Die Entstehung der modernen Ukraine - die westliche Dimension

In den kommenden Jahren werden sich die politischen Beobachter mit Sicherheit der Frage widmen (und über sie streiten), welcher Stellenwert der “Orangen Revolution” für die postkommunistische Politik und Gesellschaft der Ukraine – und weit über sie hinaus – zukommt. Geleitet von ihrer jeweiligen Sicht auf “2004”, werden die Historiker die Geschichte der Ukraine neu interpretieren und schreiben. Damit bleiben sie einer bewährten akademischen Tradition treu: “1917” hat, wie man weiß, ganze Gelehrtengenerationen in Russland und im Westen dazu animiert, in der russischen Geschichte des 19. Jahrhunderts nach den Ursprüngen der bolschewistischen Revolution zu suchen – und sie zu finden.

Unter dem Titel “The Making of Modern Ukraine: The Western Dimension” erschien der vorliegende Artikel erstmals im März 2004 in einer längeren Fassung.1 Er kann also noch kein Versuch sein, die ukrainische Geschichte im Licht der Orangen Revolution zu schreiben. Dennoch stellt er, als historischer Kommentar, einen Beitrag zur heutigen politischen Diskussion über die künftigen Beziehungen der Ukraine zu Europa und Russland dar.

Ich vertrete die These, dass die Revolution von 1848 in der Geschichte der Ukraine ein entscheidendes Ereignis war, zum einen weil diese Geschichte sich damals mit der anderer Nationen Mittel- und Osteuropas – der deutschen, italienischen, tschechischen, ungarischen und polnischen – kreuzte, zum andern weil in jenem historischen Augenblick die traditionellen Großreiche erstmals mit den Herausforderungen des Nationalismus konfrontiert wurden. In einem zweiten Schritt stelle ich die Geschichte der Ukraine in einen breiteren zeitlichen und geographischen Rahmen, denn die ukrainische Nationalidee wurde bereits vor 1848 formuliert, und zwar nicht in Österreich, sondern im Russischen Reich. Mit ihrer Entscheidung, Ukrainer zu werden, schlossen sich die griechisch-katholischen “Ruthenen” Österreichs einem Volk an, das in seiner Mehrheit unter dem Zaren lebte und der orthodoxen Kirche angehörte. Die moderne Ukraine konnte also nur unter der Voraussetzung entstehen, dass eine tiefe religiöse Spaltung überwunden wurde – ein aus der Geschichte anderer Nationen, zumal Deutschlands, vertrautes Problem.

Den Zusammenhang der Ukraine mit der deutschen Geschichte stiftete die Habsburger Monarchie; entscheidend für die Geburt der modernen Ukraine wurde indes die Konfrontation mit Polen einerseits und Russland andererseits. Erst seit 1945, nach jahrhundertelangen Konflikten mit den Ukrainern, unterstützt Polen deren nationale Bestrebungen. Was die Verbindung mit Russland betrifft, so lässt der Artikel offen, welche politischen Pläne und Intentionen Russland nach 1991 gegenüber der Ukraine verfolgt. Er weist nur darauf hin, dass Russland noch nicht endgültig entschieden hat, ob es lieber sein Imperium wiederherstellen oder ein Nationalstaat werden soll und ob es seine Zukunft eher als europäische oder als außereuropäische Macht sieht.

Vor mehr als fünf Jahrzehnten, im Februar 1948, hielt der britische Historiker Lewis Namier einen Vortrag zum hundertsten Jahrestag der europäischen Revolution von 1848.2 Dieser Vortrag ist seither wiederholt erschienen, und zwar unter dem Titel “1848: Seed-plot of History” (1848 – Matrix der Geschichte).3

Das Jahr 1848 wählte Namier mit gutem Grund als Ausgangspunkt. Damals fanden erstmals europaweit Revolutionen statt: Ihr Zentrum lag in Frankreich, aber es gab andere in Palermo, Neapel, Wien, Berlin, Buda und Posen, um nur einige zu nennen. Zugleich war es das Jahr nationalistischer Revolutionen in Mitteleuropa, und überdies erschien das Kommunistische Manifest, in dem prophezeit wurde, eine internationale proletarische Revolution werde Kapitalismus, Staat, Nationen und Nationalismus endgültig abschaffen.

Eine zentrale These in Namiers Vortrag war, dass in dem auf die Revolutionen folgenden Jahrhundert “jeder Gedanke, den die Völker der Habsburger Monarchie 1848 auf die Tagesordnung gesetzt hatten, irgendwann in irgendeiner Form verwirklicht wurde”. Namier kommt zu dem Schluss: “1848 bleibt eine Matrix der Geschichte. Es kristallisierte Ideen aus und projizierte das Muster für alles, was später kam; es legte den Kurs eines ganzen Jahrhunderts fest. Es machte Pläne, und sie wurden verwirklicht; aber non vi si pensa quanto sangue costa [niemand macht sich eine Vorstellung davon, wie viel Blut das kostet (Dante, Paradiso, XXIX)].”

Namier war überzeugt, dass das entscheidende nationale Problem Mittel- und Osteuropas in der Lösung der deutschen Frage – der Frage: “Was ist Deutschland?” – bestand und hundert Jahre lang bestehen würde; dass von 1848 an über den Ersten bis zum Zweiten Weltkrieg die Geschichte Deutschlands bestimmend für die Geschichte der gesamten Region gewesen sei. Die anderen Länder, denen er sich widmete (Ungarn, Italien, Polen, Jugoslawien und die Ukraine), waren direkt verbunden mit der Geschichte, die er von Deutschland erzählte. Als eine jener Nationalitäten der Habsburger Monarchie, die 1848 ihr Programm vorgelegt hatten, gehörten auch die Ruthenen oder Ukrainer in das von Namier skizzierte Schema. Die Westukraine (Galizien und Bukowina) war der östlichste Punkt, bis zu dem die europäischen Revolutionen von 1848/49 vordringen konnten, und für die Geschichte der modernen Ukraine war 1848 ein Wendepunkt.

Namiers “germanozentrisches” Schema erleichtert es uns, den größeren Schauplatz, auf dem die Geschichte der Ukraine im 19. und frühen 20. Jahrhundert gemacht wurde, in den Blick zu nehmen. Unser Augenmerk wird damit auf einen Konflikt – marxistisch gesprochen: einen “dialektischen Widerspruch” – gelenkt, der sich mitten im Herzen der Habsburger Monarchie herausbildete und verschärfte: den Konflikt nämlich zwischen der Dynastie mit den ihr eigenen Grundsätzen einerseits und dem deutschen Nationalismus, der deutschen nationalen Frage andererseits. Dieses Spannungsverhältnis zwischen “Reich” und “Deutschland” hatte erheblichen Einfluss auf die Behandlung anderer Nationalitäten, auch der Ukrainer, durch die Reichsregierung. Die deutsche Geschichte auf diese Weise in die Darstellung der ukrainischen einzubringen, erlaubt es, die verbreitete Ansicht zu korrigieren, die ukrainische Nationssbildung habe verzögert oder verspätet stattgefunden, während die deutsche der übrigen Entwicklung voraus gewesen sei. Ein genauerer Blick auf Namiers Version der deutschen Geschichte weckt Zweifel daran, ob eine solche Unterscheidung überhaupt angebracht ist.

Um zu verstehen, was Namier über das im Jahr 1848 Geschehene erzählt, müssen wir ein halbes Jahrhundert weiter zurückgehen, bis zu jener Epoche, in der der Boden für die späteren Entwicklungen bereitet wurde. Ende des 18. Jahrhunderts fanden zwei Ereignisse statt, die den Kurs der ukrainischen Geschichte für die nächsten 150 Jahre festlegten. Das erste war die Abschaffung eines autonomen ukrainischen Herrschaftsgebildes (des sogenannten Hetmanats) innerhalb des Russischen Reiches, die in dieselbe Zeit fiel wie der dortige Beginn einer kulturellen und literarischen Erneuerung der Ukraine. Das zweite waren die polnischen Teilungen zwischen 1772 und 1795. Bei der ersten Teilung von 1772 nahm sich Österreich Galizien, ein Gebiet, wo im Westen Polnisch und im Osten Ukrainisch gesprochen wurde. Preußen eignete sich das polnische Pommern und Russland den größten Teil des heutigen Weißrussland an. Bei den Teilungen von 1793 und 1795 nahm sich Russland die Ukraine westlich des Dnjepr, Litauen und den Rest von Weißrussland, während Preußen und Österreich das übrig gebliebene polnische Kernland untereinander aufteilten (Warschau ging an Preußen, Krakau an Österreich). Die ehemals polnischen Gebiete, die nun zu Russland gehörten, bildeten den Schauplatz, auf dem in der Folge die ukrainische Nationalbewegung mit der polnischen wie auch der russischen Macht koexistieren und wetteifern musste.4

Die geschichtliche Matrix, kurz gefasst

Die Hauptrolle in Namiers Schema spielt Deutschland. Namier zufolge wurden während der Revolutionen von 1848 vier Deutschland-Modelle vorgeschlagen und alle zwischen 1848 und 1945 früher oder später verwirklicht. Auf die Niederlage Habsburgs in den Jahren 1848/49 folgten nacheinander: 1. das Großösterreich von 1850; 2. ein neues Großpreußen im Jahr 1866, nach dem preußisch-österreichischen Krieg (1866 wurde Deutschland geteilt); 3. das Kleindeutschland von 1870/71; und schließlich 4. das von Adolf Hitler 1938/39 geschaffene Großdeutschland, das auch Österreich und einen Teil der Tschechoslowakei umfasste und einer der radikalen Ideen der 48er-Revolution (sowie dem von Karl Marx favorisierten Bild des deutschen Staates) entsprach.

Namier zufolge haben auch andere Nationalitäten im Habsburger Reich ihre Vorstellungen im Jahrhundert nach 1848 realisiert. Die Ungarn erreichten ihr damals anvisiertes Ziel 1867 mit dem sogenannten Ausgleich, der das Habsburger Reich in die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn verwandelte. Dieses Abkommen war zugleich eine Niederlage für die Völker “im historischen Abseits”, denen das Großösterreich von 1850 etwas Besseres in Aussicht gestellt hatte. Auch den Italienern wurden 1866/67 einige ihrer Forderungen erfüllt: Wien musste die meisten seiner italienischen Besitzungen an das neue Königreich Italien abtreten. Und selbst die Polen verbuchten Gewinne: 1868 wurde Galizien autonom, und der dort ansässige polnische Adel errang, wenn auch im Rahmen einer konstitutionellen Regierungsform, die Herrschaft über das Gebiet.

“1918/19”, so Namier, “war die Zeit für die unterworfenen Völkerschaften der beiden Reichsteile, des deutschen und des ungarischen, gekommen.” Tschechen und Slowenen wurden unabhängig von den Deutschen; und das Ausscheiden der Kroaten, Slowaken, Rumänen und Serben ließ das Großungarn von 1867 erheblich schrumpfen. Ich ergänze Namiers Darstellung mit dem Hinweis, dass die ungarischen Ukrainer zu Bürgern der Tschechoslowakei wurden und dass Prag 20 Jahre später, nach der Sudetenkrise von 1938, seine “ruthenische” Provinz, die sich von da an “Karpato-Ukraine” nannte, in die Unabhängigkeit entließ. Die Ereignisse von 1938/39 (als Ungarn mit Hitlers Zustimmung dieses Gebiet annektierte) zeigen anschaulich, wie sehr Namiers deutsches Szenario und die ukrainische Geschichte in ihrer Entwicklung zusammenhängen.

Die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg waren auch eine entscheidende Zeit für die Polen: Ebenso wie die Italiener erreichten sie sämtliche Ziele, die sie sich unter den Habsburgern gesetzt hatten. Von 1918 bis 1921 konnten sie ihre Machtstellung festigen, als sie den ruthenischen Teil Galiziens besetzten und ganz Galizien zum polnischen Gebiet erklärten. Den Italienern gelang dasselbe bei den Jugoslawen, das heißt den Slowenen und Kroaten. (Namier schreibt Jugoslawen, weil im Jahr 1948 an der Fortexistenz Jugoslawiens kein Zweifel bestand.)

Der letzte Akt des Dramas von 1848 fällt Namier zufolge in die Jahre 1939-45; damals “setzten die Ruthenen ihr Programm von 1848 gegenüber den Polen und die Jugoslawen das ihre in der italienischen Einflusssphäre endgültig durch”. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnten die Ruthenen sich von den polnischen Fesseln befreien – und erfüllten damit das Vermächtnis von 1848 und 1918/19. Namier macht sich keine näheren Gedanken darüber, was die Worte “die Zeit war gekommen” für die Ruthenen wirklich bedeuteten. Denn mit dem Jahr 1945 endete zwar die polnische Herrschaft über die Ukrainer, aber es kam nicht zur nationalen Unabhängigkeit (ihr Programm von 1848 wurde also 1945 nicht in die Tat umgesetzt).

Namiers Darstellung der Geschichte geht bis zum Jahr 1948; hier soll nun bis 1991 weiter erzählt werden, und zwar in einem größeren geographischen Rahmen. Wer die Geschichte der Ukraine schreiben will, findet für die Beantwortung der Frage, wie dieses Land mit Europa bzw. dem Westen zusammenhängt, in Namiers Vortrag einen präzisen Ausgangspunkt. Nicht nur 1914-18, sondern auch nach 1939 waren die Deutschen am Geschehen in der Ukraine beteiligt; und 1991, nur ein Jahr nach der deutschen Wiedervereinigung, konnte die Ukraine endlich ihre Unabhängigkeit erringen.

Deutscher Nationalismus und Habsburger Reich

Im Jahr 1797 stellten Johann Wolfgang Goethe und Friedrich Schiller die berühmte Frage: “Deutschland? aber wo liegt es? Ich weiß das Land nicht zu finden.” Ohne eine Antwort zu geben, erklärten sie, was die Ursache für ihr Problem war: “Wo das gelehrte beginnt, hört das politische auf.”5

Fünfzig Jahre später, 1848, waren die Deutschen noch immer uneins über die Frage, was Deutschland eigentlich sei. Das damalige Programm der deutschen Nationalisten bestand in der Schaffung eines geeinten deutschen Nationalstaates, der alle deutschen Monarchien und Fürstentümer umfassen sollte. Das 1850 entstandene “Großösterreich” war in allen deutschen Bundesstaaten politisch dominierend; aber es umfasste ein Land wie Ungarn, und das hinzunehmen waren die deutschen Nationalisten nicht bereit. Die Auflistung der verschiedenen Deutschland-Modelle bei Namier erinnert daran, dass die deutsche Nation, die in manchen traditionellen Studien als “historischer” und folglich klar definierter Akteur bezeichnet wird, am Übergang zum Zeitalter des Nationalismus komplizierte Prozesse der Bildung, Neubildung und Auflösung durchlaufen musste. Der neue Gedanke eines einheitlichen, geeinten deutschen Nationalstaates war revolutionär: Er erforderte die Zerschlagung historischer Mächte wie Preußen, Bayern, Sachsen sowie Dutzender anderer Staaten und bildete einen Angriff auf die Integrität der innerhalb des Heiligen Römischen Reiches gelegenen Erblande des Hauses Habsburg.

Es ist klar, warum die polnischen Teilungen ebenso viel Einfluss auf die Geschichte Polens wie auf die der Ukraine und Deutschlands hatten. Sie gaben Preußen und Österreich eine neue Gestalt und trugen mit der Eingliederung großer polnischer Bevölkerungsgruppen und Gebiete dazu bei, beide Staaten zu “entgermanisieren”. Die polnische Frage wurde zu einem Problem der preußischen Innenpolitik, und mit der Aufnahme polnischer Gebiete in die Habsburger Monarchie verlagerte sich das Zentrum der Wiener Aufmerksamkeit in die slawische Welt hinein. Nach 1815 war Österreich also weniger deutsch als vor 1772. Das Gewicht verschob sich zu Ungunsten der Deutschen und zu Gunsten der Slawen.

Als Österreich die polnischen Gebiete (Galizien) übernahm, musste es sich mit einem polnischen Volk auseinandersetzen, das in Sachen Nationsbildung weiter war als die Deutschen. Im Vergleich mit den Entwicklungen in Polen war der deutsche Nationalismus ein weitgehend geistiges Phänomen, und zwar nicht nur zur Zeit Napoleons, sondern auch nach 1815 und bis 1848. Der polnische Nationalismus hatte zu Kriegen und Volkserhebungen geführt: 1794, 1807, 1809, 1812 und 1830. Selbst als es Polen auf der Landkarte nicht mehr gab, hätte kein einziger polnischer Dichter – geschweige denn zwei! – die Frage, wo Polen liegt, so beantwortet, wie Goethe und Schiller ihre Frage nach Deutschland beantwortet hatten. Dass die Polen den Deutschen (und Russen) bei der Nationsbildung um einiges voraus waren, hatte in der Folge erheblichen Einfluss auf die Bildung der ukrainischen Nation, denn die Polen stellten nun den Hauptteil der “westlichen Dimension” der Ukraine dar.

Nicht nur die Deutschen waren uneins und im Unklaren über die Frage, was ihr Land sei oder sein sollte. Auch andere Nationalitäten taten sich schwer mit der Definition ihrer Länder. Wien wollte – gegen die deutsche und andere ethnische Nationalitäten – ein multiethnisches “Reichsvolk” schaffen. Die Tschechen, so heißt es bei dem tschechischen Historiker Jiri Koralka, hatten es 1848 mit nicht weniger als fünf verschiedenen Nationsbegriffen zu tun: Österreichertum, Großdeutschtum, Slawismus, Bohemismus und Tschechentum. Koralka zufolge “strebte der Josephinismus die Schaffung einer österreichischen Staatsnation an, deren Hauptstütze der aufgeklärte homo austriacus in der österreichischen Staats- und Schulverwaltung, in der Armee und in der auf den Staat ausgerichteten Kirche sein sollte”. Noch um 1860 bemühte sich Wien um eine nationale österreichische Reichsidentität, die nicht nur gegen die tschechische, ungarische und polnische, sondern auch gegen die deutsche gerichtet war.6

Auch die Ruthenen (oder Westukrainer) in Galizien waren sich 1848 keineswegs im Klaren, worin eigentlich ihre Identität bestand. Seit langem schon hatten sie enge Beziehungen zu den Polen. Galizien geriet als erstes der von Ukrainern bewohnten Gebiete unter die Herrschaft der polnischen Könige und blieb es ohne Unterbrechung von der Mitte des 14. Jahrhunderts bis 1772. Nach der damaligen Teilung wurde Deutschland (als “Österreich”) in einer Epoche geistiger und politischer Umwälzung zur dritten Macht im galizischen Verbund von Polen und Ukrainern. Es zog Galizien in die Welt deutscher Probleme hinein, und die Reichsregierung wurde ihrerseits Teil des polnisch-ukrainischen Verhältnisses.

Die auf die Schaffung eines homo austriacus gerichtete Politik des Kaiserreiches war der Grund dafür, dass Österreichs Vordringen in die ukrainischen Gebiete zwar die Entstehung eines politischen Gemeinwesens ermöglichte, dass aber weder die ruthenischen Bauern noch die dortigen Anhänger der griechisch-katholischen Kirche (die Uniaten) “Ukrainer” wurden. Das erste politische Bewusstsein der Ukrainer war um den Kaiser zentriert; Thomas Masaryk bezeichnete dies Ende des 19. Jahrhunderts, in seiner Schilderung der ungebrochenen Treue der Tschechen zur Krone, ironisch als “Wienertum”. Selbst als die Untertanen der Monarchie sich bereits eine moderne nationale Identität (als Tschechen, Ukrainer, Slowenen und so fort) zugelegt hatten, hielten sie, solange die Monarchie Bestand hatte, in aller Regel an ihrer Loyalität gegenüber dem Kaiser fest.

Während der Zeit der polnischen Teilungen gelang es Österreich weder in Ungarn noch in Böhmen, seine auf Zentralisierung gerichteten, an der Aufklärung orientierten Reformen durchzusetzen; in Galizien hatte es mehr Erfolg. Auf lange Sicht haben die Polen sehr von diesen Reformen profitiert.

Manche polnischen Historiker behaupten, Wien habe nach 1772 eine “Germanisierung” Galiziens betrieben, aber das ist nicht wahr. Abgesehen davon, dass, wie bereits bemerkt, die Eingliederung Galiziens ins Reich zu einer Entgermanisierung Österreichs führte, entsprang die von den Habsburgern praktizierte Germanisierung Erfordernissen der Bürokratie und diente nicht dem Aufbau eines nationalen deutschen Staates. Zu keinem Zeitpunkt redete Wien den Ukrainern (und anderen) ein, sie seien eigentlich Deutsche. Und wie schon erwähnt, geriet auch der deutsche Nationalismus in Konflikt mit der Habsburger Monarchie, die nach dem Willen der deutschen Revolutionäre 1848 aufgelöst werden sollte. Von 1772 an wurde der ruthenische Teil Galiziens zusammen mit anderen expolnischen Regionen dem Wiener Herrschaftsbereich eingegliedert. Bis zur 48er-Revolution waren die meisten Polen – ebenso wie die politisch bewussten Ruthenen – überzeugt, die Ruthenen seien Polen. Zwar sprachen die polnischstämmigen Bauern in Westgalizien anders als die ostgalizischen Bauern, aber nationale Souveränität galt als eine Sache der Politik, nicht der Abstammung. Wer damals beschloss, Pole zu sein, war bereit, sich unabhängig von seiner ethnischen oder religiösen Herkunft das nationale Erbe Polens zu eigen zu machen. Dieses Erbe, so heißt es bei Jerzy Jedlicki, verstand man im übertragenen Sinn: “Der polnische Bauer wurde ebenso wie der polonisierte Jude, Ruthene oder Deutsche zum Erben des polnischen Adels und der gesamten Geschichte des polnisch-litauischen Doppelstaats.”7

Eine nationale ukrainische Alternative zum Polentum entstand in Galizien unter dem Einfluss der Ideen, die sich bei den im Russischen Reich ansässigen Ukrainern entwickelt hatten. Zum Markstein in der Geschichte der galizischen Ruthenen wurde das Jahr 1837, als in Buda die Verssammlung Rusalka Dnistrovaia erschien, ein schmales Bändchen mit in der Landessprache geschriebenen Volksliedern und Gedichten, dessen Inhalt zeigt, dass die Autoren sich ihre Anregungen bei den ostukrainischen Brüdern geholt hatten. Die jungen Männer, die die Texte zusammenstellten, reagierten damit auch auf die nationale Erneuerung bei den Tschechen und den Südslawen der Habsburger Monarchie. Allerdings war dies alles ein langwieriger Prozess, den wir besser begreifen, wenn wir daran denken, wie schwer sich sogar die erheblich gebildeteren Deutschen mit der Entscheidung für eine eigene politische Identität getan haben.

Die nationale Revolution der österreichischen Ukrainer im Jahr 1848 bestand in einer Erklärung, mit der sie sich von der polnischen Nation lossagten; sie war ein Bruch mit dem “Polentum”, nicht mit dem “Wienertum”. Aber selbst 1848 schwankten sie noch zwischen mehreren nationalen Alternativen. Vasyl Podolynsky publizierte 1848 ein kleines, polnisch geschriebenes Buch mit dem Titel Slowo przestrogi (Ein mahnendes Wort), in dem er bei seinen ruthenischen Landsleuten vier verbreitete nationale Orientierungen – ruthenisch/österreichisch, polnisch, russisch und ukrainisch – diagnostizierte und näher untersuchte.8 Alle, die für die ukrainische Nationalität optierten, erklärten, ihr Heimatland reiche weit über Österreich hinaus bis zum Don. Dagegen fassten selbst einige Mitglieder der Ruthenischen Hauptversammlung ihre Nationalität enger – als ein sehr viel kleineres “galizisch-ruthenisches Volk”. Zu guter Letzt wurde die Deklaration auf dringende Bitten des Ratsmitglieds Yulian Lavrivsky so umgearbeitet, dass sie die galizischen Ruthenen zum Teil einer 15-Millionen starken kleinrussischen (ukrainischen) Nation erklärte.9 Nur wer eine säkulare Vorstellung von Politik im Kopfe hatte, konnte verkünden, die griechisch-katholischen Ruthenen Galiziens gehörten einer Nation an, die in ihrer überwiegenden Mehrheit griechisch-orthodox war.

Zwischen Russen und Polen: Die Ukrainer im Russischen Reich

Da es Namier in seinem Vortrag auf die zentrale Rolle der deutschen Frage abgesehen hatte, überging er die russische Dimension in der Entstehung der ukrainischen Nation – und damit eine Dimension mit ganz eigenen Verbindungen zum Westen jenseits der “Wiener” Grenzen. Die ukrainische Kultur, die die galizischen Ruthenen aus Russland übernahmen, entstand nicht zuletzt in der Begegnung zwischen den politisch erwachenden Ostukrainern und der polnischen Kultur. Ganz Ähnliches gilt für das Verhältnis zwischen Russen und Ukrainern, das durch die direkten Beziehungen, die Russland zu Westeuropa hegte, mitgeprägt wurde. Im 18. und 19. Jahrhundert gehörte also auch Russland zur westlichen Dimension der Ukraine; und wenn wir die ruthenische Deklaration von 1848, in der die Vereinigung mit der Ukraine verkündet wurde, richtig verstehen wollen, müssen wir einen kurzen Blick auf die geistige und politische Entwicklung werfen, die Polen und Ukrainer im Rahmen der russischen Geschichte vor 1848 durchlaufen haben.

Während die galizischen Ruthenen sich erst 1848 Zutritt zum europäischen Schauplatz verschafften – und zwar über die Erfahrungen, die sie in der damaligen Revolution machten -, hatten ihre ethnischen Verwandten im Russischen Reich bereits an einer ganz anderen Art der Öffnung gegenüber Europa partizipiert; eingeleitet wurde sie während der Regierungszeit Peters des Großen (1689-1725) und fortgesetzt unter seinen Nachfolgern, insbesondere unter Katharina der Großen (1762-96). Liah Greenfeld vertritt in ihrer Nationalismus-Studie die These, die russische Nationsbildung sei direkte Folge von Russlands Öffnung gegenüber dem Westen gewesen; sie interpretiert sie daher in theoretisch-vergleichender Perspektive. Nach ihren Worten bedarf es zur Verbreitung nationalistischer Ideen (als Voraussetzung für die Bildung von Nationen), eines “übergesellschaftlichen Systems”, eines gemeinsamen sozialen Raumes.10 Angesichts der Tatsache, dass die russischen Herrscher seit dem 18. Jahrhundert versuchten, ihren Staat im europäischen Kontext zu definieren, bietet Greenfelds Begriff “gemeinsamer sozialer Raum” (besser vielleicht: “gemeinsamer geistiger oder Kulturraum”) eine Basis für die Einbeziehung Russlands in Europa. Als sich das zaristische Russland zum ersten Mal gegenüber dem Westen öffnete, war also durchaus zu erwarten, dass “Kleinrussland” zu einem integralen Bestandteil der damals neu entstehenden, um St. Petersburg zentrierten und an Europa orientierten russischen Nation werden würde. Um es mit Marc Raeff zu sagen: “Alles schien dazu beizutragen, die ukrainische Elite und ihre Kultur in die des Zarenreiches zu integrieren, was de facto zu ihrer Russifizierung führte, da die politische Kultur Russlands sich im Reich die Vorrangstellung und das Monopol gesichert hatte.”11 Weil sich damals, zur Zeit Katharinas der Großen, das Bildungssystem der Ukraine auf einer höheren Entwicklungsstufe befand, waren in den Regierungs-, Bildungs- und sonstigen Institutionen von St. Petersburg und Moskau auffallend viele gebürtige Ukrainer vertreten. Sie gehörten zu denen, die den Aufbau einer nationalen russischen Reichsidentität mit besonderer Leidenschaft betrieben – weil man auf diesem Wege Europäer werden konnte.

Doch der Verwestlichung oder Europäisierung Russlands waren Grenzen gesetzt. Die staatlich geförderte Öffnung Russlands gegenüber Europa wurde streng kontrolliert und blieb äußerst selektiv. Nicht vorgesehen war die Übernahme moderner politischer Ideen und Institutionen des Westens wie etwa der repräsentativen Regierungsform, einer unabhängigen Justiz oder der Pressefreiheit. Die Weigerung des zaristischen Staates, sich in westlicher Richtung zu entwickeln, wurde unübersehbar während der letzten Regierungsjahre Katharinas der Großen sowie unter ihren zwei unmittelbaren Nachfolgern, den Zaren Paul (1796-1801) und Alexander I. (1801-25). Letzte Zweifel in dieser Sache schwanden unter der Herrschaft von Nikolaus I. (1825-55), als Orthodoxie, Autokratie und narodnost’ zu Grundprinzipien russischer Staatssouveränität erklärt wurden. Die zaristische Ideologie und Politik verhinderten die Bildung einer “europäischen”, modernen russischen Nation.

Während Russlands “Europäisierung” also einerseits die Akkulturation und Assimilation “Kleinrusslands” an eine übergreifende imperiale Kultur und Ordnung beförderte, schufen jene Prozesse, die aus Russen Europäer – und aus “Kleinrussen” europäische Russen – machten, andererseits die Bedingungen, unter denen der moderne Gedanke einer eigenständigen ukrainischen Nation sich entwickeln konnte. Die selektive, im antiliberalen Kurs des Zarenreichs reflektierte Öffnung gegenüber Europa stieß auf besonders heftige Ablehnung in jener Region, aus der zwei oder drei Generationen zuvor so viele begeisterte Anhänger der russischen Europäisierung gekommen waren, also in “Kleinrussland” beziehungsweise der östlich des Dnjepr gelegenen Ukraine. Die dortige Oberklasse wies manche Ähnlichkeit mit der polnischen Elite auf und sah sich als Träger kleinrussischer Traditionen und Freiheiten; dieses nationale Erbe aus der Zeit des polnisch-litauischen Doppelstaates teilte die Ukraine nicht mit Großrussland oder “Moskau”. Selbst nach seiner Unterwerfung unter den Zaren hielt Kleinrussland an einem auf Rechtsstaatlichkeit gegründeten System fest, und viele seiner Beamtenstellen waren zumindest der Form nach Wahlämter, bis Katharina schließlich solchen Traditionen ein Ende setzte, indem sie das russische Verwaltungssystem auf die Region ausdehnte. Einzelne Vertreter dieser ukrainischen Elite kamen auf anderen Wegen als über St. Petersburg in Berührung mit europäischem Gedankengut und entwickelten erstmals die Vorstellung, dass die Ukraine eine Nation sei. Schritt für Schritt konnten sie ihre eigene “road map” nach Europa entwerfen – und sogar die galizischen Ruthenen zum Mitmachen bewegen. Bei John LeDonne heißt es dazu: “Während die Autonomie Kleinrusslands beschnitten wurde, […] entstand gleichzeitig eine Großukraine.”12 Die Idee einer Großukraine war nicht minder revolutionär als die Idee eines Großdeutschland.

Vorstellungen von einer Ukraine, die größer sein sollte als das gerade erst aufgelöste historische “Kleinrussland”, konnten sich auf die in Osteuropa stattfindenden geopolitischen Veränderungen stützen. Als der zaristische Staat nach den polnischen Teilungen von 1793 und 1795 die Ukraine östlich und westlich des Dnjepr unter ein- und derselben Regierung zusammenschloss, half er – natürlich unabsichtlich – der Sache des ukrainischen Nationalismus. Die Polen waren mehr als nur eine der “Völkerschaften” im Vielvölkerstaat des russischen Zaren. Über das (1815 aus mehreren von Preußen und Österreich 1795 annektierten Teilen geschaffene) Königreich Polen hinaus erstreckte sich ein polnisch dominierter Sozial- und Kulturraum weit nach Osten, bis an die 1772er Grenze von Polen-Litauen. Im Hinblick auf Kyiv (Kiew) reichte der polnische Einfluss sogar bis jenseits der alten Grenze. Die einstige Grenzstadt Kyiv wurde zu einem Ort der Begegnung zwischen den Eliten der Ost- und Westukraine. Ukrainer des alten Hetmanats sahen sich einmal mehr konfrontiert mit den Polen, den neuen Untertanen des Zaren. Dank ihrer Kontakte zu den in Kultur und Politik aktiven Polen entdeckte die damals entstehende ukrainische Intelligenz, dass die Polen einen kürzeren Weg nach Europa kannten und vor allem einen Weg, der zu seinen liberalen und demokratischen Ideen und Institutionen führte.

Zur “Europäisierung” Russlands trug die Annexion eines so großen polnischen Territoriums jedoch nichts bei. Vera Tolz schreibt, die Eingliederung polnischer Gebiete habe aus Polen zwar “den inneren ðWestenÐ Russlands” gemacht, die ganze Region sei aber zum Schauplatz russisch-polnischer Auseinandersetzungen geworden, mit denen Russlands eigene Probleme sich zuspitzten und die Differenzen zwischen ihm und Europa offen sichtbar wurden.13 Polnische, in Städten wie Warschau oder Vilnius (Wilna) tätige Schriftsteller und Gelehrte gaben die neuen, in den Habsburger Gebieten an Popularität gewinnenden Nationalideen weiter an ukrainische, litauische und weißrussische Intellektuelle in jenen Regionen, die sich Polen und Russen streitig machten.

Die neu entstehende ukrainische Intelligenz verwahrte sich sowohl gegen die Ansprüche der Polen auf ukrainische Territorien, die sie irgendwann einem wiederhergestellten Polen einverleiben wollten, wie auch gegen die entsprechenden Gebietsforderungen der Russen. Doch diese Elite war aufgeschlossen für polnisches – das heißt westliches oder “europäisches” – Ideengut. Besonders galt das für Kyiv, wo der erste bedeutende geistige und politische Zirkel der Ukraine, die sogenannte Kyrill und Method-Bruderschaft, die bei den Polen verbreiteten politischen Ideen aufgriff. Dieser Zirkel war der Ansicht, dass die Ukrainer, gleichberechtigt neben Russen und Polen, Mitglied der slawischen Völkergemeinschaft seien, zu der auch die außerhalb der russischen Grenzen lebenden West- und Südslawen gehören sollten. Doch die frühe ukrainische Nationalbewegung konnte sich nur sehr begrenzt gegenüber den Polen öffnen. Sowohl im Russischen als auch im Habsburger Reich stand die Masse der ukrainischen Bauern nach wie vor unter der Herrschaft der polnischen Grundbesitzer. Der nationale Konflikt, zu dem es schließlich zwischen Ukrainern und Polen kam, hatte daher eine starke soziale Komponente (Bauern gegen Grundbesitzer).

Das offizielle Russland sah in den “Kleinrussen” nur einen Teil jener umfassenden russischen Nation, der auch Großrussen und Weißrussen angehörten. Erst in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts, unter dem Druck des polnischen Volksaufstands von 1863, erkannte man, dass die ukrainische Bewegung (ukrainofil’stvo) die Einheit Russlands aufzubrechen suchte. Einige russische Gegner der Zarenherrschaft hatten freilich schon viel früher gemerkt, dass ukrainofil’stvo, getarnt als Interesse an lokaler Geschichte, Folklore und Literatur, in Wirklichkeit die politische Botschaft des “kosmopolitischen” oder “europäischen Liberalismus” überbrachte.14 Wenn ihre Sicht zutrifft, dann war das “Projekt” Ukraine eine ukrainische “road map” nach Europa, die in der Begegnung mit den Polen entworfen wurde und eine Alternative zur Europa-Orientierung des offiziellen Russland darstellte.

Nach und nach gewann der “europäische” Gedanke Vorrang in allen Äußerungen, mit denen die Ukrainer die Eigenart ihrer Nation gegenüber Russland zu belegen suchten. Die These, der Unterschied zu den Russen bestehe in den historischen Bindungen der Ukrainer an Europa, wurde zum Glaubensartikel ihrer Nationalideologie. Nach Mykola Kostomarov “beruhten die grundlegenden Differenzen zwischen Ukrainern und Russen eher auf soziopolitischen Faktoren als auf ethnischer Zugehörigkeit, Sprache oder Religion”. Später erklärte Mykhailo Drahomanov, führender Sprecher der ukrainischen Volkstümler: “Die wichtige Rolle nationaler Differenzen zwischen der Ukraine und Moskau findet ihre Erklärung darin, dass die Ukraine bis ins 18. Jahrhundert enger an Westeuropa angebunden war”. Und Viacheslav Lypynsky, der konservative Ideologe des 20. Jahrhunderts, sah “den grundlegenden Unterschied zwischen der Ukraine und Moskau” nicht in der Sprache, sondern in einem jeweils anderen Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft.15

Das Ende der Wien-Verbindung

So paradox es erscheinen mag, im Jahre 1914 waren die “staatenlosen” galizischen Ruthenen in einem Sinne Nation, in dem die Russen es in “ihrem” Reich nicht waren. Ein ukrainischer Untertan der österreichischen Monarchie genoss mehr persönliche und politische Freiheit als ein Ukrainer oder Russe in Russland. Die ukrainische Nationalidee und die politischen Vorstellungen der Ukrainophilen waren – wie das Beispiel Österreich zeigte – durchaus vereinbar mit dem rechtlichen und politischen System und den entsprechenden Werten Europas: Und die Ukrainer wünschten sich sogar mehr Europa, also mehr demokratische Reformen, größere nationale Rechte, dabei vor allem Autonomie für den ukrainischen Teil von Galizien. Auf keinen Fall wollten sie eine Wiedereinführung der Selbstherrschaft.

Oft amüsieren sich die Studenten, wenn sie erfahren, dass zu den vielen Titeln des Kaisers von Österreich und Königs von Ungarn auch der des Königs von Galizien und Lodomerien gehörte; er bedeutete, dass er sich als Nachfolger der mittelalterlichen Rus-Fürsten von Halitsch und Wladimir betrachtete. Aber die Habsburger Monarchie hat zugleich zahlreiche moderne Praktiken eingeführt. Als 1848 im Kaiserreich die Leibeigenschaft abgeschafft wurde, wurden auch die Leibeigenen der österreichischen Ukraine frei, und die Ukrainer – einschließlich der befreiten Bauern – beteiligten sich im selben Jahr an der Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung der Monarchie, der Reichstagswahl; einige der gewählten Volksvertreter waren ehemalige Leibeigene. Die Ukrainer wählten gemeinsam mit Polen, Rumänen, Tschechen, Slowenen, Deutschen und Italienern, und für alle war diese Erfahrung die erste ihrer Art. Wie kritisch man die Verhältnisse auch beurteilen mag, unter denen die Ukrainer nach 1848 immer noch leben mussten, jedenfalls lernten sie bis zum Ende der Monarchie in Galizien und der Bukowina den Rechtsstaat kennen – denn die Donaumonarchie war ein Rechtsstaat -, konnten sich in allen möglichen Verbänden (einschließlich politischer Parteien) frei zusammenschließen, wirkten mit an kommunaler, regionaler und landesweiter Politik und erreichten, dass ihre Sprache im Bildungswesen, in der Verwaltung und vor Gericht von Staats wegen zugelassen wurde. Kurz, für die Ukrainer in Österreich bedeutete “Europa” mehr als eine Sammlung hehrer, aber abstrakter Ideale; bei aller Unvollkommenheit in der Praxis war es etwas, das sie im täglichen Leben erfahren konnten.

Das heißt keineswegs, dass die Ruthenen in Galizien und der Bukowina etwa bessere Europäer oder bessere Ukrainer gewesen wären als ihre ethnischen Verwandten in Russland. Ihre nationale Identität als Ukrainer – und damit ihre Selbstdefinition als europäische Nation – bildete sich im Umgang mit Poltava, Kharkiv und Kyiv. Mit der Wahl der ukrainischen Identität machten sich die galizischen Ruthenen die im Osten formulierte Auffassung der ukrainischen Geschichte zu eigen. Mykhailo Hrushevsky, Student der Universität Kyiv, schrieb sein großes Werk über die Ukraine, als er in den Jahren 1894-1914 Professor an der Universität L’viv (Lemberg) war.16 Die galizischen Ukrainer übernahmen die “Kosaken-Mythologie” als konstitutiven Bestandteil ihrer Identität und vergaßen bereitwillig die vergangene Gegnerschaft zwischen Kosaken und Uniaten. Damit bestätigten sie den berühmten Ausspruch von Ernest Renan: “Es macht […] das Wesen einer Nation aus, dass alle Individuen etwas miteinander gemein haben, auch, dass sie viele Dinge vergessen haben.” Und er fügt hinzu: “Kein Franzose weiß, ob er Burgunder, Alane, Wisigote ist, und jeder Franzose muss die Bartholomäusnacht und die Massaker des 13. Jahrhunderts im Süden vergessen haben.”17

Die im Zarenstaat lebenden Vorkämpfer der Ukraine wussten die Beiträge ihrer österreichischen Landsleute zu schätzen und machten sich deren Errungenschaften zu eigen. Die Unterschiede zwischen den zwei ukrainischen Teilnationen erklärten sie mit der Zugehörigkeit der einen zu einem europäischen Staat. Das Galizien von vor 1914 vor Augen hofften sie, dass die russische Ukraine, wenn sie Gelegenheit dazu erhielte, gleichziehen würde. Die Gelegenheit bot sich nach dem Zusammenbruch der Zarenherrschaft, zwischen März und November 1917, als die Kräfte der russischen Demokratie- und der ukrainischen Autonomiebewegung sich um einen für beide Seiten befriedigenden modus vivendi bemühten. Doch wie Thomas Masaryk 1918 sagte: Die russischen Revolutionäre und die russischen Massen “haben sich zwar vom Zaren befreit, aber noch nicht vom Zarismus.”18 Es entstand kein demokratisches Russland. Viele Jahre später beschreibt Petr Struve die Revolution von 1917 als “politischen Selbstmord einer politischen Nation” und nennt sie “das verheerendste Ereignis der Weltgeschichte”.19

Im Bürgerkrieg kämpften sowohl die “Roten” als auch die “Weißen” gegen die Ukrainer. Die Polen besiegten die Westukrainer im Jahre 1919 und herrschten bis 1939 im ukrainischen Teil von Galizien. Vielleicht wäre der Krieg zwischen Polen und der Westukraine anders ausgegangen, wenn die Ostukrainer keinen Zweifrontenkrieg gegen rote und weiße Russen hätten führen müssen. Oder umgekehrt: Hätten die Westukrainer zu Hilfe kommen können, statt im Westen gegen die Polen zu kämpfen, wäre ein Sieg der Ostukraine über ihre roten und weißen Gegner denkbar gewesen.

“1848”, letzter Akt: 1945-91

Namier hatte Recht mit seiner These, dass das Jahr 1945 eine neue Ära der europäischen Geschichte einleitete. Es begann ein Prozess der Einigung Europas: Montanunion, Gemeinsamer Markt, NATO und später die Europäische Union. Im Osten gab es den Sowjetblock, die “sozialistische Staatengemeinschaft”. Doch nach dem Sieg über das “Großdeutsche Reich” standen aus dem Erbe von 1848 neben der ukrainischen Frage noch andere “Fragen” auf der Tagesordnung, und die wichtigste davon war die deutsche. Wie wir sehen werden, blieb die ukrainische Geschichte bis 1990 mit der deutschen Geschichte verknüpft.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs dauerte es beinahe 50 Jahre, bis die “deutsche Frage” in ihrer neuen Fassung zur allseitigen Zufriedenheit gelöst werden konnte. Diese Lösung hing direkt zusammen mit dem politischen Wandel in der UdSSR und im Ostblock. Im Jahr 1990 wurde die Frage “Was ist Deutschland?” auf eine Weise beantwortet, die 1848 niemand auch nur geahnt hätte; aber zu guter Letzt schienen alle, zumal Polen und die Tschechoslowakei, froh zu sein, als die Bundesrepublik noch vor der deutschen Wiedervereinigung die Grenzen von 1945 anerkannte und damit auf “revanchistische” Ansprüche verzichtete. Für die Polen (und andere) wurde es nun leichter, im eigenen Land auf Demokratie und Unabhängigkeit von der UdSSR zu dringen. Doch das Ende der deutschen Bedrohung war kein Garant für das Überleben all jener Staaten, die wir mit einigem Recht als Nachfolgestaaten der Habsburger Monarchie bezeichnen können. Auf die deutsche Wiedervereinigung folgte bald schon der Zerfall Jugoslawiens und der Tschechoslowakei, und beide Ereignisse können als eine Nachwirkung von 1848 gelten.

Die Ukraine erhielt ihre Unabhängigkeit innerhalb eines knappen Jahres nach der Einigung Deutschlands. Die “Überschneidung” ihrer Geschichte mit der deutschen Geschichte vom Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre erwies sich als große Hilfe für die Ukrainer. Gorbatschows Deutschlandpolitik unterhöhlte seine innenpolitische Basis, gab den Nationalisten in der gesamten UdSSR Auftrieb und trug andererseits zur Beendigung der sowjetischen Kontrolle über Osteuropa bei. Kurz nach Auflösung des Warschauer Paktes zerfiel die Sowjetunion, und die Russische Föderation sah sich “in etwa auf die Grenzen des Reichs zurückgeworfen, über das einst Peter der Große herrschte”.20

Im Jahr 1991 konnten die einstigen “Ruthenen” im habsburgischen Galizien ihren Wunsch, zusammen mit ihren Landsleuten im Osten in einem unabhängigen Staat namens Ukraine zu leben, frei zum Ausdruck bringen. Bei einer im März desselben Jahres veranstalteten Volksbefragung zur Zukunft der Sowjetunion, mit der Michail Gorbatschow die UdSSR als Einheitsstaat retten wollte, stimmten die drei ehemals galizischen Regionen mit überwältigender Mehrheit für die Unabhängigkeit der Ukraine. (In den anderen Teilen der Ukraine gab es damals noch nicht die Möglichkeit, für die Unabhängigkeit zu votieren.) Beim gesamtukrainischen Referendum vom 1. Dezember 1991 bekräftigten die Galizier ihre Entscheidung, und die ganze Ukraine stimmte für die Unabhängigkeit.

Nach 1991 prophezeiten ein paar westliche (und russische) Beobachter und Wissenschaftler, die Ukraine werde genauso auseinanderbrechen wie Jugoslawien. Sie verwiesen auf mehrere mögliche Bruchlinien: Die eine verlief entlang der alten Grenze zwischen Österreich-Ungarn und Russland; die zweite entsprach der Spaltung des Landes in den vorwiegend katholischen Westen und den griechisch-orthodoxen Osten (einem “Kampf der Kulturen”); und die dritte bestand in der Trennung zwischen ukrainisch- und russischsprachigen Regionen, wobei man annahm, dass sich als erstes die Krim, dann das Donetsbecken und Odessa abspalten würden. Keines dieser Szenarien wurde Wirklichkeit.

Die Ukraine, die 1991 unabhängig wurde, war kein sonderlich gut integriertes Land. Neben Galizien gab es noch zwei weitere Gebiete, die die Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg annektiert hatte: die sogenannte “Transkarpaten-Ukraine” (ehemals Teil der Tschechoslowakei) und die Nordhälfte der alten österreichischen Provinz Bukowina (ehemals ein Teil Rumäniens). Die dortige Bevölkerung hatte zunächst unter den Habsburgern und dann, in den 20 Zwischenkriegsjahren, unter deren Nachfolgern gelebt, die sich bei allen Mängeln, die sie hatten, doch deutlich von der Stalinschen Sowjetunion abhoben. Selbst unter den besten Voraussetzungen wäre also das Zusammenschweißen der Ukrainer zu einer Nation – das 1848 noch romantische Idee gewesen war – ein komplizierter, schmerzlicher und schwieriger Prozess gewesen. Gleichwohl konnten die älteren sowjetischen Ukrainer in den letzten Jahren der UdSSR gemeinsam mit ihren Landsleuten in den neu angeschlossenen westlichen Gebieten eine vereinte Nationalbewegung auf die Beine stellen. In den Jahren 1989-91 kam es zu einer erstaunlichen Aktionseinheit zwischen L’viv und Kyiv, die ausschlaggebend für den Erfolg der Unabhängigkeitsbewegung wurde.

Während der Krise des Sowjetsystems entstand mit Polens Unterstützung eine gesamtukrainische Politik. Im 20. Jahrhundert war der Konflikt zwischen Ukrainern und Polen im wesentlichen ein Konflikt zwischen Westukrainern und Polen. Schon in den 50er Jahren begannen manche Polen, ihre Haltung zur Ukraine zu überdenken: Sie akzeptierten den Verlust von Gebieten, die früher als Teil Polens gegolten hatten, und beschlossen, im Rahmen der eigenen Bemühungen, sich von der sowjetischen Hegemonie zu befreien, den Ukrainern beizustehen. In den 80er Jahren war diese Politik zum Leitprinzip der politischen Eliten in Polen geworden.21 In der Auseinandersetzung mit Russland war die Ukraine frei von jeder Bedrohung an ihrer “Westfront”. Es gab “Im Westen viel Neues”.

2004: Epilog – und Prolog?

Als die Ukraine 1991 die Unabhängigkeit errang, war sie zwar kein demokratischer Staat, aber sie entging dem Schicksal Jugoslawiens und der Tschechoslowakei und blieb ein geeintes Land. Erst 2004, etwa 15 Jahre nach den mitteleuropäischen Revolutionen von 1989/90, haben die Ukrainer mit ihrer Orangen Revolution den Versuch unternommen, die anderen ehemaligen Habsburger Nationen “einzuholen”. Dass die Revolution in der Ukraine nicht zu Ende gebracht war, sah die neue Generation besonders deutlich. Ein junger Mann auf dem Platz der Unabhängigkeit sagte zu einem ausländischen Korrespondenten: “1991 sind wir unabhängig geworden, jetzt wollen wir frei sein.”

Hauptanliegen der Orangen Revolution war der Protest gegen Korruption und das Eintreten für Menschenwürde und Menschenrechte. Der bekannteste Slogan – “Wir sind viele, wir können nicht besiegt werden” (Razom nas bahato, nas ne podolaty) – erinnert nicht nur an die Parolen der ostdeutschen Demonstranten von 1989/90 (“Wir sind das Volk” und “Wir sind ein Volk”), sondern auch an den Slogan der Solidarnosc im Jahre 1980 (Nic o nas bez nas – “Nichts, was uns angeht, ohne uns”). Erstaunlich war 2004 außerdem, wieviel Hilfe die Ukraine von ihren europäischen Nachbarn erhielt. Hunderttausende jubelten in Kyiv “Polen, Polen”, als Lech Walesa zu ihnen sprach, und es kamen Unterstützungs- und Solidaritätsadressen aus Prag und anderen Hauptstädten.

Aber 2004 war auch schon klar, dass der Zerfall der UdSSR die “russische Frage” nicht abschließend gelöst hatte und ganz sicher nicht im Hinblick auf die ukrainisch-russischen Beziehungen. Noch 1991 hatte die Russische Föderation eine zentrale Rolle bei der friedlichen Auflösung der UdSSR und bei der Erlangung der Unabhängigkeit für die Ukraine gespielt, und damals schien es, als hätten ihre führenden Politiker mitsamt dem Volk endgültig darauf verzichtet, noch einmal ein Imperium und eine autoritäre Regierungsform zu errichten – kurz, als seien sie bereit, eine “normale”, anderen “postimperialen” Nationen vergleichbare Nation zu werden.

Aber heute ist das Bild sehr viel weniger eindeutig. Die Tatsache, dass Präsident Wladimir Putin sich offen in den Ablauf der ukrainischen Wahlen eingemischt hat, zeigt, dass Russland es vorzieht, die Ukraine nicht als wirklich unabhängiges Land zu betrachten. Unlängst hat Lilia Shevtsova darauf hingewiesen, dass die “Sehnsucht nach der imperialistischen [d.h. imperialen] Vergangenheit” noch immer in den politischen Eliten Russlands lebendig ist und dass sie gemeinsam mit Putin hoffen, es möge Russland gelingen, “sich dem Westen nach ihren Konditionen anzuschließen – das heißt unter Beibehaltung zumindest einiger Bestandteile des russischen Systems”.22

Gleichgültig, welche Entscheidungen Russland trifft, immer werden sie von der europäischen und der eurasischen Dimension seiner Geschichte zeugen (was kaum verwundert bei einem Land, das sich von der Ostsee bis zum Pazifischen Ozean erstreckt) und direkten Einfluss auf die Innen- und Außenpolitik der Ukraine haben – auch wenn diese sich in den Wahlen von 2004 für Europa entschieden hat.

Harvard Ukrainian Studies 25, Heft 1/2, S. 57-90. Dieses Heft trägt zwar das Datum 2001, erschien aber in Wirklichkeit im März 2004. Die Originalfassung des Artikels mit mehr bibliographischen Verweisen findet man unter: www.huri.harvard.edu/pdf/Szporluk_MakingModUkr.pdf.

Der renommierte britische Historiker Sir Lewis Namier (1888-1960) wurde als Ludwik Bernsztajn (Bernstein) im russisch beherrschten Polen geboren. Später erwarb die Familie Landbesitz in Ostgalizien und nahm den Namen Niemirowski an. Der Vater war leidenschaftlicher polnischer Nationalist, doch der junge Ludwik, der seine Kindheit mit ukrainischen Dorfkindern verbrachte, stellte sich 1918/1919, im Konflikt zwischen Polen und der Ukraine, auf die Seite der Letzteren. Vgl. Mark Baker, "Lewis Namier and the Problem of Eastern Galicia", in: Journal of Ukrainian Studies 23, Heft 2 (Winter 1998), 59-63; und Julia Namier, Lewis Namier: A Biography, Oxford 1971, 31.

Lewis Namier, "1848: Seed-plot of History", in: Vanished Supremacies: Essays on European History 1812-1918, New York / Evanston 1963, 21-30.

John A. Armstrong vertritt die These, dass der Nationalismus, nach seiner Definition "die Behauptung, Organisationsprinzip des Regierens müsse es sein, alle Angehörigen einer Nation, eines Volkes, in einem gesonderten Staat zusammenzuschließen", zwischen 1775 und 1815 "unübersehbar" wurde, zu einer Zeit, die "den entscheidenden Wendepunkt in der historischen Entwicklung von Ethnizität und Nationalismus" darstellt. ("The Autonomy of Ethnic Identity", in: Alexander J. Motyl (Hg.), Thinking Theoretically about Soviet Nationalities, New York 1992, 29).

Zu diesem Goethe-Schiller-Epigramm vgl. James J. Sheehan, "What is German History? Reflections on the Role of the Nation in German History and Historiography", in: Journal of Modern History 53, Heft 1 (März 1981), 1. Bei Klaus von Beyme, "Shifting National Identities: The Case of German History", in: National Identities 1, Heft 1 (März 1999), 39-52, wird auch die Zeit nach 1945 behandelt. David Blackbourn stellt fest: "Einigung bedeutete, dass es von nun an ein Deutschland auf der Landkarte und ein Deutschland im Kopf gab", The Long Nineteenth Century: A History of Germany, 1780-1918, New York / Oxford 1998, XVI; aber er schreibt auch: "Was wir als Einigung Deutschlands bezeichnen, war in Wirklichkeit eine Teilung." (Ebd.) Dies erklärt, warum das 1871 entstandene Deutschland auf der Landkarte nicht mit dem Deutschland in den Köpfen übereinstimmte; den Beweis dafür lieferte der Aufstieg des Dritten Reiches.

Jiri Koralka, Tschechen im Habsburgerreich und in Europa 1815-1914. Sozialgeschichtliche Zusammenhänge der neuzeitlichen Nationsbildung und der Nationalitätenfrage in den böhmischen Ländern, Wien 1991, 26 f. und 28.

Jerzy Jedlicki, "Heritage and Collective Responsibility", in: Ian Maclean / Alan Montefiore / Peter Winch (Hg.), The Political Responsibility of Intellectuals, Cambridge 1990, 53-76.

Vasyl Podolynsky (1815-76) betrachtete sich vor 1848 als Pole und war Mitglied eines polnischen Geheimbundes. Im Jahr 1848 optierte er für die ukrainische Nationalität und wollte die Ukrainer als Mitgliedstaat in der Slawischen Föderation sehen.

Martha Bohachevsky-Chomiak, The Spring of a Nation: The Ukrainians in Eastern Galicia in 1848, Philadelphia 1967, 29-30; ferner Yaroslav Hrytsak, Narys istorii Ukrainy. Formuvannia modernoi ukrains'koi natsii XIX-XX stolittia, Kyiv 1996, 52.

Liah Greenfeld, Nationalism: Five Roads to Modernity, Harvard UP 1993, 495.

Marc Raeff, "Ukraine and Imperial Russia: Intellectual and Political Encounters from the Seventeenth to the Nineteenth Century", in: Peter Potichnyj (Hg.), Ukraine and Russia in Their Historical Encounter, Edmonton 1992, 78.

John P. LeDonne, Ruling Russia: Politics and Administration in the Age of Absolutism, 1762-1796, Princeton 1984, 78.

Vera Tolz, Russia, London / New York 2001, 88 f. Tolz belegt ihre Darstellung mit Textbeispielen von russischen Kommentatoren des 19. Jahrhunderts.

Nikolai Ulianov, Proiskhozhdenie ukrainskogo separatizma, New York 1966, 156.

Jaroslaw Pelenski, "The Ukrainian-Russian Debate over the Legacy of Kievan Rus', 1840s-1860s", in: The Contest for the Legacy of Kievan Rus', Boulder 1998, 222-223.

Serhii M. Plokhy, "Historical Debates and Territorial Claims: Cossack Mythology in the Russian-Ukrainian Border Dispute", in: S. Frederick Starr (Hg.), The Legacy of History in Russia and the New States of Eurasia, Armonk 1994, 150-151.

Ernest Renan, "Qu'est-ce qu'une nation?", in: Ders., Oeuvres complètes, Bd. 1, Paris 1947, 887-906, Zitat S. 892; dt.: "Was ist eine Nation?", Vortrag in der Sorbonne am 11. März 1882, in: Michael Jeismann / Henning Ritter, Grenzfälle - Über neuen und alten Nationalismus, Leipzig 1993, 295. Vgl. Homi K. Bhabha (Hg.), Nation and Narration, London 1991, 11.

Thomas Garrigue Masaryk, The New Europe: The Slav Standpoint, hg. von W. Preston-Warren und William B. Weist, Lewisburg 1972, 123; zuerst erschienen London 1918.

Petr Struve, zitiert nach Richard Pipes, Struve: Liberal on the Right, 1905-1944, Harvard UP 1980, 301.

Philip Zelikow und Condoleezza Rice, Sternstunde der Diplomatie. Die deutsche Einheit und das Ende der Spaltung Europas, Berlin 1997, 504. An anderer Stelle schreiben Zelikow und Rice, die Sowjets seien gegen die deutsche Vereinigung gewesen, weil sie fürchteten, dass sie "dem sowjetischen Sicherheitssystem das Herz herausreißen" und alle Gebietsgewinne des Zweiten Weltkrieges rückgängig machen würde (186). (Die Sowjets hatten Recht.)

Timothy Snyder gibt in The Reconstruction of Nations: Poland, Ukraine, Lithuania, Belarus, 1569-1999, New Haven 2003, eine ausführliche Darstellung der polnischen Dimension der ukrainischen und osteuropäischen Geschichte bis zum Beginn der postkommunistischen Ära. Vgl. auch seinen Artikel "Die neuen Mitteleuropäer", in: Transit 21 (2001), 42-54.

Lilia Shevtsova, Putin's Russia, Washington/DC 2003, 265 f.

Published 22 July 2005
Original in English
Translated by Monika Noll
First published by Transit 29 (2005) (German version)

Contributed by Transit © Roman Szporluk/Transit Eurozine

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Read in: EN / DE

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