Publizist Andrej Dynko aus der Haft entlassen

Der weißrussische Intellektuelle Andrej Dynko ist aus dem Gefängnis in Minsk entlassen worden, wo er eine zehntägige Strafe wegen “Rowdytums” absaß.

Wie Eurozine berichtete, war Andrej Dynko, Herausgeber der oppositionellen Wochenzeitung Nascha Niwa und stellvertretender Chefredakteur der Kulturzeitschrift Arche, am 21. März verhaftet worden, als er den Demonstranten am Oktoberplatz in Minsk Nahrungsmittel bringen wollte. Wie viele andere, die an den Demonstrationen rund um die Präsidenten-Wahlen in Weißrussland teilnahmen, wurde er zu einer zehntägigen Haft mit sofortigem Antritt verurteilt.

Gefängnis-Tagebuch

Während seiner Inhaftierung schrieb Andrej Dynko einen Brief, in welchem er sich über die jüngsten Ereignisse in Weißrussland klar zu werden suchte.

Es wird hell draußen, das heißt, Zelle Nummer 13 wird bald aufwachen. Ich muss diesen Brief schnell zu Ende schreiben. Es ist unmöglich, etwas zu Papier zu bringen, während die anderen Inhaftierten reden, rauchen oder ihre natürlichen Bedürfnisse neben einem befriedigen.

Das Land hat einen weiteren Schritt in eine Richtung entgegen der Normalität getan. Schon vor den Wahlen wurde eine Atmosphäre des Terrors verbreitet, und während der Proteste im März wurden viele verhaftet.

Es scheint keinen Unterschied zu machen, ob man sich an die Gesetze hält oder nicht. Man kann jederzeit entlassen, verprügelt, interniert, ausgewiesen oder verhaftet werden, wenn man sich in irgend einer Weise oppositionell verhält.

Die Chancen für baldige politische Veränderungen in Weißrussland scheinen gering. Doch aus seiner Gefängniszelle heraus bemerkt Dynko einen anderen Wandel. Die mit ihm im Gefängnis sitzen verändern sich so, als hätten sie eine “Aufopferungs-Therapie” durchgemacht.

Das Zelt-Lager hat Tausende von Menschen zu heroischen Taten inspiriert, großen wie kleinen. Diese Taten werden bei den Leuten bleiben, jahrelang, und ihre Herzen erhellen.

Aufopferungs-Therapie – das war der Sinn der Proteste 2006. Das Regime hat verstanden, dass es verloren hat. Ganz ungeschickt hat es das Zeltlager räumen lassen. Das hat nichts genutzt, weshalb die Autoritäten eine primitive Provokation am Freiheitstag inszenierten. Das ist meine Sicht dieser Tage, von denen ich die meisten hinter Gittern verbringen musste. Verzeihen Sie mir bitte, wenn ich falsch liegen sollte.

Alexander Milinkiewitsch meinte, nach dem 19. März würde Weißrussland als anderes Land aufwachen – mutig und frei. Damals war ich mir nicht sicher, ob das nur ein Propaganda-Trick war. Ich weiß nicht, was dort, jenseits der Gefängnismauern, vor sich geht. Ich weiß nicht, wer alles noch frei ist. Ich verbringe diese zehn Tage unter Menschen, die eine Aufopferungs-Therapie hinter sich haben. Es sind lichte Tage unter lichten Menschen. Vielleicht hatte Milinkiewitsch Recht.

Lesen Sie das gesamte Gefängnis-Tagebuch in Eurozine.

Published 3 April 2006
Original in English

© Eurozine

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