Die belarussische Literaturzeitschrift Dziejaslou heißt übersetzt Verb – und tatsächlich hat die Publikation, die 2002 von jungen ehrgeizigen Autoren gegründet wurde und in ihren Anfangsjahren einige Hürden nehmen musste, einiges an Bewegung in die heimische Literaturszene gebracht. Nun ist die 100. Ausgabe erschienen, sicher auch für die europäische Kulturlandschaft ein Grund zum Feiern.
Die Literatur des Alltags: In einem langen Interview spricht Sjarhey Shapan mit der belarussischen Schriftstellerin Svetlana Aleksievich über ihr Leben, seitdem sie vor vier Jahren den Literaturnobelpreis erhalten hat. Dabei sagt sie, dass sie es bedaure, dass die beiden belarussischen Schriftsteller Ales Adamovich und Vasyl Bykau nie mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden seien. Zudem legt sie nochmals ihr Interesse für das Alltagsleben der Menschen dar und ihre Methode, durch eine literarische Montage, das Irrationale des Lebens herauszukristallisieren. Sie merkt an, dass ihr die Auszeichnung die Freiheit gebe, „etwas anderes auszuprobieren, und sich nicht mit dem immer selben Rad zu bewegen“: „Deswegen will ich diese zwei Bücher machen: über die Liebe und über den Tod. Mich interessieren schon lange diese metaphysischen, irrationalen Dinge, die wir noch lange nicht verstehen. Ich möchte wissen, was der moderne Mensch darüber denkt. Welche tieferen Ahnungen hat er? Wovor hat er Angst? Und welche Aberglauben ergeben sich in Verbindung mit unserer heutigen Zeit?“
Aleksievich lässt durchblicken, wie mühsam ihre Methode ist, wie viel Zeit sie mit persönlichen Gesprächen verbringt, Gespräche, die mitunter über viele Jahre laufen. „Ich versuche, diese Frage zu beantworten: Was bedeutet es, glücklich zu sein?… An was wirst du dich in der letzten Minute erinnern?… ,Weißt du, an was ich mich erinnern werde, bevor ich sterbe?‘, sagte ein Taxifahrer zu mir, als wir uns genau darüber unterhielten. ‘Ich stelle mir vor, wie ich Wein aus einem Frauenschuh trinke.‘“
Für unsere und eure Freiheit: In einem sehr detaillierten Essay beschäftigt sich Anatol Sidarevich mit der Geschichte der sozialistischen Bewegung in Belarus Anfang des 20. Jahrhunderts, deren Vertreter bereits an einer 1904 in Paris einberufenen Konferenz der sozialistischen Internationalen teilnahmen. Sidarevich ergründet, dabei dass die belarussischen Sozialisten sich bereits von eigenen nationalen Motiven leiten ließen, was auch zur Betonung eigener Interessen gegenüber den polnischen und russischen Kollegen führte.
Published 27 August 2019
Original in German
First published by Eurozine
Contributed by Dziejaslou © Eurozine
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