Die Sache mit dem Öl

Grosse Pläne und wirtschaftliche Fakten

Der Bush-Administration geht es im Krieg gegen den Irak angeblich nur
um hehre Ziele wie die Befreiung der Iraker vom Regime Saddam
Husseins und die Einführung der Demokratie. Ihre Kritiker
behaupten, in Wahrheit seien die USA nur auf das irakische Öl und
auf niedrige Ölpreise aus. Doch die Sache ist komplizierter. In
Washington weiß man, dass die Instandsetzung der irakischen
Förderanlagen sehr teuer wird. Und dass der niedrige Ölpreis, von
dem die Wirtschaftspolitiker träumen, die kleinen US-Ölfirmen
ruinieren würde.

Die Bush-Administration hat eine Menge hehre Gründe parat, die den
Krieg gegen den Irak rechtfertigen sollen. Sie will dem Regime die
vermuteten Massenvernichtungswaffen abnehmen – warum aber kümmert
sie sich dann nicht um Nordkorea? Sie will angeblich den Terrorismus
bekämpfen – dabei wird der Irak noch nicht mal vom
US-Außenministerium auf der Liste der Hauptübeltäter geführt.
Sie will die Nachbarstaaten des Irak vor militärischer Bedrohung
schützen und ist angeblich sogar an der Befreiung der irakischen
Frauen interessiert. Tatsache ist jedoch, dass Washington Saddams
letzten Einmarsch in den Iran lauthals bejubelt hat und dass im
irakischen Parlament wie in der Armee Frauen stärker vertreten sind
als in den Vereinigten Staaten. All diese Schutzbehauptungen der
US-Regierung sind leicht zu durchschauen, weshalb man vermuten muss,
dass sie sehr viel konkretere Interessen im Auge hat.

Der derzeit weit verbreitete Slogan “Kein Krieg für Öl”, kommt
der Realität weit näher als die Propaganda, die Washington in
Richtung Europa und Naher Osten sendet. Die Bush-Administration ist
am Irak interessiert, weil dieses Land mitten in einer Region liegt,
die über zwei Drittel der globalen Erdölreserven verfügt. (Das
dürfte übrigens erklären, warum sich die Vereinigten Staaten
nie in ähnlicher Weise um Pakistan gekümmert haben – eine
instabile Diktatur, die Atomwaffen besitzt und in der es von
Terroristen nur so wimmelt.) Bagdad ist durch seine geografische Lage
also dazu prädestiniert, sowohl die Preise wie die angebotene Menge
auf dem Ölmarkt zu diktieren. Und Erdöl ist bekanntlich der
wichtigste strategische Rohstoff, der die Weltwirtschaft wie die
Militärmaschinerie der Vereinigten Staaten in Gang hält. Dennoch
verleitet der Slogan “Kein Krieg für Öl” viele Menschen zu einem
allzu simplen Bild der Realität. Sie glauben, die Regierung in
Washington wolle den Interessen der großen US-amerikanischen
Ölkonzerne dadurch dienen, dass sie sich einen Großteil der
irakischen Ölreserven unter den Nagel reißt. Die Realität
jedoch ist weitaus komplexer – wenn auch keineswegs von
altruistischen Motiven geprägt.

Es ist allgemein bekannt, dass die Bush-Administration enge
Verbindungen zur Ölindustrie pflegt. Weniger bekannt ist, dass sich
die Beziehungen von Bush jun. und seinen Beratern lediglich auf ein
ziemlich marginales Untersegment der Branche beschränken. Es ist
also nicht vielen Leuten bewusst, dass der Präsident und sein Team
sich mit dem Öl und der Ölwirtschaft insgesamt gar nicht
besonders gut auskennen. Und dass die US-Administration gerade erst
im Begriff ist, die elementarsten Fakten über Iraks potenzielle
Rolle im internationalen Ölgeschäft zu erfassen, obwohl sie sich
bereits seit Monaten mit militärischen und politischen Szenarien
für den Irak beschäftigt.

Die Personen innerhalb der Bush-Administration, die die klarste
Vorstellung von der Rolle des irakischen Öls haben, sind zugleich
diejenigen, die den Krieg vorangetrieben haben: Paul Wolfowitz,
Douglas Feith, Lewis Libby und ihr neokonservativer Klüngel. Zu
ihrem groß angelegten Plan, einen “befreiten” Irak als Basis für
die Verbreitung von Demokratie und Kapitalismus im Nahen Osten zu
nutzen, gehört, dass sie Bagdad dazu bringen wollen, neue
Ölquellen zu erschließen, die Produktionskapazitäten rasch zu
erhöhen und den internationalen Markt so schnell wie möglich mit
irakischem Öl zu überschwemmen. Sie wissen, dass damit der Preis
für ein Barrel auf 15 Dollar oder weniger absacken würde. Sie
hoffen aber, dass ein solcher Preissturz das Wirtschaftswachstum in
den USA und im Westen insgesamt ankurbeln sowie die Opec und die
Wirtschaft der “Schurkenstaaten” (Iran, Syrien, Libyen) zerstören
würde, was darüber hinaus die Chance für einen “Regimewechsel”
und eine Demokratisierung in diesen Ländern eröffnen könnte.

Auf den ersten Blick nimmt sich dieser Plan ganz plausibel aus. Die
nachgewiesenen Ölreserven des Irak belaufen sich auf immerhin 112
Milliarden Barrel. Und da viele Analysten davon ausgehen, dass die
geschätzte Fördermenge durch neuartige Technologien noch zu
verdoppeln wäre, könnten die irakischen Reserven tatsächlich
bald an die von Saudi-Arabien heranreichen. Aber natürlich ist es
nicht das Gesamtvolumen der saudischen Reserven, sondern die
Produktionskapazität von mehr als 10 MBD (Millionen Barrel pro
Tag), die das Land zum “Swing-Producer” macht, der durch Anpassung
seiner Förderleistung die Opec-Preise maßgeblich mitbestimmen
kann. Demgegenüber liegt die gegenwärtige Kapazität des Irak
gerade mal bei 2,5 MBD. Und auch vor dem Golfkrieg von 1991, der
zusammen mit dem nachfolgenden Embargo die irakischen
Ölförderanlagen zerstörte, produzierte das Land nie mehr als
3,8 MBD. Doch die Neokonservativen glauben, dass Bagdad seine
Kapazitäten innerhalb von drei Jahren um weitere 2 MBD erhöhen
könnte, um sie bis 2010 womöglich gar auf 6 MBD zu steigern. Das
versprechen sie sich insbesondere für den Fall, dass der Irak seine
Ölfelder privatisiert und den multinationalen Konzernen
überlässt, die über die Technologien und das Kapital
verfügen, das für eine rasche Erweiterung der Produktion
vonnöten ist. Doch als die Neokonservativen ihren Plan im Herbst
2002 vorstellten, gab es aus einigen Ecken erheblichen Widerstand.
Ihr Vorhaben stellte nicht nur eine Gefahr für die
“Schurkenstaaten” dar, sondern auch für viele befreundete Länder
wie etwa Mexiko, Kanada, Norwegen, Indonesien, Russland, Kuwait und
Saudi-Arabien. Saudische Repräsentanten stellten klar, dass sie die
Opec verteidigen würden: zur Not durch die Erhöhung der eigenen
Produktion bis zu einem Punkt, an dem nur noch wenige Firmen einen
Anreiz sehen, ihr Kapital in die Erschließung weiterer irakischer
Ölvorkommen zu stecken. Ironischerweise opponierten gegen die
Privatisierung des Ölsektors selbst die irakischen
Oppositionsgruppen im Exil, darunter auch viele Verbündete der
Neokonservativen im irakischen Nationalkongress. Wie alle Iraker
begreifen auch sie, ganz unabhängig von ihrer politischen
Orientierung, dass das Öl ihre einzige stubstanzielle Ressource ist
und deshalb unbedingt unter nationaler Kontrolle verbleiben sollte.

Erstaunlicherweise kamen Vorbehalte gegen den Plan der
Neokonservativen auch von der Familie Bush. Deren Erfahrungen mit der
Ölindustrie waren nicht immer glücklich (die Ölfirma von Bush
jun., Arbusto Oil, ging Pleite), hinterließen dem Präsidenten
aber ein ganzes Netz persönlicher Kontakte zu den unabhängigen
Ölfirmen. Zu ihnen gehörten auch dutzende kleiner Unternehmen,
während zu den Multis keine nennenswerten Verbindungen bestanden.
Viele dieser kleineren Firmen sind in Texas beheimatet und verdienen
ihr Geld mit dem Öl, das sie auf amerikanischem Boden oder in der
vorgelagerten Schelfzone fördern. Gemeinsam ist allen diesen
Firmen, dass ihr Überleben von stabil hohen Ölpreisen abhängt.
Die Kosten für die Förderung eines Barrels in Saudi-Arabien
mögen bei 1,50 Dollar liegen, die Gestehungskosten eines Barrels im
Golf von Mexiko liegen dagegen bei 13 Dollar oder mehr. Das Letzte,
was die unabhängigen Firmen wollen, ist ein globaler Sturz der
Ölpreise. Und das Verschwinden der kleinen Firmen, so das Argument
der superpatriotischen Lobbyisten aus Washington, würde die
Vereinigten Staaten zu sehr vom Import ausländischen Öls
abhängig machen.

Die multinationalen Ölfirmen – Giganten wie Exxon Mobil, British
Petroleum, Shell, TotalFinaElf und Chevron-Texaco – haben
verschiedene Bezugsquellen, müssen sich also vor einem Sturz der
Ölpreise nicht übermäßig fürchten. Doch die
Bush-Administration nimmt die Argumente dieser Unternehmen nicht
wirklich ernst (von denen die meisten ja nicht einmal US-amerikanisch
sind). Als George W. Bush gewählt wurde, drängten die Multis mit
Macht auf eine Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran und Libyen und
einiger anderer Embargo-Beschlüsse, die einer expansiven
Unternehmensstrategie in Richtung Nahostregion im Wege standen. Die
Bush-Regierung wies diese Forderungen zurück. Stattdessen legte
Vizepräsident Cheney am 17. Mai 2001 seinen Bericht zur
US-Energiepolitik vor (“National Energy Policy” erarbeitet von der
National Energy Policy Development Group), der die zentrale Forderung
enthält, neue Gebiete in den USA für die Exploration neuer
Energiequellen freizugeben. Diese Politik läuft vor allem auf die
Lizenz für Ölbohrungen in einem Nationalpark in Alaska hinaus.
Entsprechend begeistert reagierten die unabhängigen Ölfirmen,
während sich die multinationalen Konzerne schlecht bedient
fühlten. Denn sie befürchteten durch die Zerstörung der
Nationalparkgeländes einen Imageschaden, der die Gewinne aus den
bescheidenen Ölvorkommen deutlich übersteigen würde. In den
meisten großen Ölfeldern der Nahostregion wie dem von Madschun im
Irak lagern mindestens 10 Milliarden Barrel, wohingegen die
erschließbare Fördermenge im gesamten Naturschutzgebiet des
Arctic National Wildlife Refuge (ANWR) nach Schätzungen des Oil &
Gas Journal nur bei 2,6 Milliarden Barrel liegt.

Der Todesstoß für den Plan der Neokonservativen kam allerdings
nicht von einer konkurrierenden Gruppe, sondern war das Resultat
knallharter wirtschaftlicher Fakten. Im Januar 2003 gründete das
Pentagon unter der Leitung des Neokonservativen Douglas Feith eine
eigene “Planungsgruppe”, die unter anderem der Frage nachging, was
nach der “Befreiung” des Irak mit den Ölreserven geschehen solle.
Diese Gruppe hat innerhalb eines Monats so viel über die
Geheimnisse der Ölbranche herausgefunden, dass sie die
ursprünglichen Pläne der Neokonservativen erschrocken fallen
ließ.

Rechnungen ohne den Wirt

Anfangs hatte man im Pentagon (und im Weißen Haus) noch angenommen,
dass die Kriegskosten durch die Einnahmen aus den irakischen
Ölquellen zu decken wären: Sollte irgendwann das Geld ausgehen,
brauchte man nur die Hähne der Pipelines aufzudrehen. Doch als sie
die Sache genauer durchrechneten, machten sie einige höchst
unangenehme Entdeckungen.

Zum einen wird die Ausweitung der irakischen Ölförderung nicht
nur ein zeitaufwendiges, sondern auch ein sehr kostspieliges
Unterfangen werden. So würde es allein über eine Milliarde Dollar
kosten, die bestehenden Förderanlagen zu erhalten, also die vom
Ausfall bedrohten Ölpumpen und Pipelines instand zu setzen. Denn
die sind gegenwärtig in einem Zustand, der den Ressourcen des
Landes langfristig erheblichen Schaden zufügt. Das wird, auch wenn
Hussein diese Anlagen nicht schon zuvor im Rahmen einer “Verbrannte
Erde”-Strategie zerstören sollte, eine teure Angelegenheit. Zum
anderen wird eine Erhöhung der Ölproduktion auf ihr früheres
Niveau von 3,5 MBD mindestens drei Jahre dauern und Investionen von 8
Milliarden Dollar erfordern; weitere 20 Milliarden Dollar sind für
die Reparatur der bereits beschädigten Stromnetze des Landes
aufzuwenden (sie liefern den Strom für Pumpen und Raffinerien).
Zusätzliche 30 Milliarden Dollar würde es kosten, die Produktion
auf 6 MBD zu erhöhen.

Dies sind keine kleinen Summen für ein Land, das mit seinen
Ölexporten gerade einmal 15 Milliarden Dollar pro Jahr einnimmt.
Und doch erfassen die Zahlen nur einen Bruchteil der Kosten, die man
in Washington durch den Export irakischen Öls abzudecken hofft.
Niemand weiß, was die Invasion im Irak das Pentagon am Ende kosten
wird. Erste Schätzungen der Bush-Administration selbst liegen
bereits bei 100 Milliarden Dollar, und dabei wird es vermutlich nicht
bleiben. Das Congressional Budget Office, ein Beratergremium des
Kongresses, schätzt die Kosten für eine permanente Stationierung
US-amerikanischer Truppen im Irak auf 12 bis 45 Milliarden Dollar pro
Jahr. Iraks offene Auslandsschulden, die sich auf insgesamt 110
Milliarden Dollar belaufen, müssten mit 5 bis 12 Milliarden Dollar
jährlich bedient werden. Als US-Beamte diese Zahlen herausfanden,
forderten sie unverzüglich, dass man dem Irak nach Kriegsende seine
Schulden erlassen müsse, die er hauptsächlich bei anderen
arabischen Staaten sowie bei Russland und Frankreich hat. Die
Entschädigungssummen, die der Irak für die Invasion in Kuwait
bezahlen soll, belaufen sich auf insgesamt 300 Milliarden Dollar,
wobei die zuständige UN-Behörde davon ausgeht, dass Bagdad im
Endeffekt nicht mehr als 40 Milliarden Dollar zahlen muss (auch diese
Schätzung beruht zum Teil auf der Tatsache, dass die USA bemüht
sind, Kuwait von seinem Entschädigungsanspruch abzubringen).
Letztlich weiß niemand, wie viele Iraker zu Flüchtlingen werden
und wie viel humanitäre Hilfe nach dem Krieg vonnöten sein wird.
Doch schon vor Beginn des Krieges importierte der Irak Nahrung und
Medikamente im Wert von 14,5 Milliarden Dollar pro Jahr.

Selbst im günstigsten Szenario übersteigen die Gesamtkosten also
die irakische Zahlungsfähigkeit. Washington wird die Rechnung für
den Krieg zum Großteil allein übernehmen müssen. Hinzu kommen
noch die Zahlungen an die Länder, die für ihre Kooperation eine
Entschädigung fordern werden. Die USA werden natürlich versuchen,
die verbleibenden Kosten ihren Verbündetenaufzubürden. Würden
sie den Ölpreis drücken, würde dieses Vorhaben allerdings noch
viel schwieriger werden.

Deshalb haben die Neokonservativen und die irakische Opposition den
Beschluss gefasst, von einer Zerschlagung der Opec abzusehen.
Unterstützt wird diese Entscheidung durch einen ganzen Chor von
Ölpreisfalken aus dem Lager der “unabhängigen” Kleinproduzenten
und von Pentagon-Planern, die konsterniert auf die steigenden
Kostenberechnungen starren. In Washington hat man also begonnen, nach
Mitteln und Wegen zu suchen, um die künftigen Öleinnahmen des
Irak zu maximieren.

Der erste Schritt bestand in der stillschweigenden Vereinbarung, die
Technokraten des heutigen irakischen Ölministeriums im Amt zu
lassen – statt das Ministerium zu “ent-baathisieren” – und ihnen
möglichst viele Entscheidungen zu überlassen. Sowohl die
Ingenieure, die für die laufende Ölproduktion zuständig sind,
als auch die Verhandlungsführer, die mit den Ölmultis über neue
Lieferverträge feilschen, werden also die Iraker sein, die über
die größten Erfahrungen und die meisten Informationen verfügen
– und nicht irgendwelche Pentagon-Beamten, die ohnehin nicht gerade
für ihr Verhandlungsgeschick berühmt sind. Damit steht aber auch
fest, dass das irakische Öl nicht privatisiert wird. Stattdessen
werden irakische Technokraten sich bemühen, die Einnahmen des
Landes mit ähnlichen Mitteln zu maximieren, wie es ihre
Amtskollegen in Saudi-Arabien und Kuwait tun: indem sie
ausländischen Firmen nur strikt begrenzte Förderanteile
zubilligen, die gerade so viel Gewinn abwerfen, dass ihre
Investitionsbereitschaft nicht versiegt.

Die Iraker und ihre US-amerikanischen Statthalter werden die
Konkurrenz zwischen den ausländischen Ölfirmen bewusst anheizen,
um möglichst günstige Konditionen zu erzielen. Washington hat
bereits angedeutet, dass es sich an Staaten, die den Krieg gegen den
Irak nicht unterstützt haben, rächen könnte, indem ihnen nach
Kriegsende der Zugang zu irakischem Öl verwehrt würde. Vor allem
Russland und Frankreich sollen das zu spüren bekommen. Dies ist
jedoch eine zunehmend leere Drohung. Die Russen haben bereits die
größte Einzelinvestition in der irakischen Ölbranche
getätigt, gerade weil sie risikobereiter sind als westliche Firmen.
Ihr Kapital und ihr Engagement könnten entscheidend dazu beitragen,
die Rentabilität des irakischen Öls zu erhöhen. TotalFina hat
insgesamt mehr investiert als die Russen und ist zudem
außerordentlich gut positioniert, um seine irakische Fördermenge
zu erhöhen. Auch Shell ist ernsthaft im Irak engagiert, und British
Petroleum, das bis zur Revolution von 1958 das ganze Land dominiert
hat, zeigt sich ebenfalls interessiert. Angesichts all dessen wird
Washington wohl zu dem Schluss kommen, dass die Entscheidung, die
Aufträge für die irakische Goldader möglichst offen
auszuschreiben, nicht nur die Einnahmen maximiert, sondern auch den
Vorwurf entschärft, die USA seien im Alleingang auf territoriale
Eroberungen aus.

Dies bedeutet nicht, dass die US-Ölfirmen überhaupt keine Rolle
im Irak spielen werden. Sollte die politische Situation sich schnell
stabilisieren (was äußerst fraglich ist), werden sich auch
Exxon-Mobile und Chevron-Texaco um Förderlizenzen bemühen, und
selbst kleinere Firmen wie Conoco könnten die Möglichkeit sehen,
sich im Rahmen eines internationalen Konsortiums zu engagieren und
auf diesem Weg das Risiko gering zu halten. Der einzige Bereich, den
die Vereinigten Staaten dann noch dominieren, wird der Markt für
Ölserviceleistungen sein. Hier haben sich US-amerikanische Konzerne
wie Halliburton (dem einst Dick Cheney vorstand) und Schlumberger
bereits die globale Vorherrschaft gesichert – und zwar aus rein
wirtschaftlichen Gründen. Doch US-amerikanische Firmen werden das
irakische Öl bestimmt nicht monopolisieren. Es wäre sogar schon
eine Überraschung, wenn sie am Ende mehr als die Hälfte der
irakischen Produktion kontrollieren sollten.

Es gibt eine Menge Dinge, die man den Ölmultis – ob
US-amerikanischen oder anderen – zu Recht vorwerfen kann. Ihre
Verfehlungen reichen von der Zerstörung des Nigerdeltas bis zur
Unterstützung des staatlichen Terrorismus in Indonesien. Doch im
Fall des Irakkriegs waren sie nicht die treibende Kraft. Die
Bush-Administration hat ihren Feldzug gegen Bagdad ohne Mitwirkung
der Ölindustrie geplant – und ohne die geringsten Grundkenntnisse
der Ölwirtschaft. In den Irakplänen Washingtons spielte das Öl
vor allem als strategischer und weniger als ökonomischer Faktor
eine Rolle. Beim Krieg gegen Saddam Hussein geht es darum, die
US-amerikanische Hegemonie zu wahren – und nicht etwa darum, Exxon
noch höhere Profite zu verschaffen.

Published 23 April 2003
Original in English
Translated by Elisabeth Wellershaus

Contributed by Le Monde diplomatique © Le Monde diplomatique Eurozine

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