Der menschliche Lebensraum war bis ins 19. Jahrhundert geprägt durch die normale Geschwindigkeit des Menschen: die Fußgängergeschwindigkeit (Schopf, 1992). Dementsprechend wurde die Funktion der Straße besungen: “Wozu ist die Straße da? Zum Marschieren …” ( aus: “Lumpacivagabundus”, Filmmusik von Meder, Erich & Lang, Hans 1936).
Hermann Knoflacher geht in Bezug auf die Stadtbildung noch einen Schritt weiter und bezeichnet die “Pause der Mobilität” als eine wichtige Voraussetzung für die Bildung von Siedlungen (Knoflacher 1996). Kommt der Verkehr zur Ruhe, können Aktivitäten entstehen, die auf städtisches Leben positiven Einfluss nehmen. Klassische Beispiele für eine derartige Beruhigung wären etwa Verladestellen zwischen verschiedenen Transportmitteln oder sonstige Unstetigkeitsstellen, die die Transportgeschwindigkeit vorübergehend auf null senken. Somit wurde wieder der Fußgänger das bestimmende Element in der Transportkette und auf den Straßen.
In den antiken und mittelalterlichen Städten verbanden Straßen Bekanntes miteinander, sie boten den Bewohner- und BesucherInnen Sicherheit, die es außerhalb der Stadtmauern nicht gab. Städtische Straßen wurden zu Lebensräumen, zur Ergänzung der oft engen Wohnverhältnisse, zu Schauräumen des Handels und des Handwerks, zu Räumen des Diskutierens, des miteinander Lernens und zu Entwicklungsräumen für heutige Sozialsysteme. Städtische Straßen sind, geschichtlich betrachtet, Räume der Begegnung, die von den Menschen freiwillig und gerne aufgesucht wurden. Die Hauptrichtung der Verkehrsbeziehungen auf städtischen Straßen verlief immer quer zur Längsachse. Wer diese Beziehungen unterbrach, störte das städtische Leben (Knoflacher 1996).
Bis hin zum Zeitalter der Industrialisierung war der Mensch als Fußgänger der natürliche Bezugspunkt bei der Gestaltung der Straßenräume und der Strukturen (Knoflacher 1995). Durch und für den Fußgänger entwickelte sich in den Städten ein dichtes Netz von Wegen mit hoher Gestaltungsqualität, die in den historischen Stadtkernen (z. B. Salzburg, Wien, Innsbruck etc.) bis heute beeindrucken. Die Geschwindigkeit des Fußgängers sorgte für ein organisches Wachstum der Siedlungen, und obwohl dieses aus heutiger Sicht als willkürliches Wachstum (Rüsch 1981) bezeichnet wird, war diese vermeintliche Planlosigkeit doch von – zwar nicht leicht fassbaren, aber dem Ergebnis nach offensichtlich vorhandenen – Ordnungsstrukturen und komplexen Beziehungen geprägt (Koch 1990). Der Fußgänger sorgte durch sein Geschwindigkeitspotenzial für den Zusammenhalt der alten Städte und band damit “Zeit und Geld” an seinen Lebensraum (Knoflacher 1996).
Die Degeneration der Straße vom Lebensraum zum Fahr- und Abstellraum
Die erste große Zäsur in der Stadtentwicklung brachte die Eisenbahn mit sich. Obwohl sie die Verhältnisse durch Lagevorteile zwischen den einzelnen Orten entscheidend veränderte, blieb der Einfluss der öffentlichen Verkehrsmittel (ÖV) auf die unmittelbaren Haltestellenbereiche beschränkt, die Flächenerschließung blieb weiterhin eine Domäne des Fußgängers. Dieser stabilisierte die Lebensräume und verhinderte deren Zersetzung (Knoflacher 1996). Wesentlich bescheidener gab sich in dieser Beziehung das Fahrrad – es hat die Fußgängerstruktur nicht zerstört, jedoch den lokalen Aktionsraum beträchtlich erweitert.
Mit dem Automobil jedoch trat ein Wettbewerber ins System, der nach einem völlig anderen Entfernungsmaßstab operierte (Sachs 1984) und durch die ihm eingeräumte nahezu unbeschränkte Zielerreichbarkeit zwangsläufig zu einer Zersiedelung und zu einer Lageunabhängigkeit wesentlicher Funktionen führte (Knoflacher 1987). Zusätzlich wurde der ruhende Verkehr zu einem grundsätzlichen Problem, sowohl vom Platzbedarf her als auch von der Strukturwirkung. Parken wurde in den 1930er Jahren überall erlaubt, wo es nicht explizit verboten war. Wo Fahrzeuge stehen, bleibt jedoch kein Platz mehr für andere wichtige städtische Funktionen, die einen Lebensraum ausmachen.
Technische Verkehrsmittel, insbesondere das Auto, haben damit die Funktion der Straße verändert. Sie hat ihre Vielfalt an Funktionen verloren, sie wurde zur Rennbahn für hohe Geschwindigkeiten. An den grundlegenden Bedürfnissen der Menschen hat sich jedoch nichts geändert. Diese wurden aber durch die Hässlichkeit und Öde ihrer wohnumgebenden Lebensräume vertrieben. Die Straße wurde zu einer menschenfeindlichen Zone, die sich durch Abgase und Lärm auch auf die Umgebung negativ auswirkt. Straßen wurden zu Gefahrenzonen und verloren immer mehr ihre Funktion als Kommunikationsraum. Den Geschwindigkeitsunterschieden der Verkehrsarten folgten eine räumliche Trennung der Verkehrsflächen und die Schaffung von Rettungsinseln für die Fußgänger. Wesentlich stärker traf den Fußgänger jedoch das sogenannte Zoning, nämlich die Trennung der vier Aktivitätsbereiche Wohnen, Arbeiten, sich Fortbewegen und Freizeit (Knoflacher 1995). Damit waren die langsamen Verkehrsarten nicht mehr konkurrenzfähig und im Straßenraum nur mehr geduldet.
Durch die Haltestellenanlage des ÖV und die daraus resultierenden Zugangswege im Verein mit der praktizierten Parkraumorganisation geriet auch dieser prinzipiell in Nachteil.
Zwar ist es möglich, durch die Gestaltung der Zugangswege deren Akzeptanz zu erhöhen (siehe Abb. 3), das vor der Haustüre geparkte Auto wird dennoch immer im Vorteil sein. Als verkehrspolitische Mindestforderung zur Angleichung der Reisegeschwindigkeiten müsste daher der Parkplatz von den Wohnungen und Arbeitsplätzen zumindest so weit entfernt sein wie die Haltestelle des nächsten öffentlichen Verkehrsmittels (Knoflacher 1987). Diese Maßnahme würde den ÖV in Richtung Chancengleichheit unterstützen, Fußgänger und Radfahrerinnen durch bessere Platzverhältnisse und Gestaltungsmöglichkeiten fördern und gleichzeitig eine kleinteilige Nahversorgung ermöglichen.
Über Jahrzehnte jedoch gingen die Straßenräume als Lebensraum, speziell für die schwachen VerkehrsteilnehmerInnen, mehr und mehr verloren (Schopf 1998). Mit dem Auto wurde der Mensch aus dem Straßenraum verdrängt und auf schmalen Inselstreifen entlang der Fahrbahnen in seinen Bewegungen eingeschränkt. Das enge soziale Netz, die Basis des gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhanges, wurde damit zerschnitten und zerstört. Auch fehlt in den nach menschlichem Maß gebauten Städten der Platz für das Auto. Ein Fußgänger kann sich auf einem Quadratmeter Fläche bequem bewegen, das Auto braucht rund 60-mal so viel Platz (siehe Abb. 4). (Emberger, Pfaffenbichler 2001)
Die Mobilität der Zukunft in “Smart Cities”
Dass die Form der physischen Mobilität gestaltbar ist, beweist die Geschichte der Verkehrssysteme. So zeigt die Erfahrung, dass ein Angebot an Verkehrsinfrastruktur (quantitativ und qualitativ), z. B. Radwege oder Fußgängerzonen, die zugehörige Nachfrage fördert (Knoflacher 1995). Dies gilt auch für den ÖV, im Gegenzug nimmt der Autoverkehr ab.
Seit Jahren gibt es Verkehrskonzepte (z. B. GVK-Ö 1991), die Ziele formulieren wie “Verkehr vermeiden, Verkehr verlagern und Besttechnik-Einsatz”. Mobilität im urbanen Raum bedeutet damit Vorrang für die sanfte Mobilität. Die Angebotsplanung weicht damit auf dem Papier einer nachhaltigeren Planung. Unter Verkehr wird nicht mehr praktisch nur Kfz-Verkehr verstanden, auch wenn sich die Gesamtverkehrsbetrachtung in der Praxis nur langsam durchsetzen kann (Schopf 1998).
Neue Mobilitätsdienste
Um in den Städten hohe Lebensqualität zu bieten und die ökologischen Herausforderungen zu meistern, beginnen viele Städte eine Entwicklung in Richtung smart city zu planen (z. B. smart city Wien). In Zukunft sollen unter anderem integrierte Mobilitätssysteme für eine nachhaltige Stadtmobilität sorgen. Modernste Technologien und deren Zusammenführung in integrierte Systeme bilden dabei die Basis für intelligente Mobilitätsdienste. Umfassende Informations- und Kontrollsysteme sollen auch E-Mobilität integrieren.
Aber nach wie vor spielen die fossil betriebenen Kraftfahrzeuge eine bedeutende Rolle. Beispielsweise sind in Wien rund 830,000 Kfz zugelassen, mit steigender Tendenz. Dies betrifft die Lebensqualität, da Verkehr hier auf engstem Raum stattfindet und speziell Feinstaub und den Flächenverbrauch in den Vordergrund rückt. Die große Herausforderung der nächsten Jahre heißt somit, die individuellen Mobilitätsbedürfnisse der Menschen so zu befriedigen, dass diese nachhaltig erfüllt werden können. Smart cities vergrößern in diesem Zusammenhang den Anteil des Umweltverbundes und entwickeln neue Mobilitätsangebote, die individuell genutzt, aber gemeinschaftlich betrieben werden. Zusätzlich soll fossile Antriebsenergie für den Individualverkehr durch erneuerbare, elektrische ersetzt werden. Durch vernetzte Angebote sollen zudem Wegeketten bequem und effizient intermodal zurückgelegt werden können.
Als neuer Slogan wurde e-mobility on demand kreiert und in einem gleichnamigen Projekt manifestiert . Der Wiener Stadtraum soll so vom Großparkplatz wieder zum Wohn-, Erholungs- und Erlebnisraum werden. Bezahlt werden diese Dienste mit einer Mobilitätskarte als einheitlichem Schlüssel zu allen Mobilitätsangeboten in der Stadt. Wesentlich für die neue Mobilität wird ein intermodales Informations-, Reservierungs- und Ticketingsystem als Basis für eine Smart Mobility Card sein.
Wien steht hier mit seinen verkehrspolitischen Vorgaben und mit Projekten wie smart city Wien, “e-mobility on demand” und “SMILE” an vorderster Front auf dem Weg zu einer neuen Mobilität, die auch neue/alte Aufgaben der Straße wieder belebt.
Neue Organisationsformen für Straßenräume
Mit dem Fußgänger tritt allerdings ein empfindliches Messinstrument auf den Plan (Knoflacher 1987), das Stadtbild und Umfeld während des Gehens in Form von Reizen verrechnet. Ist die Summe der Reize negativ, reduziert sich die Attraktivität des Fußweges, sind die Reize positiv, nimmt die Attraktivität des Fußweges zu. Fußgänger empfinden längere, aber schöne Wege als kürzer, was physikalisch paradox ist, aber für PlanerInnen eine hoffentlich willkommene Vorgabe darstellt. Am Verhalten der Menschen kann gemessen werden, ob die Stadt- und Straßenplanung richtig war, nämlich am Modal Split der Fußgänger.
Eine Stadt, die für den Umweltverbund organisiert ist, strahlt spezifische Außenreize aus und animiert zur Nutzung des Umweltverbundes, zur Kommunikation, zum Arbeiten sowie zum Verbleiben. Diese Organisationsform übt zwangsläufig massiven Druck auf schlechte und hässliche Architektur aus, da der Fußgänger ein hohes Anspruchsniveau an seine Umgebung stellt, aus der er nicht mehr so leicht flüchten kann. Überall, wo Menschen auf Menschen treffen wollen, hat man Fahrbahnen wieder in Straßen umgewandelt, zu Lebensräumen, zu Räumen des Aufenthaltes und der Begegnung (Knoflacher 1996).
Schon seit vielen Jahren stehen diverse Formen der Verkehrsberuhigung speziell für den innerstädtischen Raum zur Verfügung. Die Fußgängerzone und Wohnstraße als radikale Formen zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität führen zu einer sehr weitgehenden Einschränkung des Fahrzeugverkehrs. Auf der anderen Seite beschränkt eine Tempo-30-Zone den Fahrzeugverkehr vergleichsweise unwesentlich, während sie Fußgängern keine Nutzung der gesamten Straßenfläche ermöglicht. Einige neue Ansätze zur Verkehrsberuhigung suchen hier einen Kompromiss, der einerseits den Fahrzeugverkehr zulässt, andererseits aber die gesamte Straßenfläche für den Fußgängerverkehr erschließt. Ob die Ansätze nun Begegnungszone, Shared Space oder, wie in Wien, “Straße fair teilen” heißen – sie verfolgen dasselbe Ziel. Die Straße soll als Begegnungsort für verschiedenste NutzerInnen gewonnen werden, ohne dass die Erreichbarkeit von Unternehmen, Wohnungen und privaten Abstellflächen leidet. Eine gegenseitige Rücksichtnahme soll im Sinne der Idee des Shared Space an die Stelle der strikten Trennung der Verkehrsflächen treten. Im Vordergrund steht das Ziel einer qualitativen Aufwertung und Belebung des öffentlichen Raumes. Der Straßenraum soll wieder für alle VerkehrsteilnehmerInnen und NutzerInnen, unter Berücksichtigung von deren Interessen und Anforderungen an die Funktionalität öffentlicher Räume, fair verteilt und so durch gemeinsame und vielfältige Nutzung ein Miteinander aller ermöglicht werden (Empfehlungen für das Wiener Modell “Straße fair teilen”).
Auch eine Richtlinie der FSV (Österreichische Forschungsgesellschaft Straße-Schiene-Verkehr) über die Gestaltung öffentlicher Räume in Siedlungsgebieten (RVS 03.04.11, Oktober 2011) liefert Planungsgrundlagen für Straßenverkehrsanlagen. Ziel ist die Orientierung an den Bedürfnissen aller NutzerInnen zur Erzielung einer höheren Lebensqualität in Siedlungsgebieten, da Straßen Lebensraum und Aufenthaltsraum insbesondere auch für die AnrainerInnen eines Straßenzuges darstellen. Es wird daher gefordert, das städtebauliche Umfeld in die Gestaltung des Straßenraumes mit einzubeziehen. Durch die Gesamtbetrachtung des Straßenraumes sollen die jeweiligen Verkehrsarten entsprechend einer definierten Wertigkeit gefördert, jedenfalls der Fußgänger-, der Rad- und der öffentliche Personennahverkehr dabei bevorzugt werden. Als wesentliches Gestaltungselement wird die dritte Dimension in den Ausprägungen Aufbauten, Raumwirkung, Tiefenwirkung mit einbezogen, mit dem Ziel, die Straße wieder als Kommunikationsraum mit hoher Aufenthaltsqualität zu gestalten.
Eine wesentliche Rolle bei der Gestaltung der Straßenräume kommt der Organisation der abgestellten Fahrzeuge zu. Der Kfz-Stellplatzbedarf sollte grundsätzlich außerhalb des öffentlichen Straßenraumes abgedeckt werden. Ausnahmen wie der Bedarf für Ladetätigkeit und Kurzzeitparken sind nutzungsabhängig nachzuweisen. Die Entfernung zwischen Quelle oder Ziel und Parkplatz (Sammelgarage) sollte im Schnitt grundsätzlich nicht kürzer sein als zwischen Quelle oder Ziel und der Haltestelle des öffentlichen Verkehrs, um zumindest auf diesem Gebiet die Chancengleichheit zwischen diesen Verkehrsmitteln zu wahren. Der Stellplatzbedarf ist immer im Zusammenhang mit dem Gesamtverkehrssystem (Erschließung durch Fußgänger, den Radverkehr und durch den ÖV) zu behandeln. Sowohl die Widmungen der Verkehrsflächen als auch die Widmungen für die Sammelstellplätze für Fahrzeuge sind vorzusehen. Auch für den Bestand ist die Möglichkeit der verkehrlichen Sanierung sicher zu stellen. (RVS 03.07.12)
Fußgängerplanung ist, verglichen mit der Planung für motorisierte Individualverkehrsmittel, wesentlich aufwändiger. Denn auch in einem ansprechend gestalteten Umfeld (z. B. Fußgängerzone, gestaltete Verkehrsberuhigung etc.) beginnt nach ca. 200 bis 300 Metern das Interesse am Fußweg zu erlahmen. Dieser Tatsache begegneten gewachsene alte Städte seit jeher durch neue Orientierungspunkte (z. B. Plätze) als Ausgangspunkt für den weiteren Fußweg (Koch 1990) – die subjektive Energiebatterie kann wieder neu geladen werden. Diese Beispiele zeigen, welch wichtige Rolle die Kenntnis der subjektiven menschlichen Energieverrechnungsmechanismen für den organischen Aufbau der den Menschen umgebenden Strukturen spielt.
Rettet Elektromobilität die Straßenräume der Zukunft?
E-Mobilität erlebt derzeit einen Hype. Die Politik gibt einen “Nationalen Einführungsplan Elektromobilität” vor und erwartet bis 2020 einen Bestand von 250,000 E-Pkw. Es stellt sich die Frage, ob die Euphorie auch bezüglich unserer Straßenräume begründet ist (Schopf 2010). Zweifellos sind speziell bei den Emissionen Fortschritte zu erwarten, letztlich bleibt aber auch ein E-Auto ein Auto – mit vielen bekannten Folgen, denn die Wirkungsfelder des Verkehrs auf das Lebensumfeld sind äußerst vielfältig (Abb. 6), das Verbesserungspotenzial gegenüber konventionellen Fahrzeugen ist bei den E-Autos durchaus begrenzt (siehe auch auto touring September 2012, S. 30f.).
Geräuschemissionen bei E-Autos
Immerhin sind bis 40 km/h beim Lärm Vorteile durch den leiseren Antrieb zu erwarten, darüber dominieren bei den Autos jedoch die Rollgeräusche. Im Lebensraum Straße können E-Autos ihre Vorteile durch niedrige Geschwindigkeiten ausspielen, wenn etwa zumindest flächendeckend Tempo 30 gilt.
Abgasemissionen bei E-Autos
Bei den klassischen Emissionen stellen sich zweifellos Fortschritte ein. Bei den indirekten Emissionen – vor Ort gibt es ja keine – liegen E-Fahrzeuge günstiger als die beste konventionelle Technik. Der Grad der Verbesserung hängt jedenfalls von der Energieerzeugung ab. Liefert ein Mix aus fossilen Kraftwerken die Energie, gibt es gegenüber konventioneller Technik keine Verbesserungen, bei einem Mix aus erneuerbaren Quellen sinken die Emissionen drastisch.
Feste Schadstoffe bei E-Autos
Beim Feinstaub sind die indirekten Verbrennungsemissionen von E-Pkw vernachlässigbar, nicht jedoch der Anteil durch Abrieb und Verwirbelung. Dieser übertrifft zudem die klassischen Auspuffemissionen bei Weitem. Geringe Verkehrsmengen und niedrige Geschwindigkeiten sind daher Voraussetzungen, um die Feinstaubproblematik im Straßenraum in den Griff zu bekommen – auch bei E-Mobilität.
Flächenverbrauch und Erscheinungsbild
Keine Verbesserungen sind bei den herrschenden Rahmenbedingungen beim Erscheinungsbild zu erwarten. Die Straßenräume würden weiterhin durch Fahrzeuge und deren Infrastruktur dominiert, zusätzlich beeinträchtigt durch Ladestationen. Durch die vermehrte Nutzung von E-Fahrzeugen als Zweitautos würde der Flächenverbrauch zusätzlich steigen, auch durch die Probleme beim Abstellen der Fahrzeuge.
Verkehrsplanung und Verkehrstechnik
Ebenfalls kein positiver Einfluss ist auf die Bereiche Verkehrssicherheit, Trennwirkung und soziale Erosion zu erwarten. Zusätzlich wird die Elektromobilität die Zerstörung gewachsener Stadtstrukturen möglicherweise noch fördern, da speziell Strukturen auf der grünen Wiese nun mit gutem Gewissen und billig zu erreichen sind.
Sollten E-Fahrzeuge die konventionellen Fahrzeuge lediglich ersetzen und damit in Zukunft massenhaft auftreten, darf bezüglich deren Anspruch an die Leistungsfähigkeit von Fahrbahnen keine Verbesserung der Situation erwartet werden. Der Stau wird nicht durch E-Autos, sondern weiterhin durch Umdenken vermieden! Festgehalten werden muss, dass ein E-Kfz kein Allheilmittel für die Zukunft ist.
Übersehen wird dabei oft, dass Elektromobilität bereits seit ca. 130 Jahren ein Rückgrat der Mobilität in Form von liniengebundenem ÖV darstellt, die Vorteile dieser Form von E-Mobilität sind bekannt.
Was sollte eine Straße in der Stadt aus Sicht der Mobilitätsforschung sein?
Städte bieten seit jeher kompakte und komplexe Lebensräume, Mobilität findet auf engem Raum in unmittelbarer Nachbarschaft zum Wohnraum statt. Straßen in der Stadt haben daher als Vorraum der Wohnungen nicht nur Mobilitätsfunktion, sondern sie dienen als Lebensraum in vollem Umfang der Bedeutung: Raum für Mobilität, für Kommunikation, für Aktion und Erholung. Immer ist jedenfalls Mobilität die Basis für alle anderen Aktivitäten. In diesem Zusammenhang wäre der Begriff ruhender Verkehr weiter zu fassen als im allgemeinen Sprachgebrauch. Hier geht es eben nicht nur um abgestellte Fahrzeuge, wie es richtigerweise heißt, sondern auch um Menschen, die ihr momentanes Ziel erreicht haben und zum/zur ZuseherIn/GesprächspartnerIn/Erholungssuchenden werden. Hermann Knoflacher bezeichnet dementsprechend die Ruhe der Mobilität als die Basis der Kommunikation in jeder Form, wofür die Straße Platz bieten muss. Wenn jetzt im Straßenraum Mobilität stattfindet, dann sollte der daraus resultierende Verkehr genügend Raum für die anderen Lebensraumfunktionen lassen. Die Stadt benötigt somit Mobilitätsformen mit einem geringen Flächenverbrauch. Der Umweltverbund (Fußgänger, Radfahrer, öffentlicher Verkehr, Car Sharing) bietet sich hier als Flächenschoner für die Erfüllung der Mobilitätsbedürfnisse an. Der Umweltverbund ist auch die Basis für eine “Stadt der kurzen Wege”, die als “Stadt der geringen Geschwindigkeiten” (Knoflacher 1996) entsprechend die früher vorhandenen kompakten und komplexen Lebensräume wieder gewährleisten soll. Wir Menschen schätzen die Ergebnisse sehr, wenn man nur an den Städtetourismus und die Erlebnisqualität vor allem der historischen Stadtviertel denkt. Da der Fußgänger das bestimmende Maß für die Entwicklung dieser Stadtteile war, folgt als logischer Schluss, dass Fußgängerverkehr und städtische Qualität offensichtlich in einem engen Zusammenhang stehen. Der Ruf nach “durchlässigen Räumen” und unbeschränkter Erreichbarkeit hat zu einer Verkehrswachstumsspirale und damit zwangsläufig in eine Sackgasse geführt (Sachs 1984). Soll ein weiteres Anwachsen des Verkehrsaufwandes vermieden werden, ist es geboten, das Geschwindigkeitsniveau in Städten zu begrenzen, die dadurch ausgelöste Förderung kleinteiliger, fußläufig erreichbarer Strukturen zu ermöglichen und die Chancengleichheit im Straßenraum durch eine entsprechende Parkraumorganisation herzustellen.
Da der Mensch nicht nur sein Auto liebt, sondern gerade auch Lebensräume, die durch den Fußgänger geprägt wurden, darf man im Rückschritt durchaus auch einen Fortschritt sehen – nicht nur im Urlaub (Schopf 1998).
Literaturverzeichnis
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