Israels säkularer Mythos

Über den Holocaust nach seiner Universalisierung

Lukasz Galecki: Der Krieg gegen den Westen wurde im Namen der russischen Seele geführt, im Namen der germanischen Rasse, des Kommunismus, des Islam… Wie kommt es, daß auch der Holocaust beziehungsweise seine Leugnung für diesen Kampf instrumentalisiert wurde? Muß man die jüngsten Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad tatsächlich als eine neue Argumentation im Kampf gegen die westliche Welt verstehen?

Tom Segev: Der Holocaust hat wesentlich zur Formierung der historischen Identität westlicher Zivilisation beigetragen. Von daher war eigentlich zu erwarten, daß sich diejenigen, die gegen die Zivilisation der westlichen Welt antreten, früher oder später auch zum Thema Holocaust äußern; im übrigen um so mehr, als der Holocaust für das Verständnis einiger fanatischer Islamisten ja gleichbedeutend mit Israel ist. Sie vertreten bekanntlich die Meinung, daß eine “jüdische Verschwörung” der Welt den Holocaust aufoktroyiert habe. Gleichzeitig gewinnt der Holocaust schon seit längerem eine neue Bedeutungsdimension jenseits der Tragödie der europäischen Juden. Er fungiert als universaler Mythos des Untergangs, als Sinnbild der Emanation des Radikalbösen, das sich in der Geschichte offenbart. In dieser Bedeutung hat der Holocaust allerdings so gut wie nichts mehr mit Israel zu tun.

LG: Ist diese Umdeutung denn für die Israelis akzeptabel?

TS: Tatsächlich ist die Universalisierung des Holocaust weit vorangeschritten. Das können nicht alle meiner Mitbürger akzeptieren. In Israel wird zunehmend Kritik laut, man habe uns die Shoa unrechtmäßig entwendet. Die Israelis reagieren häufig sehr beunruhigt, sobald von anderen, ebenfalls durch die Nazis verfolgten Gruppen die Rede ist. Als hätten die Israelis ein erbliches Monopol auf die mit diesem Ereignis verbundenen, moralischen Ansprüche. Natürlich werfen sie ihren Gegnern nicht direkt vor, sie leugneten das Ereignis als solches. Allerdings kommt die Überzeugung zum Ausdruck, daß die Auslöschung der Juden mit der Universalisierung ihren Ausnahmecharakter einbüßt. So wird der Holocaust zu einem Massenmord unter den vielen anderen, mit denen wir in der Geschichte nur allzuoft konfrontiert werden.

LG: Möglicherweise ist der Holocaust in der heutigen Welt ein universales Symbol des Untergangs auch für diejenigen, die sich nie für die Juden oder für jüdische Geschichte interessiert haben?

TS: So verhält es sich sicherlich schon seit langem. Wie anders ließe sich der große Erfolg von Steven Spielbergs Film “Schindlers Liste” erklären? Warum sollte man nicht fragen dürfen, aus welchem Grund sich beispielsweise die Peruaner für den Untergang der europäischen Juden interessieren. Das ist doch nur möglich, wenn die Shoa zunächst verinnerlicht und schließlich zu einem Element ihres eigenen Geschichtsverständnisses wird. Es ist tatsächlich eben nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die erklärten Feinde des Westens den Holocaust als rhetorisches Instrument in ihrem Kampf gegen diese Zivilisation einsetzen würden.

LG: In welchen Kontext gehören die Äußerungen Ahmadinedschads? Haben sich seine Ansichten in jüngster Zeit radikalisiert?

TS: Als wir seine Haßtiraden gegen Israel zum ersten Mal gehört haben, blieben die Europäer zunächst gelassen. Sie gingen wohl davon aus, der iranische Präsident sei ein Ignorant. Am Ende werde ihm schon jemand beibringen, wie die Welt wirklich aussehe und welchen politischen Preis er für derart extravagante Überzeugungen bezahlen müsse. Doch wiederholt er seine Behauptungen ja unaufhörlich. Folglich muß man unterstellen, daß dieser Politiker fest in der Tradition einer Leugnung des Holocaust verwurzelt ist. Zur Zeit dominiert sie in der arabischen Welt. Nach dieser Doktrin, die bereits häufig in den Rang einer offiziellen Staatsräson erhoben wurde, ist der Untergang der Juden lediglich Teil der zionistischen Propaganda. Solche Ansichten sind insofern beunruhigend, als daß das Wesen des jüdischen Staates ohne den Holocaust nicht vorstellbar ist. Auch lassen sich fundamentale Entscheidungen der israelischen Politik ohne ihn nicht nachvollziehen. Wenn sich die Araber weigern, die grundlegende Bedeutung des Holocaust für Israel zu akzeptieren, begeben sie sich aller Chancen, ihren größten Feind zu verstehen. Kann man seinen Feind aber nicht begreifen, dann wird man sich auch nicht vorstellen können, mit ihm Frieden zu schließen. Im übrigen beginnen sich inzwischen auch die israelischen Araber mit dem Holocaust zu beschäftigen. Ich selbst habe vor kurzem an einem Gespräch zum Thema Holocaust mit einer solchen Gruppe teilgenommen. Bei derlei Begegnungen stößt man auf zwei Probleme. Das erste resultiert aus dem verbreiteten Gefühl, die israelischen Araber hätten in gewissem Sinne den Preis für den Holocaust zu bezahlen; schließlich entstand der jüdische Staat, ihr natürlicher Feind, in direkter Folge dieses Ereignisses. Das zweite Problem ist noch weitaus stärker emotional besetzt. Da die Araber Opfer sind und Leid erfahren durch eine Gruppe, die ihrerseits diesen Opferstatus hat, wird ihr eigener Opferstatus abgewertet. Opfer eines Opfers zu sein – das ist eine sehr unbequeme Situation.

LG: Aber diese Gruppen sind doch immer noch eher klein, Außenseiter innerhalb ihrer eigenen Gesellschaft?

TS: In der arabischen Welt gilt der Holocaust, wie gesagt, hauptsächlich immer noch als Bestandteil der zionistischen Propaganda. Dieses Verständnis gipfelt häufig darin, daß die Realität der Shoa völlig geleugnet wird. Merkwürdigerweise berufen sich die Anhänger dieser Lehre auf ähnliche Prämissen wie wir Israelis. Für uns ist der Holocaust schließlich einer der wichtigsten Anlässe zur Gründung des Staates Israel, eine Geschichtsdeutung, die überall in den hiesigen Schulen vermittelt wird. Auf diese These stützt sich Israel auch in seinen außenpolitischen Beziehungen zu anderen Staaten, sie ist ein selbstverständliches Element unserer Staatsräson. Ihr begegnete Johannes Paul II. während seines ersten und letzten Besuchs des jüdischen Staates, als er Yad Vashem aufgesucht hat. Auch die schärfsten Kritiker des Zionismus in der arabischen Welt bedienen sich des Arguments, wonach der Holocaust zu brandmarken sei, weil er zur Verwirklichung des größten zionistischen Traums geführt habe, nämlich zur Entstehung des jüdischen Staates. Nach meiner Ansicht ist das eine völlig falsche Interpretation, denn man kann sich kaum einen massiveren Angriff auf die Idee der Emanzipation des Judentums vorstellen. Und diese ist schließlich eine Grundidee der zionistischen Ideologie.

LG: Was hat sich nach dem Holocaust im Zionismus geändert?

TS: Die Existenz der jüdischen Bevölkerung Europas, die das Gebiet des historischen Israel doch hätte bevölkern sollen, war nach dem Holocaust so gut wie vernichtet. Die ermordeten Juden sind jedoch nicht nur die ersten, sondern eigentlich auch die einzigen Adressaten des zionistischen Emanzipationsplanes gewesen. Zudem ist der Holocaust auch aus ideologischer Sicht eine ungeheure Niederlage gewesen, konnte der Zionismus doch kaum etwas gegen die Shoa ausrichten. Andererseits sollte man nicht vergessen, daß die gesamte institutionelle Infrastruktur des jüdischen Staates schon 30 Jahre vorher unter der britischen Mandatsregierung aufgebaut wurde. Deshalb glaube ich, daß Israel selbst dann entstanden wäre, wenn es den Holocaust nicht gegeben hätte.

LG: Wie wird der Holocaust in öffentlichen Debatten instrumentalisiert, in einer so tief gespaltenen Gesellschaft wie der israelischen? Auf welche Weise machen sich ihn die Verfechter der Orthodoxie zunutze und welche Rolle spielt er für die säkularen Juden, die ja die Mehrheit im Lande ausmachen? TS:Unmittelbar nach der Proklamation des jüdischen Staates gab es kaum Raum für eine öffentliche Auseinandersetzung zum Thema Holocaust. Ein Mantel des Schweigens lag über dem Ereignis, nicht zuletzt wegen des Schocks, den es ausgelöst hatte. Außerdem hätte eine Debatte über die Shoa verlangt, sich die eigene Schwäche einzugestehen. Hinzu kam das Schuldgefühl der Überlebenden. Die bloße Tatsache, überlebt zu haben, war für sie ein Stigma. Gegen ihre Verfolger nicht aufbegehrt zu haben, stand als Vorwurf im Raum. Viele der Überlebenden, die nach Israel kamen, stießen auf völliges Unverständnis für ihre Situation. Allgemein herrschte die Überzeugung vor, sie hätten auf Kosten der anderen überlebt, als sei es unter den damaligen Umständen ihre Pflicht und Schuldigkeit gewesen, sich töten zu lassen.

In den Augen der Zionisten verkörperten die nach Israel eingewanderten Ankömmlinge aus Europa all jene Schwächen der Diaspora, die von den Einwohnern dieses Landes überwunden werden sollten. Der neu entstandene Staat sollte dazu beitragen, diejenigen Demütigungen auszumerzen, denen die Menschen in 2000 Jahren Untertanen-Dasein ausgesetzt waren. Der Holocaust konterkarierte diesen Mythos, verwies er doch auf die Schwäche der Juden.

LG: Haben die Überlebenden der Shoa den Repräsentanten der jüdischen Gesellschaft in Palästina nicht vorgeworfen, daß sie nichts getan hätten, um ihre bedrohten Brüder und Schwestern zu retten?

TS: Man hat ihnen nicht nur Untätigkeit vorgeworfen, sondern auch zum Vorwurf gemacht, daß das Leben in Palästina so weitergegangen sei, als ob in Europa nichts Besonderes geschehen würde. Es gibt zahlreiche Berichte, in denen Tel Aviv oder Haifa zur Zeit der “Endlösung” wie Kurorte wirken, wo sich das Leben in der ganzen Sorglosigkeit von Kaffeehausdiskussionen abspielt. Darin liegt bestimmt ein Körnchen Wahrheit. Allerdings sollte man bedenken, daß es schwierig ist, mit Menschen zusammenzuleben, die auf ihrem Unterarm eine blau eintätowierte Nummer tragen, mit ihnen in der Schlange an der Bushaltestelle zu stehen, mit ihnen zum Strand zu gehen oder ihnen am Arbeitsplatz zu begegnen. Man wußte nicht, wie man sich ihnen gegenüber verhalten sollte. Zu schweigen war das Einfachste.

LG: Wann brach diese Mauer des Schweigens?

TS: Ein entscheidender Moment des Umbruchs war selbstverständlich der Eichmann-Prozeß in Jerusalem. Jetzt ließ sich der Holocaust nicht mehr ignorieren. Er wurde mehr und mehr zu einem ungeheuer bedeutsamen Bestandteil der israelischen Identität, die – wohlgemerkt – nicht mit der jüdischen Identität zu verwechseln ist, wie sie von den Menschen in der Diaspora gepflegt wurde. Heute, nach mehreren Jahrzehnten, bejahen acht von zehn Gymnasiasten die Frage, ob sie Überlebende der Shoa sind. In der Mehrheit der Fälle geht es ihnen darum, eine über die Religion hinausgehende Bindung an die jüdische Tradition zu finden. Insofern erfüllt der Holocaust die wichtige Funktion eines weltlichen Mythos.

LG: Was bedeutet der Holocaust für die religiöse Orthodoxie?

TS: Es scheint, daß die orthodoxen Juden mit dem Holocaust noch größere Probleme haben. Vielleicht äußern sie sich deshalb nie öffentlich zu diesem Thema. Ihre grundsätzliche Frage lautet: Wo war Gott, als die Juden starben? Während die Überlebenden der Shoa vor allem danach fragten, wo damals die zionistische Bewegung war, fragen die Orthodoxen immer zuerst nach Gott. Das ist eine wesentlich kompliziertere Frage, auf die wohl niemand befriedigend zu antworten weiß. So hüllen sich die Orthodoxen beim Thema Holocaust in Schweigen. Auch brauchen sie keinen Ersatz für die jüdische Tradition, wie ihn der Holocaust für die weltlichen Israelis anbietet. 50 Jahre nach der Gründung des Staates Israel scheint es selbstverständlich zu sein, daß sich 2000 Jahre jüdischer Geschichte nicht einfach auslöschen lassen, also auch nicht die Zeit, während derer die Juden keinen eigenen Staat besaßen. Es steht außer Frage, daß sich ein israelisches Selbstverständnis nicht auf die politische Gemeinschaft des jüdischen Staates stützen kann, ohne dabei die Geschichte der Juden vor dem Jahr 1948 einzubeziehen. Von daher spielt der Holocaust im säkularen Mythos Israels eine fundamentale Rolle. Kein Tag vergeht, an dem die Shoa nicht Thema der Medien wäre.

Wer nach dem Sinn der Shoa sucht, muß zunächst sein Unwissen bekennen. Es ist nicht an uns zu fragen, warum Gott etwas tut oder unterläßt. Die Rabbiner berufen sich auf die Torah und verweisen auf den Topos des verhüllten Antlitz Gottes. Auf diese Weise teilen sie uns mit: Wir wissen es nicht. Und gleichzeitig suggerieren sie, daß uns eine Antwort auf immer verschlossen bleiben wird. Der Holocaust ist ihrem Verständnis zufolge ein Teil von Gottes Plan. Doch können wir nicht ermitteln, ob er eine Strafe ist, die über die Juden verhängt wurde, weil sie in Sünde lebten, oder vielleicht etwas anderes. Doch ist es sowieso sinnlos, das Geheimnis enträtseln zu wollen. Nach rabbinischer Interpretation stellt die Shoa ein weiteres unter den zahllosen tragischen Ereignissen dar, an denen die jüdische Geschichte so reich ist.

LG: Widerspricht eine solche Deutung nicht der Auffassung, wonach der Holocaust ein einzigartiges, unvergleichbares Verbrechen ist?

TS: Den Orthodoxen liegt es fern, den Holocaust mit anderen Ausnahmeverbrechen in der Menschheitsgeschichte zu vergleichen. Sie beschäftigen sich mit der Geschichte der Juden, nur sie ist von Interesse. In der Regel versuchen die Verfechter der Einzigartigkeit des Holocaust das Ereignis isoliert von anderen, ähnlichen Verbrechen darzustellen. Weil die Nationalsozialisten nicht nur die vollständige Vernichtung des jüdischen Volkes, sondern auch dessen totale Demütigung wollten, handle es sich um eine singuläre Tat. Die Orthodoxen reihen die Shoa in die lange Kette jüdischer Tragödien ein. Nur in diesem Kontext fragen sie auch danach, inwieweit der Holocaust zur Entstehung des jüdischen Staates beitragen konnte. Und sie kommen zu ganz unterschiedlichen Schlußfolgerungen. Gehört der Staat Israel zu Gottes Plan, und wenn ja, in welcher Hinsicht? Diese Frage hat einen heftigen Streit hervorgerufen, der seit 60 Jahren immer wieder aufflackert. In ihm stehen sich israelische Nationalisten auf der einen und ihre Gegner auf der anderen Seite gegenüber, die den jüdischen Staat bis heute für eine Blasphemie halten, ihm folglich auch die Anerkennung verweigern. Einige Nationalisten sehen sogar eine historische Kontinuität zwischen dem Holocaust und dem Schicksal der jüdischen Siedlerbewegung in den besetzten Gebieten. Politisch ist das Lager der Orthodoxen jedenfalls noch tiefer gespalten als das der säkularen Israelis. So können sich zwei feindliche Lager auf den Holocaust beziehen, um nicht selten völlig unterschiedliche Thesen zu belegen.

LG: Ich würde gerne noch einmal auf die zionistischen Auseinandersetzungen um das Holocaust-Gedächtnis zurückkommen.

TS: Zunächst stellt sich hier die Frage, ob die Zionisten der 30er Jahre angesichts der Vernichtung tatsächlich etwas für die europäischen Juden hätten tun können. Sonach müßte man herausbekommen, wie sie faktisch auf die schrecklichen Nachrichten aus Europa reagiert haben. Was nun die erste Frage anlangt, so ließ sie denen, die Anfang der 40er Jahre in Israel gelebt haben, keine Ruhe. Sie waren ständig mit dem Problem befaßt, was sie hätten tun können. Die Antwort ist simpel: nicht besonders viel. Der einzige Weg, die Juden zu retten, war der Sieg im Krieg gegen Deutschland. Dieses Ziel wollten die alliierten Armeen erreichen. Die eigene Hilflosigkeit angesichts der Ereignisse in Europa ist, ich hatte es schon angedeutet, eine traumatische Erfahrung für die zionistische Bewegung gewesen. Der zionistischen Emanzipationsbewegung lag ja gerade die Überzeugung zugrunde, daß wir nicht mehr in Europa weiterleben können, weil uns dort früher oder später der Tod droht.

LG: Das klingt nach einer Prophezeiung, die sich selbst erfüllt …

TS: Die Shoa konnte ein Argument zugunsten der zionistischen Bewegung werden: Ohne eigenen Staat haben die Juden keine Chance, in einer feindlichen Umgebung zu überleben. Andererseits ist eine größere Niederlage kaum vorstellbar: Die Anführer des jüdischen Volkes erweisen sich angesichts dieser Tragödie als gänzlich hilflos. Das war politisch eine komplette Katastrophe. Übrigens erging es den amerikanischen Juden durchaus ähnlich. Der Holocaust wurde auch deshalb ein so wesentlicher Aspekt ihrer Identität, weil sie das Gefühl ihrer damaligen Hilflosigkeit bis heute nicht vergessen können.

LG: Ist Ihr Buch Die siebte Million1  deshalb auf solch heftige Proteste gestoßen?

TS: Viele haben es als eine Anklage der zionistischen Bewegung verstanden, was so natürlich nicht stimmt. Ich weiß doch nur zu gut, daß die Juden, die damals in Palästina lebten, nichts tun konnten, um ihren Brüdern in Europa wirklich zu helfen. Doch habe ich als Autor durchaus das Recht, für die These zu argumentieren, daß sich die Führer der zionistischen Bewegung nicht sonderlich für das Problem interessierten. Der ständige Kampf mit der feindlichen arabischen Umgebung, die Auseinandersetzungen mit der britischen Mandatsregierung sowie der Aufbau einer Infrastruktur für den künftigen jüdischen Staat waren wichtiger als die Ereignisse im entfernten Europa. Las allerdings jemand in der Zeitung, die Deutschen seien in sein Heimatstädtchen einmarschiert, mußte er sich selbstverständlich die Frage stellen, was seinen Eltern, Nachbarn und Freunden widerfahren sei. Und das Schuldgefühl, sie ihrem Schicksal überlassen zu haben, mußte bei ihnen ein Trauma auslösen.

LG: Ist es womöglich eine Konsequenz des neuen Geschichtsverständnisses der zionistischen Revolution gewesen, daß man keine Solidarität mit den ermordeten Juden in Europa empfand?

TS: Euer Platz, sagten die Zionisten, ist nicht in Lodz oder Warschau, euer Platz ist in Natania, in Jerusalem oder in einem kleinen Kibbuz mitten in der Wüste. Insofern könnte man meinen, daß es in ihrem ideologischen Projekt nicht allzuviel Platz für die europäischen Juden gab. David Ben Gurion hat einmal gesagt, wenn er, um 30 000 jüdische Kinder zu retten, zwischen ihrer Aussiedlung nach England oder nach Israel zu entscheiden habe, dann würde er mit Sicherheit Erez Israel wählen. So verstand er, als Anführer seines Volkes, die historische Bringschuld der zionistischen Bewegung an die jüdische Geschichte. Ich muß wohl nicht eigens darauf hinweisen, daß ein solcher Plan angesichts der schwierigen Lage, in der sich die hiesige Gesellschaft unter der britischen Mandatsregierung befand, aussichtslos war. Er ist ein schlagendes Beispiel dafür, wie Belange der nationalen Geschichte wichtiger als etwaige humanitäre Ideale oder praktische Möglichkeiten zur Umsetzung eines Rettungsplans werden. Viele Publikationen haben sich an einer Widerlegung meiner Thesen aus der Siebten Millionversucht. Doch bin ich, offen gestanden, nach wie vor der Ansicht, daß ich recht hatte.

LG: Welche Verbindung sehen Sie zwischen der ideologischen Mission der Zionisten und der furchtbaren Wirklichkeit der Shoa, die sich abzuzeichnen begann?

TS: Der Zionismus interessiert sich mehr für die Zukunft als für die Vergangenheit. Die nicht religiös geprägten Siedler in Palästina betrachteten das, was sich vor ihren Augen abspielte, als Teil ihrer Geschichte. Erste Pläne zur Errichtung einer Holocaust-Gedenkstätte, erste Ansätze zur Etablierung einer Institution, die sich später Yad Vashem nennen sollte, existierten bereits im Jahr 1942. Damals war die Mehrheit der späteren Holocaustopfer noch am Leben. Erst nach dem Ende des Krieges wurde die Verbindung, nach der Sie fragen, zu einer in Israel vieldiskutierten politischen Frage. Ben Gurions Kabinett mußte seinen Rücktritt erklären, nachdem die Opposition der Arbeitspartei vorgeworfen hatte, sie hätte nicht genug zur Rettung der Juden unternommen. Die Vertreter der Orthodoxie hingegen waren der Ansicht, damals habe sich die zionistische Linke deshalb so verhalten, weil die Mehrheit der polnischen Juden fest in der religiösen Tradition des Judentums verwurzelt war. Ein weiteres strittiges Thema ist die Aufnahme politischer Beziehungen zur Bundesrepublik unter Bundeskanzler Konrad Adenauer gewesen. Für die zukunftsorientierte Linke war dieser Schritt sehr viel leichter zu akzeptieren als für die gegnerische Rechte. Noch lange Zeit nach dem Krieg glaubte freilich kein Mensch daran, es werde jemals ein demokratisches Deutschland geben. Schließlich schlug der Eichmann-Prozeß ein neues Kapitel in der israelischen Auseinandersetzung mit dem Holocaust auf. Mit ihm begann eine Debatte, die wohl niemals enden wird.

LG: Warum konnte Hannah Arendts Buch Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht über die Banalität des Bösen so lange nicht in Israel erscheinen? Warum wurde es derart heftig kritisiert?

TS: Arendts Buch setzt sich ausgesprochen kritisch mit der zionistischen Deutung der Natur und Genese des Holocaust auseinander. Übrigens wurde es durchaus veröffentlicht, nämlich auszugsweise in der Tageszeitung Ha’aretz. Doch interessierte sich zunächst kein Verleger für das ganze Werk. In Israel ist es erst vor drei Jahren in Buchform herausgekommen. Aber kein Mensch wollte es kaufen, der Verleger machte Verluste. Arendts Bericht ist kein sehr wichtiges Buch. Meiner Ansicht nach wurde es stark überbewertet. Und es spiegelt wenig von dem wider, wie sich die Israelis mit dem Holocaust beschäftigt haben. Arendt selbst hat mir in einem Gespräch gestanden, das Buch gehöre nicht zu den wichtigsten in ihrem Gesamtwerk. Sie hat mir damals gesagt, allenfalls könne Eichmann in Jerusalem Journalisten als Anleitung dazu dienen, wie über diesen historischen Prozeß zu schreiben sei; das Buch könne sie lehren, wie man professionell an historisches Material herangehen solle.

LG: Lassen Sie uns auf den Mythos von den “Juden, die sich wehrlos wie Lämmer zur Schlachtbank führen ließen” zurückkommen. Er suggeriert zum einen, daß sich die Juden gegen die Shoa zur Wehr hätten setzen können, widerspricht zum anderen dem Mythos von der Notwendigkeit eines heroischen Todes. Wie funktionierte dieser Mythos in Israel?

TS: Man muß sich vergegenwärtigen, daß Israel ohne den Mythos der heroischen Anfänge nicht vorstellbar ist. Die Gründungsväter sahen sich als unerschrockene Helden, denen der Gedanke völlig fremd war, ein Jude könne Verfolgungen hinnehmen, ohne sich zu wehren. Die Vision eines neuen Menschen, eines muskulösen Helden, finden wir allerdings auch in der noch jungen Sowjetunion, in der Ideologie des faschistischen Italien wie in utopischen Modellen aus der Weimarer Republik. Dieser Held sollte in patriotischer Anstrengung die Erde bearbeiten. Er durfte auf keinen Fall einem kaufmännischen Gewerbe nachgehen, von Geldverleih ganz zu schweigen. In seiner radikalen Form enthält dieser Entwurf durchaus antisemitische Elemente, einige seiner Varianten bringen auch nationalistische Einstellungen zum Ausdruck. Nach zionistischem Verständnis ist die Gegenwart als eine Bühne zu begreifen, wo biblische Helden in Inszenierungen auftreten, die ihnen die Hauptrolle zuweisen. Für die Gründungsväter ist in Israel alles hebräisch und folglich Resultat radikaler Erneuerung. Alle Bezeichnungen von Institutionen, seien es Schulen, Gewerkschaften oder Banken, sind hebräisch und sollen an die biblische Tradition anknüpfen. So vollzieht sich der Bruch mit der Tradition der Diaspora.

LG: Und damit auch der Bruch mit dem Mythos vom jüdischen Märtyrertum?

TS: Als stolze Hebräer hatten wir vor 20 oder 30 Jahren enorme Probleme damit, daß sich die Juden in Europa nicht aktiv gegen die Shoa gewehrt haben. Sie gehörten zu demjenigen Teil jüdischer Geschichte, den wir ohne Einschränkung hinter uns zurücklassen sollten. Der israelische Schriftsteller Aron Appelfeld erzählt in einem seiner Werke die Geschichte eines Jungen, den seine Altersgenossen fürchterlich verprügeln – unter anderem deshalb, weil er ziemlich genau so aussieht wie sie selbst, nämlich “schrecklich bleich”. Der Junge versucht sich an einer Rechtfertigung, indem er beteuert, er strenge sich sehr an. Darauf entgegnen ihm seine Peiniger, hätte er sich wirklich bemüht, wäre er schon längst braungebrannt. Er wird also zum Sündenbock, weil er all das verkörpert, mit dem man brechen wollte. Er ist in metaphorischer Bedeutung der Beweis für die Existenz jener jüdischen Schwäche, die in Erez Israel durch die dort lebenden Hebräer ein für allemal überwunden werden soll.

LG: Äußert sich der Kult um den Mythos eines aktiven Widerstands noch anders?

TS: Die Kultivierung dieses Mythos ging so weit, daß der Holocaust, ein Ereignis, bei dem es in erster Linie um wehrlose Opfer geht, tatsächlich zum Sinnbild heroischen Widerstands werden konnte. Dazu trug vor allem der Aufstand im Warschauer Ghetto bei, der einen zentralen Bezugspunkt im historischen Diskurs Israels bezeichnet. Von Anfang an wurde dieser Aufstand, in dem die Juden den Deutschen als gleichwertige Gegner entgegengetreten sein sollen, stilisiert. Die jahrelang betriebene, schließlich erfolgreiche Heroisierung der Revolte führte am Ende dazu, daß sich die Siedler im Gazastreifen zu Widerstandskämpfern gegen ihre Erzfeinde erklärten, zu Aufständischen, die von der israelischen Armee im Sommer letzten Jahres aus dem Gazastreifen deportiert wurden. Sobald die Kameras in ihrer Nähe auftauchten, erhoben sie ihre Hände und stellten sich in Gruppen auf. Sie wollten den Fernsehzuschauern in der ganzen Welt bedeuten, daß sie in der direkten Tradition der Kämpfer des Warschauer Ghettos stehen. Daß sie die israelischen Soldaten als SS-Männer bezeichneten, hielten sie für den selbstverständlichen Ausdruck ihrer Wirklichkeitswahrnehmung.

LG: Aber das ist doch nicht die erste Manipulation dieser Art gewesen?

TS: Wir sind in Israel mit dem Mythos vom Widerstand gegen die Nazis aufgewachsen. Nach Auffassung der Politiker ist es unabdingbar zur Stärkung der Moral im Kampf gegen die Araber gewesen, denn die Araber waren Nazis: Auch ihr Ziel ist die Ausrottung der Juden oder zumindest deren Abdrängung ins Meer gewesen. In der Negev-Wüste liegt der Kibbuz Yad Mordechaj, benannt nach Mordechaj Anielewicz, einem der Anführer des Warschauer-Ghetto-Aufstands. Im dortigen Gedenksaal wird der Aufstand als Teil des Kampfes um die Unabhängigkeit dargestellt, so als habe er erst viel später stattgefunden. Man kann dort wirklich nicht zwischen dem Kampf gegen die arabischen Angreifer und dem Widerstand der Ghettohelden unterscheiden. Alles verschmilzt zu einer Erzählung, zu einer Interpretation desselben heroischen Mythos. In Israel gibt es viele solcher Orte. Sogar die alte Ausstellung in Yad Vashem war nicht ganz frei von diesen Deutungsmustern.

LG: Wie hat sich der heroische Mythos weiterentwickelt? Wie versteht ihn die dritte Generation nach der Shoa?

TS: Als ich in den 70er Jahren begann, Material zur Siebten Millionzu sammeln, traf ich immer noch auf Überlebende der Shoa, die den um 30 Jahre jüngeren Gymnasialschülern stets zuallererst erklären mußten, warum man damals keinen Widerstand habe leisten können. Das war gewöhnlich die erste Frage, mit der die jungen Leute die Zeitzeugen konfrontierten. Erst gegen Ende der 70er Jahre fragten die Schülerinnen und Schüler nicht mehr danach. In vielen meiner späteren Interviews mit Überlebenden gaben sie zu, daß die Fragen, die sie während der 50er Jahre gequält hatten, keine Bedeutung mehr für die junge Generation hätten. Heroismus wurde jetzt nicht mehr von ihnen verlangt. Diese Entwicklung hat den israelischen Diskurs über den Holocaust natürlich verändert. In der neuen Erzählung werfen die Männer und Frauen keine Granaten mehr. Vielmehr wird nun ihr täglicher Kampf um ein Stückchen Brot für die Kinder anerkannt. Auch ist das Faktum ihres Überlebens kein Grund mehr für Schamgefühle. Es trifft mittlerweile auf Akzeptanz. Schließlich wird anerkannt, daß eine gewisse Lebensklugheit notwendig ist, will ein Volk überleben. Der Selbstmord in den Vernichtungslagern ist keine heroische Geste mehr, die eingeklagt wird. Viele einfache Israelis finden sich in dieser neuen Erzählung wieder. Die weniger heroische Deutung der Geschichte des Holocaust ist für sie leichter erschließbar.

Vergleicht man die alte mit der neuen Ausstellung in Yad Vashem, läß sich die außergewöhnliche Veränderung des heroischen Mythos gut verfolgen. Die neue Ausstellung integriert die Shoa in die Geschichte der Juden, ist zugleich jedoch universaler angelegt. Sie zeigt diese Geschichte im Kontext der Geschichte Europas. Auch fällt die neue Ausstellung weniger antiarabisch aus. Die Palästinenser werden nicht mehr mit den Nazis verglichen. Die fundamentale Veränderung besteht darin, daß man den Mythos vom heroischen Widerstand verabschiedet hat, der so grundlegend für einen Staat war, der sich in permanentem Konflikt mit seinen Nachbarn befindet.

LG: Hat die Sorge, die Shoa könne sich wiederholen, konkrete politische Entscheidungen beeinflußt?

TS: Die Frage läßt sich am besten beantworten, zieht man den Sechstagekrieg und seine unmittelbare Vorgeschichte zu Rate. Die sogenannten neuen Historiker, zu denen auch ich mich zähle, hatten die Tendenz, den offiziellen Diskurs zum Holocaust-Gedächtnis für eine politisch notwendige Manipulation zu halten. Jetzt, da ich gerade ein umfangreiches Buch über den Sechstagekrieg im Spiegel der öffentlichen Meinung Israels fertiggestellt habe,2 kann ich diese These nicht mehr aufrechterhalten. Die Furcht vor einer Wiederholung des Holocaust war authentisch und weitverbreitet. Dazu bedurfte es keiner Manipulation. Deshalb haben wir Ägypten angegriffen – das kollektive historische Gedächtnis erzwang diese politische und militärische Entscheidung. Man muß sich vergegenwärtigen, daß die Rabbiner in Tel Aviv und Petach Tykwa spontan Schulsport- und Kinderspielplätze segneten, weil mit Tausenden von Gefallenen gerechnet wurde, die in Massengräbern bestattet werden sollten. In den Vereinigten Staaten hatte ich die Gelegenheit, private Familienarchive und Korrespondenzen von Familien zu erforschen, die von 1966 bis 1967 in Israel gelebt hatten. In diesen Quellen ist die Vorahnung eines neuerlichen Holocaust übermächtig. Auch in offiziellen Archiven fand ich Belege für die Angst vor einer Wiederholung des schlimmsten aller Szenarios – zum Beispiel Hunderte von Briefen an Ben Gurion, in denen er gebeten wurde, die Geschicke des Staates angesichts der drohenden Shoa wieder in seine Hände zu nehmen.

In diesem historischen Augenblick sollte den Israelis bewußt werden, daß sie eben keine Gemeinschaft von Supermännern des Nahen Ostens waren. Der Krieg verlief ausgesprochen dramatisch. Und im Fall einer Niederlage wäre Israels Fortexistenz in Frage gestellt gewesen. Die Araber hätten uns schließlich fast besiegt. Damals kam zum ersten Mal die Empfindung auf, daß die Frage, warum die Opfer des Holocaust sich nicht gewehrt, keinen Widerstand geleistet hatten, zumindest taktlos gewesen war. Immerhin konnten wir uns selbst nur mit Mühe zur Wehr setzen, obwohl der gesamte Apparat eines unabhängigen jüdischen Staates zur Verfügung stand. Selbst unsere phantastische Armee nützte uns nicht viel. Sogar sie vermochte uns vor den Arabern nicht zu beschützen.

Wie konnte man da noch von wehrlosen Zivilisten oder halbverhungerten Familien im Warschauer Ghetto effektiven Widerstand erwarten? Damals veränderte sich nicht nur der Ton des offiziellen Gedächtnis- Diskurses. Schwäche wurde als ein Aspekt des menschlichen Daseins akzeptiert. Das wäre zu Zeiten des heroischen Staatsaufbaus undenkbar gewesen.

LG: Welchen Einfluß hatte diese Veränderung auf die Einstellung zur Diaspora und zur Geschichte der Juden?

TS: Es ist kein Geheimnis, daß die Diaspora von vielen Zionisten, zumal in den ersten Jahren nach der Staatsgründung, als eine Ansammlung von Verrätern betrachtet wurde. Sie galten als hartnäckige Ignoranten, die nicht einsehen wollten, daß sich die Geschichte der Juden mit der Entstehung eines jüdischen Staates, den sie vorbehaltlos hätten anerkennen sollen, erfüllt habe. So gab Ben Gurion etwa in der berühmten Rede an die amerikanischen Juden seinen Zuhörern zu verstehen, sie würden ihren Ort in der jüdischen Überlieferung verlieren, falls sie nicht in Israel leben wollten. Die Amerikaner dankten höflich und schickten Ben Gurion nach Hause. Bei späteren Auftritten vor der jüdischen Bevölkerung der Vereinigten Staaten ist er auf diese Behauptungen nie wieder zurückgekommen. Auch der unerwartete Yom-Kippur-Krieg, der Israel völlig überraschte, hat den Gedächtnis-Diskurs modifiziert. Die Erfahrung der enormen Schwäche des eigenen Staatswesens löste einen Schock aus. Nach 1973 ließ sich ganz unverblümt die Frage stellen, ob Israel wirklich ein sicherer Ort für die Juden sei, ob sie wirklich hier oder nicht besser etwa in New York City leben sollten.

Eine polnische Version dieses Interviews erschien im Februar 2006 in der polnischen Tageszeitung Rzeczpospolita. Wir danken für die freundliche Abdruckgenehmigung der deutschen Übersetzung.

Tom Segev, Die siebte Million. Der Holocaust und Israels Politik der Erinnerung, Reinbek bei Hamburg 1995.

Tom Segev, 1967, im Erscheinen.

Published 10 November 2006
Original in Polish
Translated by Anke Kleinschmidt
First published by Mittelweg 36 5/2006

Contributed by Mittelweg 36 © Tom Segev / Lukasz Galecki / Mittelweg 36 / Eurozine

PDF/PRINT

Share article

Newsletter

Subscribe to know what’s worth thinking about.

Discussion