyse und Kritik dieses Dokuments wäre jedoch unvollständig ohne die Stellungnahmen dieser Personen selbst. Wir nahmen uns also vor, Kontakt aufzunehmen.
Vor allem mit Mihajlo Markovic kam eine Verabredung nur schwer zustande. Beim ersten Mal schlugen wir unverblümt ein Interview über den radikalen Nationalismus vor – und ernteten eine glatte Ablehnung. Ein Jahr später versuchten wir es noch einmal, jetzt allerdings vorsichtiger: ein Interview über die Zukunft Serbiens in Europa. Ja, an sich gern, nur habe er gerade keine Zeit. Wir sollten es versuchen, wenn wir das nächste Mal in Serbien seien. Dies tun wir. Jetzt hat er indessen Bedenken und lehnt ab. Es ist allerdings ein Vorteil, wenn man zu zweit ist: Wir geben vor, die eine Hand wisse nicht, was die andere tue. “Aber habe ich mit Ihnen nicht schon vor einer Woche gesprochen?” fragt Markovic, nicht unerwartet. “Nein”, kann man wahrheitsgemäß antworten, “vielleicht war das mein Kollege.” Ein Interview über Politik und Philosophie? Nein, auf keinen Fall über Politik. Die Dinge könnten schließlich kaum schlechter stehen, als sie ohnehin sind, und bevor es keine erfreulicheren Nachrichten gebe, lohne es sich nicht, darüber zu sprechen. Ja, aber ein Interview über Philosophie, über die Entwicklung Ihres Denkens? Das gehe. Zögernd lädt Markovic uns ein, ihn in seiner prachtvollen Villa im Vorort Senjak mit Blick auf die Sava und in der Nachbarschaft von Milosevics früherer Residenz zu besuchen.
Es ist kein einfacher Moment. Viele der Intellektuellen, mit denen wir in Ex-Jugoslawien gesprochen haben, hatten ein herzliches oder ein zorniges Verhältnis zu Markovic, oder aber beides – mit jenem Mann, den in den 1960er Jahren eine ganze Generation wegen seiner “humanistischen”, links-marxistischen Kritik an Tito bewunderte, der jedoch, folgt man Sonja Biserko, in Wirklichkeit stalinistischer war als Tito selbst. Auch Zoran Djindjic war einst Markovic-Schüler gewesen, studierte dann aber in Frankfurt bei Jürgen Habermas und promovierte beim Habermas-Schüler Albrecht Wellmer. Vielleicht verfügte Djindjic deshalb später über das Rüstzeug, die PRAXIS-Philosophie als “Revolutionstheologie” zu kritisieren.
Es lohnt sich, ein wenig bei der philosophischen Kritik des Links-Marxismus durch den späteren Ministerpräsidenten zu verweilen. Djindjic führte gegen die abstrakte Verehrung von “Befreiung” in allen Formen ins Feld, jede “Befreiung” müsse in einem pragmatischen Verhältnis zu konkreten institutionellen Strukturen und deren Umbau gesehen werden. Das Handicap von PRAXIS sei gewesen, daß es sich dabei um eine politisch-anthropologische Wertlehre handelte, die das Schwergewicht stärker auf bestimmte Verhaltensmuster legte als auf eine rationale politische Theorie. Vielmehr lehnte PRAXIS die Gültigkeit der Theorie zugunsten einer vergötterten revolutionären Mystik ab, die essentiell der Realität gleichgestellt wurde – wenn auch mit katastrophalen Folgen. (Djindjics Artikel “Praxis-Marxism in its Epoch”, Theoria 1-2,1988, referiert nach dem “politisch-philosophischen” Essay Ivan Jankovis, “Praxis Odyssey”, Helsinki Charter No. 65/66, June / July 2003.)
Im Mittelpunkt stand für PRAXIS die Vorstellung von einer “Beteiligungsdemokratie” als Gegenstück zur bürgerlichen, repräsentativen Demokratie, weshalb man sich zu Titos Idee von Selbstbestimmung bekennen konnte, auch wenn man Tito selbst kritisierte, weil er die Gleichheit nicht konsequent genug verwirklicht und so eine “rote Bourgeoisie” geschaffen hätte. Darum müsse dagegen rebelliert werden. Man ging generell davon aus, daß politische Strukturen nach gewisser Zeit erstarren müßten und darum nach weiteren Rebellionen verlangten, bei denen die Massen sich selbst das Recht nehmen würden, neue, sich selbst organisierende Strukturen zu bestimmen und zu schaffen.
Ähnliche Vorstellungen von permanenten Revolutionen wurden im Links-Marxismus von Trotzki bis Sartre gepflegt – was, worauf Djindjic ebenfalls aufmerksam machte, die Theorie der Begeisterung für jede beliebige, extaktische, populistische Massenbewegung öffnete, da es sich dabei per definitionem um eine “Beteiligungsdemokratie” handelte. Sobald eine Demonstration durch die Straßen zieht, wähnt man die Revolution wieder auf dem Marsch. Aber handelt es sich nicht, wenn die Demokratie sich nach dem geringsten Zittern der Massen auf der Straße zu richten hat, um eine Theologie oder eine spekulative religiöse Lebensphilosophie? Wurde PRAXIS deshalb von Milosevics “antibürokratischer” Revolution und ihrer Vorstellung, man könne die Institutionen und die Bürokratie als solche abschaffen, angesprochen? War es die ekstatische Unterstützung von Milosevics Nationalismus durch Millionen Menschen auf den Straßen Belgrads Ende der 1980er Jahre, die Markovic dazu veranlaßte, den Nationalismus mit all seinen Konsequenzen zu schlucken – und damit sein staunendes internationales Linksintellektuellenpublikum zu schockieren? Bereits mit seiner Beteiligung an der Abfassung des Memorandums hatte Markovic an den Grundlagen des neuen serbischen Nationalismus mitgearbeitet, nun aber wurde er – zusammen mit anderen Verfassern des Memorandums wie Antonije Isakovic und Kosta Mihajlovic – als führende Kraft Mitglied von Milosevics sozialistischer Partei SPS, der Nachfolgerin der kommunistischen Partei, und ist es noch immer. Vielleicht ist es ein grundsätzlicher Fehler, einer politischen Philosophie anzuhängen, in deren Mittelpunkt Bedürfnisse stehen, die nicht von anderen, simpleren Leidenschaften korrigiert werden – von Begierde, Anerkennung oder Einbildungskraft – man mißinterpretiert jede auftretende Massenbewegung als legitimes Bedürfnis, das nach selbstorganisierter Befriedigung verlangt.
Als wir Mihajlo Markovics Arbeitsstätte betreten, fühlen wir uns wie auf einer Reise durch einen Zeittunnel. Wir sehen uns in ein Zimmer aus der Studentenzeit der 1970er Jahre versetzt, Einrichtung, Bibliothek und alles. Es gibt keinen Computer, und die Bücher sind hauptsächlich linksmarxistische Klassiker. Ernst Bloch, Agnes Heller, Theodor W. Adorno, Herbert Marcuse – und selbstverständlich ganze Regale mit der legendären Zeitschrift PRAXIS aus den 1960er Jahren. Ergänzt durch ein wenig Heidegger und Foucault sowie Logik und analytische Philosophie. Der achtzig Jahre alte Markovic läßt, nachdem er uns in sein Arbeitszimmer gebeten hat, auf sich warten. Er muß sich um seine kranke Frau kümmern und ihr ihre Medikamente verabreichen, und außerdem muß er für uns Kaffee kochen. Als er dann schließlich kommt, sind alle Vorbehalte rasch beseitigt, und das Gespräch kommt überraschend leicht von der Philosophie auf die Politik.
Jens-Martin Eriksen, Frederik Stjernfelt: Um 1968 haben Sie als Leiter von PRAXIS viele Leute inspiriert, sowohl in Jugoslawien wie international.
Mihajlo Markovic: Ja, die PRAXIS-Gruppe hatte in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren großen Einfluß, da wir doch die ganze Zeit unter dem Druck Titos standen. 1975 wurden wir von der Universität verwiesen, und als Anfang der 1990er Jahre die Tragödie Jugoslawiens begann, konnte die PRAXIS-Gruppe – auch wegen der Sanktionen – nicht weiterbestehen. Unter unseren Trägern kam es zu einer Aufsplitterung. Einige waren der Meinung, wir müßten Milosevic bekämpfen, also löste sich PRAXIS auf. Die Zeitschrift existiert nicht mehr und der internationale Einfluß ist infolgedessen erheblich geringer geworden. Unsere Wege trennten sich, einige von uns änderten ihre Position und hingen anstelle des demokratischen Sozialismus, den PRAXIS vertreten hatte, unterschiedlichen Schattierungen des Liberalismus an. Natürlich werden diese Idee überleben – schließlich sind dies die einzigen beiden Projekte, die ernstlich entwickelt wurden: der Liberalismus und der Sozialismus. In seinen Anfängen war Sozialismus nicht demokratisch genug, aber irgendeine Form des demokratischen Sozialismus wird überleben, und man wird PRAXIS wieder studieren. Die Beteiligungsdemokratie und die Selbstorganisation werden überleben – das ist eine Kombination aus Freiheit und sozialer Gerechtigkeit. Die PRAXIS-Idee steht einem Liberalismus gegenüber, der lediglich die Freiheit vertritt, und sie wendet sich auch gegen den frühen Sozialismus, der nur die Gleichheit vertrat. Das beste Beispiel für eine fehlende Demokratie ist die Sowjetunion, aber auch das Jugoslawien Titos hatte in gewisser Weise autoritäre Züge. In der Zukunft wird man Freiheit und Gleichheit verbinden und die PRAXIS-Philosophie wird wieder aktuell werden, man wird sie wieder studieren. Das ist eine der Möglichkeiten, die die Menschheit hat. Im Augenblick ist die Zeit für den demokratischen Sozialismus nicht gut, aber viele Mächte, wie z.B. die USA, die jetzt so einen übermächtigen Eindruck machen, werden im Lauf der nächsten beiden Jahrzehnte nicht mehr so machtvoll sein, aus inneren und aus äußeren Gründen.
J-ME, FS: Wie sehen Sie die Vorstellungen von PRAXIS zum Thema Beteiligungsdemokratie und “self management” im Verhältnis zu zentralen Begriffen der politischen Philosophie der letzten Jahrzehnte, wie zum Beispiel Kommunitarismus und Zivilgesellschaft?
MM: Diese Ideen überlappen einander. Der Kommunitarismus erfordert die Beteiligung der Bevölkerung, dort wo sie wohnt oder arbeitet. Selbstverwaltungsräte auf allen Ebenen, lokale Institutionen, Diskussionsversammlungen bis hinauf zur Spitze des Staates, wo die Bevölkerung sowohl als Bürger wie auch als Arbeiter oder als Produzent beteiligt ist – all dies wurde niemals ausreichend diskutiert. Allerdings hat PRAXIS ein sehr detailliertes System der Beteiligungsdemokratie entwickelt.
J-ME, FS: Worin unterscheidet sich Ihr Verständnis des “demokratischen Sozialismus” von den westlichen Sozialdemokratien?
MM: Im Prinzip dürfte es keinen großen Unterschied geben. Marx und Engels gehörten schließlich zur deutschen Sozialdemokratie. Da gibt es also eine Affinität. Der einzige Unterschied rührt vom Konflikt zwischen Sozialdemokraten und kommunistischen Parteien nach der russischen Revolution her. Bei dem, was man gewöhnlich als Kommunismus bezeichnet, handelt es sich um einen autoritären, den Staat verherrlichenden Sozialismus, und hiergegen haben sich die Sozialdemokratien in der Sozialistischen Internationale zusammengeschlossen. Auch der demokratische Sozialismus wäre gern Mitglied der Internationale, aber die Sozialdemokratien werden heute von gewissen konservativen Kreisen des Westens unterstützt. Das ist ein neues Phänomen, lassen Sie mich also ein paar Worte darüber sagen. Jene Kreise der USA, die heute eine der Machtebenen darstellen, entdecken junge, talentierte Linksintellektuelle, unterstützen sie, statten sie mit Stipendien aus, und errichten auf diese Weise ganz sorgsam ein Netzwerk aus solchen Leuten. Javier Solana, der ehemalige Generalsekretär der NATO, ist ein Beispiel hierfür und Gott weiß wer noch. Sie sind also für die Unterstützung, die sie bekommen haben, zu einer Gegenleistung verpflichtet und sind infolgedessen nicht mehr unabhängig. Tatsächlich sind die USA gegenüber ihren natürlichen konservativen Verbündeten weniger aufmerksam gewesen als gegenüber den Sozialdemokratien. Auf diese Weise “kaufen” sie Mitte-Links-Leute. Viele dieser Menschen würdigen der sozialen Gerechtigkeit und der Solidarität keine sonderliche Aufmerksamkeit mehr. An den Konservativen sind die USA jedoch nicht so interessiert gewesen. Patrioten und Nationalisten lenkt man nicht vom Ausland aus, und darum haben die USA heute einige Probleme mit dem gaullistischen Typ der Konservativen, man denke nur an Frankreich! In Wirklichkeit sind aus genau diesen Gründen die Sozialdemokratien und der demokratische Sozialismus nicht das Gleiche. Die Sozialdemokratien wurden, um überleben zu können, pragmatisch. Um Erfolg zu haben, war man zu gewaltigen Kompromissen gezwungen. Das ist heute die historische Tendenz.
J-ME, FS: Können Sie die Entwicklung Ihres eigenen Denkens skizzieren?
MM: Im großen und ganzen habe ich meine grundlegenden Ideen nicht verändert, aber ich bin zu einem besseren Verständnis der historischen Bedingungen gelangt. In den 1960er Jahren habe ich geglaubt, die Beteiligungsdemokratie sei eine reale Möglichkeit für Jugoslawien, wo wir Einfluß auf ausreichend viele Menschen nehmen konnten. Wir haben geglaubt, daß sich Jugoslawien offiziell in diese Richtung bewegt. Heute können wir erkennen, daß dies utopische Vorstellungen waren, die sich nicht verwirklichen lassen, die aber die zukünftige Entwicklung beeinflussen können. In Zukunft können wir sie vielleicht einmal einführen. In diesem Augenblick sind es utopische Vorstellungen, und Marx hat den utopischen Sozialismus schließlich verurteilt. Allerdings ist diese Utopie Ausdruck reeller Bedürfnisse von Menschen, und irgendwann einmal könnte sie sich in die Tat umsetzen lassen, auch wenn die Menschen heute nicht unter guten Bedingungen leben und es nicht sehr wahrscheinlich ist, daß das geschieht. Mit den moralischen Werten ist es das gleiche. Selbst wenn man sie Tag für Tag im Umgang der Menschen miteinander einsetzt, könnte ohne sie keine gut organisierte, stabile, altruistische Gesellschaft existieren, sondern es gäbe lediglich den Hobbes’schen Krieg aller gegen alle. Das moralische Ideal ist also eine Voraussetzung für eine ordentliche, stabile Gesellschaft, auch wenn es sich in gewisser Hinsicht um ein utopisches Ideal handelt. Mit anderen Worten sind die Ideen also eine praktische Kraft, eine Stärke. Gut und böse werden doch stets miteinander vermischt, sowohl bei Individuen wie auch in Staaten. Aber sie sind ein Potential für den Sieg des Guten.
J-ME, FS: Also sind Sie von Hegel auf Kant gekommen, von der zu verwirklichenden Idee zu einer nur regulativen Idee?
MM: Ja, man könnte sagen, daß das regulative Ideen sind, aber auch Hegel glaubte schließlich an den Fortschritt. Heute sind wir jedoch nicht mehr der Meinung, daß der Fortschritt unvermeidlich ist, so wie ich dies in den 1960er Jahren glaubte. Beispielsweise können wir kollektiven Selbstmord begehen, wie dies während der Kuba-Krise beinahe geschah. Es gibt ein reales Risiko, daß der Mensch verschwindet, und die Geschichte kann in lange Rezessionsperioden geraten, in denen das Böse herrscht. Im Zweiten Weltkrieg hätte Deutschland sich zum Beispiel damit begnügen können, Europa zu beherrschen. Daran hätte sich ein langer Zeitabschnitt anschließen können, in dem die USA, die Sowjetunion, Deutschland und Japan dominiert hätten – vier Großmächte statt zwei. Die Menschheit hätte sich aus dieser Situation nur schwer befreien können. Rein theoretisch hätten wir also – wie bei Orwell – eine lange Periode der Dominanz dieser Mächte über alle anderen bekommen können.
J-ME, FS: Sehen Sie in der Globalisierung eine Bedrohung des demokratischen Sozialismus?
MM: Zunächst muß man hinsichtlich des Begriffes Globalisierung eine wichtige Unterscheidung treffen. Denn in Wissenschaft und Kultur stellt die Globalisierung zunehmend einen Fortschritt dar. Dies ist aber nur ein Aspekt, den man von der Ideologie der Globalisierung trennen muß, die nicht mehr ist als eine neue Art von Dominanz, die den Hitler-Typ der Dominanz mit Besetzung und Plünderung ablöst. Selbstverständlich ist diese neue Dominanz-Ideologie weit raffinierter. Eine Art von Dominanz, die die Gehirne der Menschen steuert, indem sie Leute auswählt und fördert, die zurückbezahlen. Sie ist gegen alles: gegen Linksorientierung ebenso wie gegen Patriotismus, den Nationalstaat und nationale Souveränität. Allerdings ist der Patriotismus vereinbar mit dem Universalismus – man kann sein eigenes Volk lieben und gleichzeitig nach internationalen, universellen Normen streben. Mit dem Globalismus ist der Patriotismus jedoch nicht vereinbar. Der Globalismus als Ideologie wird gefördert von multinationalen Unternehmen und heimlichen Machtzentren, die Gehorsam verlangen – von der Bilderberg-Gruppe, der Trilateralen Kommission, dem Council for International Relations, die Nachrichtendienste, Armeen, Bankiers, Manager sammeln. Selbst die Regierungen der Supermächte werden von solchen Organisationen gesteuert. Diese Ideologie ist mit der Idee des Nationalstaats unvereinbar – so wie die Feudalstaaten, die der Modernisierung im Wege standen, weichen mussten. So versucht man jedenfalls, die Situation darzustellen. Diejenigen, die so sprechen, denken jedoch nicht im Traum daran, ihre eigene nationale Souveränität aufzugeben – die nationalen Interessen der USA, die Souveränität Englands. Das ist genauso, wie wenn man die Einhaltung der Menschenrechte fordert, seine eigenen Alliierten jedoch davon ausnimmt. Selbstverständlich müssen alle gleichermaßen für Verstöße gegen die Menschenrechte bestraft werden. Eine Doppelmoral dürfen wir hier nicht dulden.
J-ME, FS: Sie sehen den Konflikt zwischen der NATO und den USA auf der einen und Jugoslawien auf der anderen Seite also nach diesem Muster?
MM: Hier geht es um zwei unterschiedliche Konflikte: Erstens geraten die USA mit einem nach dem anderen ihrer zukünftigen Opfer in Konflikt. Jugoslawien und Serbien sind hier beispielhaft. Es geht um die Kontrolle rohstoffreicher Gebiete in Asien: der Mittlere Osten, das Gebiet um das Kaspische Meer, später Sibirien. Die Erschöpfung der Ölreserven steht kurz bevor, sie werden innerhalb der nächsten 100 Jahre zu Ende gehen, darum ist dies die letzte Chance, sich rohstoffreiche Gebiete zu sichern. Hier werden große Anstrengungen unternomen. Zbigniew Brzezinski sagt, das kaspische Gebiet sei in dieser Hinsicht zentral. Die USA, Rußland und China stehen hier in Konkurrenz zueinander, außerdem noch die Türkei und der Iran auf lokaler Ebene. Unter diesen Prämissen muß man die dortigen Ereignisse interpretieren. Und aus diesem Grunde benötigt man auch die Kontrolle über den Balkan: Der Balkan ist ein Durchgangsgebiet für Truppen in östlicher und für Öl in westlicher Richtung. Deshalb beharren die USA auf dem Gehorsam aller Länder in diesem Gebiet. Serbien aber hat sich widersetzt, so wie es sich früher gegen Österreich-Ungarn widersetzt hat, gegen Hitler-Deutschland, gegen die Rote Armee – und nun gegen die USA.
Auch wenn Milosevic versuchte, so pragmatisch wie möglich zu sein, allzu viele Zugeständnisse bezüglich des Kosovo konnte er nicht machen. Dies war die grundlegende Ursache des Konflikts. Die USA – und auch Deutschland und der Vatikan – ermutigten jugoslawische Völker – Kroaten und Slowenen – zum Aufruhr. In Bosnien waren drei Völker völlig miteinander vermischt, und es war von Anfang an klar, daß dieser Konflikt in einen blutigen Bürgerkrieg münden würde. Der Cutilheiro-Plan versuchte diesen Konflikt mit Karadzic, Izetbegovic und den Kroaten zu lösen: 1. Bosnien sollte außerhalb Jugoslawiens stehen; 2., das Land sollte aus drei unabhängigen Nationen bestehen; und 3., es sollte in Kantone aufgeteilt werden, in denen die jeweilige Majorität die Macht hatte. Izetbegovic unterschrieb, Zimmerman [Warren Zimmerman, der amerikanische Botschafter in Jugoslawien] fragte ihn, warum. Izetbegovic antwortete, der Vorschlag gefalle ihm zwar nicht, er habe aber das Gefühl, er müsse unterschreiben. Zimmerman nötigte ihn, seine Unterschrift zurückzuziehen. Außerdem fügte er hinzu, alle Muslime würden den Frieden für die Unabhängigkeit opfern. Es ist viel zu wenig bekannt, aber es war Izetbegovic, der den Krieg in Bosnien auslöste, weil er das Abkommen brach!
Die USA wollten die Nation in Regionen auflösen, die dann globalisiert werden konnten: eine Nation mit einer Sprache und einer historischen Erfahrung. Ein solcher Staat könnte leicht Teil einer größeren Gemeinschaft werden. Wenn man aber versucht, dies zu unterdrücken, wie es die USA mit der Hegemonie-Ideologie der Globalisierung versuchen, dann kommt von einer solchen nationalen Gemeinschaft der härteste Widerstand. Und auf Grund dieses Widerstands wird nationale Souveränität verurteilt. 1990 war ich auf einer Konferenz in Washington, und Diplomaten sagten mir: Jugoslawien wird nicht mehr gebraucht, so wie wir euch während des Kalten Kriegs gebraucht haben. Es könne nun aufgelöst werden und Österreich, Deutschland und der Vatikan zufrieden gestellt werden. Und obendrein könne die Auflösung Jugoslawiens der Globalisierungs-Ideologie dienen. Tatsächlich zögerten die USA aber einige Zeit, und erst als Deutschland Slowenien und Kroatien als unabhängige Staaten anerkannt hatte, bezog man Stellung.
Die USA nahmen an, Milosevic zu stürzen und den Sozialismus zu zerstören wäre in Jugoslawien leichter als in Serbien. Damals hatte er hier die Unterstützung der Majorität. Man nahm an, Jugoslawien könne überleben, wechselte die Haltung aber mit der Anerkennung Bosniens im April 1992 – eine der wichtigsten Ursachen für den Krieg – weil man sich damit zur Unterstützung der bosnischen Muslime entschloß. Rest-Jugoslawien wäre als Staat möglich gewesen, wir hatten eine Verfassung (von 1974), nach der alle Republiken als souveräne Staaten Mitglied einer Konföderation waren, in der alle Beschlüsse der sechs Republiken und zwei Regionen einstimmig gefaßt werden mußten. Jede Republik hatte ihre Ökonomie mit mehr Handel außerhalb Jugoslawiens als mit Binnenhandel – eine solche Verfassung könnte kein Land überleben! Ich war also der Meinung, Serbien plus Makedonien könnten einen überlebenden Staat bilden und so den Krieg vermeiden.
J-ME, FS: Warum wurde Bosnien von den bosnischen Serben nicht akzeptiert?
MM: Karadzic hat den Cutilheiro-Plan unterschrieben, nach dem Bosnien Jugoslawien verließ. Die simple Tatsache eines Austritts aus der jugoslawischen Staatengemeinschaft wäre also akzeptiert worden. Aber es ist wie in allen Ehen: bei einer Scheidung muß man die Frage nach den Kindern und dem Besitz beantworten. Die Serben sollten zusammen mit den Muslimen und Kroaten eine gleichberechtigte Nation sein, und in den Kantonen, in denen sie in der Mehrheit waren, sollten sie die Macht bekommen. Sie wollten jedoch einen gewaltsamen Austritt nicht akzeptieren, ohne daß ihre Rechte anerkannt wurden. Ist man eines von drei Völkern, oder ist man eine Minorität? Wenn es nach Izetbegovic gegangen wäre, wären die Serben eine Minderheit in einem unabhängigen Bosnien geworden. Lange waren die Serben in Bosnien in der Mehrheit, nun aber gab es dort 2 Millionen Muslime und 1,5 Millionen Serben. Sie sollten die Islamische Deklaration kennen, die die Absichten Izetbegovics zeigt.
J-ME, FS: Wir haben sie gelesen.
MM: Dann wissen Sie, daß er dort einen Islam propagiert, der nicht an die Demokratie glaubt, und auf einem Staat besteht, in dem die Muslime in der Mehrzahl sind. Die Serben haben jedoch aus der Türkenzeit ausgiebige Erfahrungen mit einer muslimischen Oberherrschaft. Die Bosniaken sind keine Türken, sie sind Stadt-Sklaven, Handelsleute, die Muslime wurden, weil sie keine Raia sein wollten, Leute ohne Rechte, und darum sind sie mit dem Sultanat Kompromisse eingegangen. Vor allem in einem Gebiet mit einem wichtigen mittelalterlichen Staat – Bosnien -, der sogar mit Serbien konkurrierte, waren die Bogumilen, die zum Islam übertraten, Serben.
J-ME, FS: Der Nationen-Begriff spielt also heute eine wichtigere Rolle für Sie als in den 1960er Jahren?
MM: Ja, auf diesem Gebiet hat sich in meinem Denken eine Änderung vollzogen. Ich habe den Patriotismus als Faktum erkannt, als reale politische Kraft. PRAXIS war eine universalistische, kosmopolitische Zeitschrift. Schon Anfang der 1970er Jahre erkannten wir, daß die Kroaten Jugoslawien verlassen wollten, was wir akzeptierten. Schwieriger war es jedoch zu begreifen, warum die kleineren Nationen dies wollten. Als Makedonien sich losreißen wollte, wurde auch das akzeptiert. Izetbegovic hatte seine politischen Ziele und kämpfte für einen Austritt, weil er den Krieg wollte, in dem die Serben auch negative Eigenschaften an den Tag legten. Woher kommen diese Eigenschaften? Der Anthropologe Jovan Cvijic schreibt von einem “dinarischen” Typ in den südlichen Berggegenden – einem Typ mit einem riesigen Unabhängigkeitswillen und einer Bereitschaft, auf die Bedrohung der Unabhängigkeit überzureagieren. Und dies auf eine maßlos gewaltsame Art.
J-ME, FS: Sie verbuchen die von den bosnischen Serben begangenen Massaker also auf diesem Konto?
MM: Ja. Das ist die einzige Art, auf die ich mir das erklären kann. Viele haben das gewußt. Auch die Muslime haben es gewußt. Feuerten sie 2 oder 3 Granaten ab, bekamen sie 20 zurück. Man könnte also von einer Art übertriebener Vergeltung sprechen, muß aber hinzufügen: aus einem Gerechtigkeitsgefühl heraus. Das sind intelligente, phantasievolle Menschen, die nicht so stark arbeiten können, denn in den Bergen gibt es kein Land, sie sind an die Arbeit also nicht so gewöhnt. Nie beenden sie eine Arbeit, geben dann aber anderen die Schuld für ihre Trägheit und ihre schlechte Arbeitsmoral. Sie sind ein wenig verbittert, was sich auch in den heftigen Konflikten, wie wir sie aus den 1990er Jahren kennen, ausdrücken mag.
J-ME, FS : Wie sah es mit Ihrer Beteiligung an dem berühmten Memorandum aus?
MM: Das “berühmte Memorandum”, wie Sie es nennen, wurde 1985 verfaßt, allerdings nicht abgeschlossen. In erster Linie resultierte es aus der Annahme, mit der Wirtschaft stehe es sehr schlecht, was an der politischen Entwicklung nach der Verfassung von 1974 lag – eine Gruppe der besten Ökonomen der Akademie haben hierüber geschrieben. Und außerdem gab es einen politischen Teil, an dem ich beteiligt war und in welchem ich die Prinzipien für einen guten Aufbau des Staates zum Ausdruck brachte, indem ich überwiegend Prinzipien zugrundelegte, die von der westlichen Intelligentsia anerkannt wurden (die Menschenrechte usw.). Schließlich gab es noch jenen zweiten Teil über die Nationenfrage. Die Republik Serbien besaß ja zwei autonome Regionen – die Vojvodina und den Kosovo. Was war aber mit dem dritten Teil Serbiens, der gar nicht organisiert war und kein eigenes Parlament besaß? Über serbische Angelegenheiten wurde also von der Vojvodina und vom Kosovo aus bestimmt. Umgekehrt jedoch waren an deren Angelegenheiten die Serben nicht beteiligt. Zu jenem Zeitpunkt, als die Verfassung verabschiedet wurde, also 1974, ging Tito davon aus, dass die Serben für Jugoslawien die größte Bedrohung darstellten. Das Verhältnis im Präsidentschaftsrat war allerdings 7:1 zu Ungunsten der Serben. Und obwohl jede Republik abwechselnd einen Ministerpräsidenten stellen sollte, stimmten alle gegen den Serben Ivan Stambolic, als er an der Reihe war.
Es gab auch preispolitische Probleme. Die Spanne zwischen den Preisen für Rohwaren (aus Serbien) und Fertigprodukten (aus Slowenien und Kroatien) waren größer als auf dem internationalen Markt. Es gab einen Hilfsfonds für strukturschwache Gebiete mit drei Kategorien: hoch, durchschnittlich, niedrig. Serbien lag nur wenig über dem Durchschnitt und erhielt deshalb keine Hilfe, so daß auch unterentwickelte Gebiete Serbiens mehr in den Fonds einbezahlen mußten als Slowenien und Kroatien. In den 1960er Jahren waren wir Universalisten und Kosmopoliten gewesen, nun aber mußten wir einräumen, daß dies ungerecht war. Gleichwohl finden sich im Memorandum keine Passagen, in denen eine serbische Dominanz gefordert wird.
J-ME, FS: Es gab aber doch Mitglieder der PRAXIS-Gruppe, die Positionen einnahmen, die sich von der Haltung, wie sie im Memorandum zum Ausdruck kommt, abgrenzten. Sie selbst haben zu Beginn unseres Gesprächs erwähnt, daß die Gruppe sich teilte. Golubovic, Popov, Jaksic gingen z.B. andere Wege.
MM: Jaksic war gar nicht Mitglied von PRAXIS. Das behauptet er zwar, aber es stimmt nicht. Er sympathisierte mit uns, aber er war kein Mitglied der Gruppe. Man kann ihn als Mondialisten bezeichnen, als kosmopolitischen Denker, der die Existenz eines Nationalgefühls oder einer nationalen Identität nicht anerkennt. Eine Person, die PRAXIS und Serbien damals sehr kritisch gegenüberstand. Er hat entschieden andere Ansichten als ich, darüber bin ich mir völlig im klaren.
So ist es auch mit Zagorka Golubovic, auch sie hat sich von meinen Positionen entfernt. Mit ihr verhält es sich jedoch anders. Sie ist immer eine sehr überzeugte Kommunistin gewesen und hat die Bedeutung des Internationalismus stets unterstrichen. Und aus dieser Position hat sie schon immer jede patriotische Äußerung verurteilt. In dieser Hinsicht war sie sozusagen stets radikal. Sie hat die Rolle, die das nationale Interesse spielt, immer unterschätzt. Wir haben schon darüber gesprochen, daß die nationale Gemeinschaft eine natürliche Gemeinschaft ist. Man spricht dieselbe Sprache, man hat eine gemeinsame Geschichte, ein gemeinsames Erbe usw. All dies ist vereinbar mit einer universalen Einstellung. Allerdings nicht für Golubovic. Sie sah in der Vermischung von Sozialismus und Nationalem reinen Nazismus. Nationalsozialismus. Man könnte die Termini gemeinsam verwenden, aber selbstverständlich ist das unmöglich, weil das der Name der Hitler-Partei war. Zagorka Golubovic war auf diesem Gebiet immer sehr kategorisch und lehnte die Beschäftigung mit nationalen Fragen als puren Nazismus ab. Darin waren wir immer anderer Meinung. Für sie existierte das Problem, ein Gleichgewicht zwischen Nationalismus und Internationalismus herzustellen, gar nicht. Schon 1978 haben wir uns über diesen Punkt gestritten.
J-ME, FS: Es gibt aber Abschnitte des Memorandums, vor allem im letzten Teil, die stark nationalistisch sind.
MM: Denken Sie an bestimmte Abschnitte? Was nennen Sie “stark nationalistisch”? Wollen wir uns den Text ansehen?
J-ME, FS: Der Satz, der lautet: “Die Etablierung der vollständigen nationalen und kulturellen Integrität des serbischen Volks, unabhängig davon, in welcher Republik oder Region es lebt, ist sein historisches und demokratisches Recht.”
MM: Aber “Integrität” weist auf kulturelle Verbindungen zwischen Serben hin. Serben können doch auch anderswo leben, in Ungarn und in Rumänien gab es zum Beispiel Serben, die zugleich die Pflichten ihrer Staatsbürgerschaft hatten. Das soll also darauf verweisen, daß man geistig, ethnisch, national Teil einer Gesamtheit ist, wo immer man lebt. Es bezieht sich jedoch nur auf das Kulturelle. So, wie man in den USA italienische Festivals, Kongresse und ähnliches abhält, auf denen man die italienische Sprache und die italienische Kultur genußvoll darbietet. Warum soll man als nationale Minderheit dieses Recht nicht haben? Es geht nur um kulturelle Rechte, um nichts sonst. Mit den Griechen und den Iren in den USA ist es genauso. Da gibt es keine Probleme, nicht, so lange man es auf das Kulturelle begrenzt.
J-ME, FS: Viele haben diesen Satz jedoch als Forderung nach territorialer Integrität verstanden. Aber das ist vielleicht eine Fehlinterpretation?
MM: Aber entschieden! Nein, Teil eines Ganzen, nur kulturell, nichts anderes, keine politische Integrität. Integriert zu sein bedeutet doch, Teil von etwas Größerem zu sein, hier aber nicht im politischen oder territorialen Sinn.
J-ME, FS: In der allgemeinen englischen politologischen Terminologie kann der Begriff “integrity” – und dieses Wort wird auch in der englischen Version der Akademie verwendet – auf territoriale Integrität verweisen.
MM: Das ist aber eine Fehlinterpretation, wenn wir vom Memorandum sprechen. Die Ungarn in der Vojvodina haben doch auch das Recht, sich als Ungarn zu äußern, und, politisch gesehen, nicht als Serben. Dennoch sind sie Bürger Serbiens, die sich gegenüber Serbien loyal zu verhalten haben.
J-ME, FS: Dann haben also diejenigen, die es anders interpretiert haben, das Memorandum mißverstanden? Sie beziehen sich ausschließlich darauf, daß die Serben in der Krajina und die Serben in Bosnien das Recht haben, kollektiv ihre serbische Identität auszudrücken?
MM: Ja, absolut richtig. Die Amerikaner akzeptieren keine kollektiven Rechte – wir tun das, weil wir das kollektive, kulturelle Recht besitzen, Teil von dem zu sein, wo wir her kommen. Leider haben die Krajina-Serben das nicht akzeptiert, sie wollten auch die politische Autonomie. Unter Tito gab es einen besonderen linguistischen Mechanismus, den man benutzte, um keine kulturellen Rechte anerkennen zu müssen. Man unterschied zwischen “narodni” (das entspricht in etwa der Nation) und “narodnosti” (was etwa Minderheit bedeutet). Die Narodnosti, z.B. die Italiener und Ungarn, in Jugoslawien, besaßen alle Rechte. Narodni hingegen waren die “konstitutiven Nationen”, die Serben oder Kroaten beispielsweise. Die hatten keine Rechte, wenn sie nicht in ihrer eigenen Republik lebten. Und es galt als Nationalismus, wenn z.B. ein Serbe in der Krajina einen Vortrag hielt. Heute wirkt das mit Sicherheit nicht ernst, aber so war es damals.
Vasilije Kristic: Ein spirituelles Verständnis des Serbentums
Wir müssen an diesem schönen Spätsommervormittag darauf verzichten, die gemeinsame Textanalyse mit dem Philosophen Mihajlo Markovic in seiner Villa fortzusetzen. Offenbar hat er sich an einer Auslegung der prekärsten Stelle des Memorandums festgebissen, und es mag der Bewertung der LeserInnen überlassen bleiben, ob man hier von einer getreuen Wiedergabe des ursprünglichen Sinns dieses Textes sprechen kann, oder von einer historischen Revision der Auslegung im Lichte jenes Chaos, das die nationalistische Revolution mit der Implementierung der nationalistischen Forderungen des Memorandums ankündigte.
An der Gartentür verabschieden wir uns vom Philosophen, und als wir dort in der Sonne stehen, wimmelt es im Garten von Katzen. Ein eigentümlicher Gedanke mag einem bei diesem Zusammentreffen kommen: Dieser fast rührende alte Mann am Abend seines Lebens, die Katzen, die Villa im Vorort und das entsetzliche Wissen um diesen berauschenden Gedanken, an dessen Hervorbringung er beteiligt war. Von wo kennt man dieses Bild? Céline in seinem Haus in Meudon, nachdem man ihn wegen seines Antisemitismus in der Zeit der nationalsozialistischen Besatzung verurteilt hatte. Dieser französische Schriftsteller leiert bis zuletzt eine geniale und sterile Mischung aus menschlicher Erkenntnis und simpler Wiederholung seiner großen Werke herunter. Diese Assoziation stimmt auf die eine oder andere Weise nachdenklich. Wir müssen uns selbst fragen, warum wir an diesem sonnenhellen Vormittag und mit diesem herrlichen Ausblick auf den Fluß hier sind. Um in nekrophiler Absicht einen Menschen aufzusuchen und ihn dazu zu bringen, in einem zweistündigen Gespräch sein Leben, gekrönt von einem unbegreiflichen, verführerischen Verbrechen, als eine große spekulative Verirrung aufzulösen? Wäre dem so, so wäre es keine Tapferkeit, für die man sich ehren lassen möchte.
Rasch verlassen wir Mihajlo Markovic und eilen zur Hauptstraße des Vororts, wo wir ein Taxi anhalten. Nach zweijährigem Warten werden wir an diesem seltsamen Tag von zwei Hauptverfassern des Memorandums empfangen. Nach dem Philosophen Markovic nun vom Historiker Vasilije Krestic. Die nächste Audienz, die der Fortsetzung der Textanalyse dienen soll, ist für zehn Minuten später in der Serbischen Akademie der Künste und Wissenschaften angesetzt.
Auch mit Vasilije Krestic war die Kontaktaufnahme nicht leicht gewesen. In unserer öffentlichen Auseinandersetzung mit dem (dänischen) Slawisten Per Jacobsen, der das Memorandum der Akademie verteidigte, hat Jacobsen gefragt, warum wir nicht einfach Vasilije Krestic aufsuchen und uns von ihm erklären lassen, was er eigentlich meinte? Dies ist Zeichen eines einfältigen Verständnisses von Texten und ihrer Wirkungsgeschichte. Wenn das Memorandum national und international als stark nationalistischer Text rezipiert wurde, dann ist diese Wirkung ein historisches Faktum, ganz unabhängig davon, welche Meinung die Verfasser selbst auszudrücken meinten. Selbstverständlich kann man nicht ausschließen, daß sie sich mißverstanden fühlten. Ebensowenig kann man ein Interesse daran ausschließen, den Text – im Lichte der tatsächlich von ihm bewirkten Resultate – auf eine andere Weise als die ursprünglich intendierte interpretieren zu wollen. In jedem Fall aber ist es interessant, mit Krestic zu sprechen, von dem, ebenfalls nach Olivera Milosavljevics Thesen, die nationalistischsten Passagen des Textes stammen und der heute einem spirituellen Verständnis des Serbentums huldigt, das zurückgeht auf die orthodoxen Bischöfe Justin Popovic (1894-1979) und Nikolaj Velimirovic (1881-1956). Krestic ist auch eine der führenden Persönlichkeiten des “Vereins zum Schutz der Gerechtigkeit gegenüber dem Haager Gerichtshof”, der sich an einer legalistischen Argumentation gegen den Gerichtshof versucht: der UN-Sicherheitsrat sei ein exekutives, kein legislatives Organ und er sei ohne Beschluß der UN-Generalversammlung zur Einsetzung von Gerichtshöfen nicht befugt. In jüngerer Vergangenheit war Krestic an der Beeinflussung der öffentlichen Meinung in nationalistischer Richtung beteiligt, als er 1986 einen Artikel über den Völkermord an den Serben in Kroatien während des Zweiten Weltkrieges veröffentlichte (DragonicSoso 2002, S.112).
Hier präsentierte er nicht den Ustascha-Staat als den Verantwortlichen, sondern verwies auf tiefere Ursachen in Kroatien, die bis in das 15. und 16. Jahrhundert zurückgehen, und machte geltend, die Völkermord-Idee habe es in der kroatischen Gesellschaft schon früh gegeben – ein Gesichtspunkt, den er später, 1998, in seinem Text “Through Genocide to a Greater Croatia” vertiefte.
Krestic empfängt uns in seinem großen Arbeitszimmer in der Serbischen Akademie der Künste und Wissenschaften. Er trägt das Jackett wie einen Umhang um die Schultern. Wir nennen unser Anliegen und bitten ihn, uns zunächst mit seinen aktuellen Forschungsarbeiten vertraut zu machen.
Vasilije Krestic: Ich habe viele Bücher über Serbien und Kroatien geschrieben, z.B. “Why Genocide” auf Englisch. Ganze zwei Bücher über die serbisch-kroatischen Beziehungen in Jugoslawien, über Serben und Kroaten in Politik, Kultur und Literatur. Zusammen mit Kosta Mihajlovic bereite ich eine neue Ausgabe meines Buches über das Memorandum vor.
Jens-Martin Eriksen, Frederik Stjernfelt: Sehen Sie den bosnischen Krieg als Resultat eines Spannungsfeldes zwischen Kroaten und Serben?
VK: Die Antwort finden Sie in meinem neuen Buch, das sich mit den historischen und staatsrechtlichen Hintergründen des Krieges aus kroatischer Sicht beschäftigt. Der Konflikt geht zurück auf die Auseinandersetzung von Ungarn mit seinen Minderheiten, hierunter auch Kroaten. Ungarn wollte schon in illyrischer Zeit alle seine Einwohner zu Ungarn machen, und diese Politik haben die Kroaten übernommen. Die Kroaten forderten, alle Einwohner Kroatiens sollten Kroaten sein, ganz unabhängig davon, welcher Ethnie sie angehörten ob sie serbisch, jüdisch oder deutsch waren. Aber die Serben in Kroatien wollten keine Kroaten sein, während die Kroaten die Serben als orthodoxe Kroaten bezeichnen wollten. Diese Ideologie hat ihre Wurzeln im feudalen System und seiner Vorstellung, alle Bewohner eines Gebiets sollten der Religion des Fürsten folgen, nach dem Prinzip cuius regio, eius religio. Alle Kroaten sollten katholische Kroaten sein, und diese Ideologie brachte große Probleme mit sich. Im Briefwechsel Bischof Josip Strossmayers mit Kardinal Vincent Vanutelli in den 80er Jahren des neunzehnten Jahrhunderts erkennt man, daß Strossmayer ein großkroatischer Nationalist war. Mit Hilfe Wiens und des Papstes sollten Bosnien und die Herzegowina kroatisch werden. Ich habe ein Buch über Strossmayer geschrieben. Alle kroatischen politischen Parteien – auch in unserer Zeit – gründen auf einer solchen Politik, und das ist die Grundlage all dessen, was sich 1991 im Krieg zwischen Serbien und Kroatien abgespielt hat. Kroatien hatte seit 1102 keinen eigenen Staat und wollte ihn nun gründen. Die Kroaten unternahmen alles, was in ihren Möglichkeiten stand, um sich einen unabhängigen Staat zu verschaffen. Sie wollten nicht mit Serben zusammenleben.
J-ME, FS: Wo sollte die Grenze dieses Groß-Kroatiens verlaufen? An den Flüssen Drina, Bosna, Una?
VK: Wir hatten hier in der Akademie gerade ein Symposium über die großserbische Idee. Dort hat sich herausgestellt, daß die Idee von einem Groß-Kroatien recht alt ist. Das Gebiet sollte Slawonien, ganz Bosnien und die Herzegowina umfassen, Montenegro wurde als Rot-Kroatien verstanden – und auch Sandzak! Diese Gebiete wurden vom Politiker Eugen Kvaternik über Strossmayer bis zu Franjo Tudjman gefordert. Das beste Kroatien war das unabhängige Kroatien unter der Ustascha, meinen noch immer viele Menschen in Kroatien. Sie wollen jedoch ein noch größeres Territorium. Über ein Groß-Serbien findet man jedoch nur selten etwas. Kvaternik spricht von einem riesigen Gebiet als kroatisches Gebiet: “Von den Alpen bis Prolektion in Albanien. Wir Kroaten kennen unsere Fahnen!”. Natürlich konnte das explodieren. Seit dem 16. Jahrhundert hat man an einem Groß-Kroatien gearbeitet!
J-ME, FS: Was war die Rolle der Muslime?
VK: Ein Teil von ihnen sollte als Kroaten in Kroatien bleiben. Ante Starcevic [einer der Väter des kroatischen Nationalismus] bezeichnete sie als “Blüte Kroatiens”. Ein größerer Teil sollte jedoch serbisch werden. Und viele Muslime haben als Serben geschrieben, z.B. Mesa Selimovic und Osman Karabegovic. Viele Muslime haben sich in den Volkszählungen der 1960er Jahre als Serben bezeichnet. Tito und Edvard Kardelj entdeckten das, darum erfanden sie eine völlig neue, muslimische Nationalität. Selimovic hat über dieses Problem bereits geschrieben. Er wußte, daß sein Vater und sein Großvater Serben waren und nur zum Islam konvertiert sind.
J-ME, FS: Lassen Sie uns einige aktuelle Aspekte der Konflikte in den 1990er Jahren beleuchten. Was meinen Sie als Historiker zu der Frage, warum die serbische Armee bei der “Operation Sturm” der Kroaten gegen die Krajina nicht eingegriffen, sondern sich passiv verhalten hat?
VK: Das war unter Milosevic. Darüber kann ich nichts sagen. 1991 bin ich zwei Monate lang als Experte in Paris und in Den Haag gewesen, zusammen mit Milan Babic und anderen aus den serbischen Gebieten in der Krajina. Diese Delegation erhielt von den internationalen Botschaftern sehr großzügige Angebote in Bezug auf die Wirtschaft, ein umfassendes Schulsystem, das Rechtswesen und die Polizei. Babic aber bestand auf einem unabhängigen Kraijina-serbischen Staat. Eine sehr schlechte Idee. Er wusste nicht sehr viel über die Probleme. Zu diesem Zeitpunkt aber wollte Milosevic Europa in allem entgegenkommen. Ich begreife nicht, was Milosevic damals wollte. Es hat viel Korruption gegeben. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube die Krajina-Serben wurden bei ihm zu Opfern. Warum weiß ich nicht. Die wirtschaftliche Situation war sehr schlecht, die Verzweiflung war groß, man hatte Angst vor einem neuen Ustascha-Angriff auf Serbien. Als Kroatien seine neue Flagge erhielt, löste das in Serbien große Angst aus, und als im Dezember 1990 Kroatien eine neue Verfassung bekam, war klar, daß die Serben in Kroatien keine konstitutive Nation, sondern nur eine Minderheit waren, und der Krieg begann. Daran erinnere ich mich. Die Serben in Kroatien wollten keine Minorität sein, sie hatten immer für ihre Anerkennung als unabhängige Bevölkerungsgruppe in Kroatien gekämpft. Tudjman aber wollte Krieg. In Berlin sagte er: Wenn ich in Kroatien Präsident werde, dann färbt sich die Krajina rot mit serbischem Blut.
J-ME, FS: Warum ist es den moderaten Muslimen Filipovic und Zulfikarpasic nicht gelungen, mit den Serben ein Abkommen über ein Bosnien innerhalb Jugoslawiens zu schließen?
VK: Das war ein hübscher Versuch, dieses Abkommen, aber ich kenne keine Quellen zu den tatsächlichen Umständen. Wissen Sie nicht, daß unsere jugoslawischen Probleme alle solche Ursachen haben? Es gibt sehr wichtige internationale Faktoren auf den verschiedenen Seiten – in Deutschland, in den USA. Das kommt von oben. Unsere Leute in Belgrad, Zagreb und Sarajevo wußten damals nicht genau, was sie wollten. Die Kroaten wollten ein Kroatien ohne Serben. Heute Morgen sagte ein Mann von Helsinki Watch, daß jetzt nur noch 4 % Serben dort leben (gegenüber 30 % vor dem ersten Weltkrieg). Wie lautet die Schlußfolgerung? Keine Serben in Kroatien. Die kroatischen Serben stehen unter großem Druck, entweder ihre Religion zu ändern oder auszuwandern – das alte Ziel. Alles über dieses Problem finden Sie in meinem Buch.
J-ME, FS: War die serbisch-kroatische Spannung der Auslöser des Krieges in Bosnien?
VK: Die hat eine große Rolle gespielt. Das ist nichts Neues. Die Wurzeln reichen zurück in den 2. Weltkrieg, zum Ustascha-Staat. Im Zweiten Weltkrieg hat es umfangreiche Zerstörungen und zahlreiche Opfer gegeben, zum Beispiel in Bihac, in Srebrenica, in Rogotica und in Slawonien. Und man muß damit rechnen, daß viele Ustascha-Leute auch Muslime waren – das war eine “ragia division”, eine Teufelsdivision.
J-ME, FS: Aber dann war es doch fünfzig Jahre lang relativ friedlich.
VK: Ja, relativ. Tito wollte von den serbischen Opfern im Zweiten Weltkrieg nichts wissen – und das war nun mal die Mehrheit der Opfer. Tito gestattete nicht, daß über den Tod dieser vielen Menschen geschrieben wurde. Vergeßt alles, sagte er. Das war unmöglich. Viele Gräber und Lager – zum Beispiel das Konzentrationslager Jasenovac – wurden mit Beton versiegelt. Denken Sie an meinen Kollegen Milorad Ekmecic: In seiner Familie gab es vierzig Opfer. Das vergißt man nicht so leicht. Tito hatte Jugoslawien unter dem Motto “Brüderlichkeit und Einheit” gegründet. Später hieß es nur noch “Koexistenz”. Ich habe einmal einen Text in der Zeitschrift Knjizevine Novine unter dem Titel “Über den Ursprung des Völkermordes in Kroatien” veröffentlicht und bekam große Probleme dadurch. Warum hat es so viele Opfer gegeben, wer war für diesen Haß verantwortlich? Ich wollte das untersuchen. Aber alle Zeitungen, das Radio und das Fernsehen griffen mich an, noch im September 1986!
J-ME, FS: Welche Rolle spielt das Memorandum bei diesem neuen Nationalismus?
VK: Lesen Sie den Text.
J-ME, FS: Das haben wir.
VK: Die Situation war sehr schwierig, wirtschaftlich, national und kulturell. Es gab Morde an Serben in Kosovo und Metohija, und die serbische Regierung unternahm nichts. Dann kämpften wir gegen die Kommunistische Partei. Wir wollten ihr System loswerden und wir wollten die autonomen Regionen abschaffen. Immerhin hatten wir drei Staaten in einem Staat. Wir wollten ein föderatives Jugoslawien mit allen sechs Republiken. Das ist kein Nationalismus. Wenn man so etwas sagt, ist das eine große, falsche Konstruktion. 1986 feierten wir den 100. Geburtstag der Akademie. Alle Leute der westlichen Botschaften kamen und unterstützten uns, weil wir gegen den Kommunismus waren, all die feinen Autos der Botschaften fuhren hier vor. Später aber entschieden sie, das Memorandum habe den Krieg entzündet. Wer aber hat das Memorandum aus der Akademie herausgeschmuggelt? Das Komitee hatte sechzehn Mitglieder, und wir baten verschiedene andere Akademiemitglieder, das Memorandum zu lesen und zu kommentieren, um es zu verbessern. Einer von ihnen war Jovan Djordjevic. Unter Tito und Kardelj war er einer derjenigen gewesen, die hinter der Verfassung standen. Er gab sein Exemplar an den Innenminister Slavko Zecic weiter, der gab es dem kroatischen Minister Ivan Miskovic, der es Stipe Szvar gab, der ein Weißbuch über alle antikommunistischen Dissidenten verfaßte und es an Präsident Ivan Stambolic weiterschickte. Jetzt passen Sie auf! Der gab es seinem Onkel Petar Stambolic und dieser gab grünes Licht für die Kampagne gegen das Memorandum in Serbien. Und darauf folgte die Hauptkampagne gegen das Memorandum in Kroatien. Auch in Serbien wollte man das Dokument nicht verstehen. Es wurde als neues Programm einer neuen Partei missverstanden, als antikommunistisches Programm. Das ist mein Bericht darüber, ein authentischer Bericht. Ich bitte Sie, wenn Sie Wissenschaftler sein wollen, seien Sie objektiv, lesen Sie diesen Text mit Geduld: Enthält er Nationalistisches oder nicht? Wir wollten Jugoslawien zusammenhalten. Slowenien, Kroatien, Kosovo und Metohija wollten es nicht.
J-ME, FS: Hat das Memorandum Milosevic inspiriert?
VK: Nein, er ist nur ein einziges Mal hier in der Akademie gewesen. Er wollte nicht herkommen. Wir haben das Memorandum ganz unabhängig geschrieben. Alle wußten, daß wir einen Text vorbereiteten. Die Regierung jedoch nicht. Draza Markovic hatte übrigens zwei Jahre vorher das Weißbuch “Über den Status Serbiens in Jugoslawien” für die Regierung geschrieben. Als ich als neues Akademiemitglied eine Kommission zur Erforschung der serbischen Geschichte in Jugoslawien einsetzen wollte, hatten alle Akademiemitglieder Bedenken. Darüber dürften nur Kroaten schreiben. Es war keine gute Situation.
J-ME, FS: Was haben Sie mit “Integrität” in jenem berühmten Satz des Memorandums gemeint, in dem vollständige nationale und kulturelle Integrität für die Serben gefordert wird, unabhängig in welcher Republik oder Provinz sie leben?
VK: Den Serben in Kroatien und in Bosnien ging es sehr schlecht. Sie hatten kein eigenes kyrillisches Alphabet, keine eigene Schule, keine eigene Kirche, und vor allem bekamen sie in Kroatien keine Arbeit, insbesondere nicht in intellektuellen Kreisen, und mußten fliehen. Die Serben hatten keine Institutionen, denn die kroatische Regierung hatte sie geschlossen. Zum Beispiel bekamen die Ustascha-Gebiete in Kroatien alles Notwendige, Fabriken und so weiter, aber die serbischen Orte bekamen nichts. Das war Diskriminierung. Dusan Brkic, ein serbischer Politiker, der helfen wollte, durfte nicht sprechen.
J-ME, FS: Es wurde als “territoriale Integrität” verstanden. VK: Da gab es kein Groß-Serbien. Zeigen Sie mir das im Text und ich bezahle Ihnen, was Sie haben wollen!
J-ME, FS: Aber woher kam dann der serbische Nationalismus?
VK: Von der flächendeckenden Unterdrückung serbischer Äußerungen auf allen Gebieten. In vielen Gebieten Serbiens war man von Tito unterdrückt worden. Dann kam Milosevic, und er war eine neue Hoffnung auf Liberalisierung. Alle wollten von Stambolic und seinem Kreis befreit werden. Das ist ein altes Problem aus der Komintern-Zeit. Heute verteidigt der Westen die Vertreibung von Serben in Kosovo und Metohija. Tito wollte schließlich ein großer Präsident einer ganzen Balkan-Föderation sein, darum hatte er den serbischen Flüchtlingen aus dem Kosovo die Rückkehr nicht erlaubt.
Vasilije Krestic wird lauter, als er weiterspricht.
VK: Aber diese äußerst primitiven, stark aggressiven Elemente aus Albanien, die in den Kosovo einwandern konnten ohne die Staatsbürgerschaft zu besitzen – an die kommunistische Universität in Pristina kamen Lehrer verschiedener Koranschulen – wissen Sie, welcher Haß sich dort ausbreitete? Zu Titos Zeit brach ein Professor für Pädiatrie einem serbischen Kind die Beine, damit es nicht Soldat werden konnte!
J-ME, FS: Aber worauf sind die serbischen Massaker in Bosnien zurückzuführen?
VK: Das ist ein altes Problem. Seit dem ersten serbischen Aufstand von 1804 spielten sich alle Kriege zwischen Serben und Muslimen ab. Es waren nicht türkische Soldaten aus Kleinasien, die hier für die Türken kämpften, sondern Muslime aus der Gegend. Der Streit reicht also bis in alte Zeiten zurück. Ich bin mit Milosevic zusammen gewesen, und er hat mir einen Platz in seiner Regierung angeboten. Ich habe “nein danke” gesagt und hinzugefügt: “Sehen Sie, worauf die Entwicklung unserer Gesellschaft hinausläuft? Wenn wir mit Muslimen zusammen sein müssen, werden wir zu großen Feinden. Wir hassen die Muslime aus historischen Gründen. Wir gehen spazieren wie an türkischen Gräbern.” Milosevic meinte: “Sie müssen wissen, daß die Muslime auch Serben sind.” Ich: “Aber sie wollen keine Serben sein.” Das ist historischer Haß. Die muslimische Aggression ist sehr stark und wird finanziell, mit Waffen, wie auch moralisch von Leuten aus islamischen Staaten unterstützt. Die Muslime identifizieren sich mit der Religion, nicht mit der Nation.
J-ME, FS: Aber historischer Haß muß doch nicht ewig anhalten. Zwischen Dänemark und Schweden gab es einen alten, historischen Haß mit Blutbädern, ethnischen Säuberungen und so weiter. Aber heute ist er verschwunden, und man erinnert sich daran wie an etwas Prähistorisches.
VK: Meine Herren, hier wurde der Haß in den letzten 200 Jahren erneuert. Der erste und der zweite serbische Aufstand, der erste und der zweite Balkankrieg, der erste und der zweite Weltkrieg – das schluckt man nicht so leicht! Ich wäre froh, wenn es so wäre, ich komme aus der Vojvodina. Aber es steckt in unseren Volksliedern, sie handeln von diesem Haß. Das vergißt man schwer.
J-ME, FS: Welche politische Orientierung haben Sie? Vermutlich nicht SPS wie einige andere Verfasser des Memorandums?
VK: Ich habe keine politischen Ambitionen. Antonie Isakovic [der Vizepräsident der Akademie] ist der SPS beigetreten, Milosevics Sozialistenpartei, als Partisan. Als Vuk Draskovic mit seinen Tschetniks auftauchte, wollte Isakovic gegen diese neuen Tschetniks kämpfen. Mihajlo Markovic stand immer links. Ich nicht, ich war kein Kommunist, und als Milosevic mich als berühmten Professor für die Politik anheuern wollte, habe ich mich geweigert. Heute wie damals sage ich oft, was ich meine. Zum Beispiel gibt es jetzt eine von Svetozar Miletic angeführte Volksbewegung gegen separatistische Tendenzen in der Vojvodina, die ich unterstütze. Ich kämpfe für die Integrität Serbiens!
J-ME, FS: Wie sehen Sie das Verhältnis Serbiens zu Europa?
VK: Das ist eine sehr schwierige Situation. Mit Milosevic war ich unzufrieden, aber auch mit der neuen Regierung. DOS [Democratic Opposition of Serbia], das sind Leute ohne Wissen, ohne moralische Integrität, ohne Visionen. Sie interessieren sich nur für das, was Europa und vor allem die USA aufregt. Sie haben keine Unabhängigkeit. Europa und Amerika setzen Serbien stark unter Druck, aber sie wenden verschiedene Kriterien für Serbien und für die anderen ex-jugoslawischen Nationen in Den Haag an. Heute Morgen sagte Carla del Ponte, die Beweise reichten für Prozesse gegen die Skipetaren nicht aus [Skipetaren ist das albanische Wort für “Albaner” und wird in Serbien als Schimpfwort benutzt]. Das ist doch unmöglich. Kroatien hat die größten ethnischen Säuberungen vorgenommen und den serbischen Bevölkerungsanteil von 12 % auf 4 % reduziert. Wer ist dafür verantwortlich? Hier in Serbien hat es keine ethnische Säuberung gegeben!
Wir bedanken uns für das Gespräch und packen allmählich die Ausrüstung zusammen. Krestic aber ist jetzt erregt und spricht eindringlich weiter.
VK: Ich bin mir nicht sicher, daß wir eine Zukunft haben. Wir verlieren unsere Unabhängigkeit, unsere Natur und andere Mittel und werden vielleicht eine Kolonie im Verhältnis zu Amerika. Europa hat kein Interesse an uns und ist selbst nur ein Trabant Amerikas. Schon morgen kann Europa in die gleiche Situation kommen, in der wir uns heute befinden! Ich mache mir über die sogenannte Demokratie keine Illusionen. Das ist heute nur ein Instrument für eine ganz neue Form von Besatzung. Was ist denn so wichtig im Kosovo, was ist denn der Grund, daß die USA Soldaten dorthin schicken? Rohstoffe und geostrategische Ziele! Von der heutigen Welt erwarte ich mir nichts. Eine Schande, daß wir keine besseren Politiker an der Spitze haben.
Die jugoslawische Krise als Effekt der internationalen Kräfte?
Sowohl die Unterschiede wie auch die Ähnlichkeiten zwischen Maihajlo Markovic und Vasilije Krestic, den Männern hinter dem schicksalsschwangersten Dokument in der jüngeren europäischen Geschichte, sind erstaunlich. Der eine ist zweifellos ein Nachkomme von 1968, ein Linksmarxist mit dem Ideal einer speziellen “Beteiligungsdemokratie”, nach eigenem Verständnis ein System, das demokratischer ist als die bürgerliche, repräsentative Demokratie. Der andere ein klassischer Nationalist aus dem rechten Lager mit Neigung zu klerikalen Standpunkten und jenseits einer normalen demokratischen Gesinnung. Beide sind Produkte zweier höchst unterschiedlicher Kulturen. Gleichwohl ist das Ergebnis verblüffend ähnlich: Unterstützung der nationalen Souveränität ihres eigenen Volkes, nicht nur im allgemeinen, verfassungsrechtlichen Sinn, sondern als Basis zur Ausübung nationalistischer Forderungen. Die sehr direkte Konsequenz mußten ethnische Säuberungen sein, als Milosevic die Forderungen des Memorandums implementierte und seine Politik mit militärischen Mitteln im wirklichen Leben fortführte – und dies mit Hilfe politischer Parteien in der Krajina und in Bosnien, die in exakt demselben Gebäude gegründet wurden, in dem wir uns gerade mit Krestic unterhalten haben, in der serbischen Akademie. Selbstverständlich äußern die beiden Herren derartige Einstellungen nicht explizit, obwohl Krestic davon nicht weit entfernt war, als er gegen Ende des Interviews die Beherrschung, und möglicherweise auch die Geduld mit uns verlor. Die beiden sind sich verblüffend einig in der Verharmlosung des berühmtesten, meist zitierten Satzes des Memorandums: “The establishment of the Serbian people’s complete national and cultural integrity, regardless of which republic or province they might be living in, is their historical and democratic right.” (“Die Etablierung der vollständigen nationalen und kulturellen Integrität des serbischen Volkes, ungeachtet in welcher Republik oder Provinz es leben mag, ist sein historisches und demokratisches Recht.”) Sie versuchen eine Interpretation dieses Passus als sanfte Forderung nach dem Recht der eigenen Kulturausübung darzustellen. Sie bemänteln, daß unmittelbar vor “kultureller Integrität” “vollständige nationale” steht – was an ganz andere und radikalere Seiten des Begriffes denken läßt. Schlägt man in Webster’s Dictionary nach, stellt man fest, daß Integrität das folgende bedeuten kann:
Integrity (S. 774)
In*teg”ri*ty (?), n. [L. integritas: cf. F. intégrité. See Integer, and cf. Entirety.]
1. The state or quality of being entire or complete; wholeness; entireness; unbroken state; as, the integrity of an empire or territory. Sir T. More.
2. Moral soundness; honesty; freedom from corrupting influence or motive; – used especially with reference to the fulfilment of contracts, the discharge of agencies, trusts, and the like; uprightness; rectitude.
The moral grandeur of independent integrity is the sublimest thing in nature. Buckminster.
Their sober zeal, integrity, and worth. Cowper.
3. Unimpaired, unadulterated, or genuine state; entire correspondence with an original condition; purity.
Language continued long in its purity and integrity. Sir M. Hale
Syn. – Honesty; uprightness; rectitude. See Probity.
Die erste zitierte Bedeutung von Integrität ist Ganzheit, Ungeteiltheit, und das angeführte Beispiel bezieht sich gerade auf territoriale Integrität: die Integrität eines Imperiums oder eines Territoriums. Zumindest kann man konstatieren, daß sich die Akademie in der englischen Version ihres Textes für einen Terminus mit offensichtlich territorialen Konnotationen entschieden hat, sich gleichzeitig aber so ausdrückt, daß man bei Bedarf die offensichtlichste Bedeutung mit Spitzfindigkeiten leugnen kann. Man muß dazu konstatieren, daß ja sonst auch nicht gegen großserbische Pläne argumentiert wird, ja eher direkt dafür, wie es etwa Mihajlo Markovic tat, der noch im September 1995 feststellte: “Die Grenzen Serbiens werden niemals die Grenzen der Krajina sein, wie man zwischen 1991 und 1995 hätte erwarten können. Im Verlauf weniger Jahre könnten sie aber die Grenzen der Republika Srpska werden, wenn der in Gang befindliche Friedensprozeß und die Teilung Bosniens, die er in Aussicht stellt, zu einem Ende gebracht wird. Mit der Zeit wird die Konföderation der Serben und der Republika Srpska in einen Bundesstaat umgewandelt werden.” (Magas and Zanic 231). Hier geht es Markovic nur um den bedauerlichen Rückzug von einem großen Großserbien auf ein kleineres Großserbien. Der ursprüngliche großserbische Plan mit den Grenzen der Krajina integriert zumindest auch ganz Bosnien in den großserbischen Staat, wenn nicht mehr, da die Grenzen der Krajina auch den größten Teil Slawoniens und die Adriaküste nahezu einschließen – so wie der Traum von einer serbischen Grenze entlang der Linie Virovitica – Karlovac – Karlobag – den Kroaten nur 1/3 Kroatiens läßt.
Markovic und Krestic sind sich auch verblüffend einig in der Bemäntelung der gesamten jugoslawischen Krise als Effekt mächtiger internationaler Kräfte mit starkem Interesse an den Rohstoffen und an geopolitischen Zielen in Serbien. Auch wenn keiner von ihnen genauer angeben kann, um welche Ziele es sich dabei handelt und vor allem, warum die internationale Gesellschaft, gesetzt den Fall, solche starken Interessen existierten tatsächlich, so unfaßbar lange gezögert hat, einzugreifen und sich diese Schätze zu sichern. Von außen gesehen wirkt der Westbalkan ganz im Gegenteil wie ein uninteressantes Randgebiet, das den größten Teil seiner geostrategischen Bedeutung mit dem Fall der Mauer verlor und deshalb ungehindert in einen nationalistischen Wahnsinn hineingeraten konnte, während die Großmächte gleichgültig oder zögernd zusahen.
Die Wege, auf denen beide zur gleichen Schlußfolgerung kommen, sind jedoch unterschiedlich. Für Markovic bedroht die Globalisierung den demokratischen Sozialismus mit Hilfe geheimnisvoller Verschwörungen wie der Bilderberggruppe oder der Trilateralen Kommission, die sogar das Ziel hat, die europäischen Sozialdemokraten zu korrumpieren. Darum muß zum Nationalismus als real existierender politischer Leidenschaft gegriffen werden, welcher ein Bollwerk gegen die Herrscherideologie der Globalisierung zu sein vermag. Ohne zu erwähnen, daß die serbischen Übergriffe während der Kriege besonders zahlreich waren, werden sie legitimiert, indem der gesamte Ablauf der Ereignisse nur als ein Detail in einem weit größeren, weltumspannenden Kampf geschildert wird – ein klassischer Kunstgriff in der kommunistischen Version des Sozialismus.
Für Krestic ist der Westbalkan durchdrungen von uraltem Haß. Großkroatische Pläne aus der Vergangenheit stehen neben Ausfällen gegen die bosnischen Muslime als Erben der türkischen Unterdrücker Serbiens, und begleitet wird dies von kräftigen Angriffen auf die “Skipetaren”, ein Schimpfwort für jene “äußerst primitiven, stark aggressiven Elemente”, die Albaner. Den Anschlägen von Seiten der anderen Bevölkerungsgruppen wird die Schuld zugewiesen am großserbischen Nationalismus, und das deutliche Übergewicht der serbischen Übergriffe in den Kriegen der 1990er Jahre nach Dauer und nach Anzahl wird mit dem Hinweis auf das Alter der Traditionen der anderen Aggressiven beschönigt. Fünfzig relativ friedliche Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg zählen in dieser umfassenden Zeitperspektive nicht, und obwohl der größte Teil der ehemaligen Ustascha-Leute schon lange tot ist oder im Altersheim lebt, sind und bleiben die Kroaten unverbesserliche Ustaschas.
Auch wenn die Weltanschauungen dieser beiden Verfasser des Memorandums höchst unterschiedlich sind, können sie zum gleichen Ergebnis führen, da sie die Vorstellung gemein haben, daß die lokalen Ereignisse zu Beginn der 1990er Jahre nicht mit dem Naheliegendsten erklärt werden können – mit lokalen und aktuellen Ursachen und Interessen – sondern mit fernen Gründen in Raum (Markovic) und Zeit (Krestic).
Betrachten wir diese spektakuläre Verbindung zwischen der äußersten Linken und der äußersten Rechten durch ein Mikroskop – was vollzieht sich gerade in der politischen Kultur des gesamten Westens? Liegt hier eine Biopsie vor, ein Beispiel für die neue Verbindung zwischen der äußersten Linken und der äußersten Rechten nach dem Fall der Mauer? Als die Sowjetunion auf der einen und die USA auf der anderen die Pole der Welt darstellten, lagen Lichtjahre zwischen der äußersten Linken und der äußersten Rechten. Heute begegnen sich eine lange Reihe von Themen: Antiglobalismus, Regionalismus, Antiamerikanismus, Antikapitalismus, Antiliberalismus, antieuropäische Haltungen, die Skepsis gegenüber normaler, repräsentativer Demokratie, und in diesem besonderen Fall radikaler Nationalismus, der in seiner Konsequenz ethnische Säuberungen als legitimes politisches Mittel einschließt.
Published 8 July 2005
Original in Danish
Translated by
Jörg Scherzer
First published by Eurozine
© Jens-Martin Eriksen / Frederik Stjernfelt / Eurozine
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