Abstracts Osteuropa 2-3/2007
Georg Vobruba
Expansion ohne Erweiterung. Die EU-Nachbarschaftspolitik in der Dynamik Europas
Die EU hat die Europäische Nachbarschaftspolitik als Alternative zur
Erweiterungspolitik entwickelt. Es handelt sich um ein verändertes
politisches Tauschangebot. Die EU bietet ihren Nachbarländern nicht mehr
die Perspektive einer Mitgliedschaft, sondern eine special relationship
gegen die Übernahme von Stabilisierungsaufgaben an der Peripherie. Diese
Politik speist sich aus der Expansionsdynamik der EU, die jedoch an ihre
Grenzen gestoßen ist. Auch in der Nachbarbarschaftspolitik versteht sich
die EU als Werteexporteur. Wie erfolgreich sie sein wird, hängt stark
von der Kooperationsbereitschaft der Peripherie ab. Stärker als bisher
gilt es, die Kooperationskalküle der Nachbarn und ihre Alternativen zu
berücksichtigen.
Arkadij Moshes
Priorität gesucht. Die EU, Rußland und ihre Nachbarn
Die EU unterhält eine strategische Partnerschaft mit Rußland und will
mit den Nachbarstaaten im Osten privilegierte Beziehungen unterhalten.
Zunehmend kollidieren die Interessen Rußlands und der EU im
Nachbarschaftsraum. Moskau wertet die Nachbarschaftspolitik als Versuch,
Rußland aus der Region zu drängen, und reagiert allergisch auf
Demokratisierung. Doch wäre es falsch, wenn die EU ihr Engagement in
diesem Raum verringert. Brüssel muß bereit sein, mehr Verantwortung zu
übernehmen. Priorität sollten Demokratie und Marktwirtschaft, nicht aber
eine geopolitische Umorientierung der Region haben. So könnten die
Nachbarländer ihre Verbindungen mit Rußland aufrechterhalten. Und
Rußland könnte der EU nicht länger unterstellen, eine Politik nach den
Regeln des Nullsummenspiels zu betreiben.
Egbert Jahn
Ausdehnung und Überdehnung. Von der Integrationskonkurrenz zwischen Brüssel und Moskau zum Ende der europäischen Integrationsfähigkeit
Rußland hat in den 1990er Jahren immer mehr sein Potential als
alternatives Integrationszentrum zu EU und NATO verloren. Die
Integrationskonkurrenz zwischen Brüssel und Moskau hat sich zu einer
Konkurrenz um Mitgliedschaft in der EU und um privilegierte Beziehungen
mit dem einzigen dynamischen, Prosperität, Sicherheit, politische
Stabilität, Freiheiten und Demokratisierung versprechenden
Integrationszentrum Brüssel reduziert. Gleichzeitig ist die
Integrationskraft der EU begrenzt. Wirtschaftlich und institutionell
wäre die EU zwar von einer Aufnahme der osteuropäischen Nachbarstaaten
nicht überfordert. Politisch ist dies jedoch gegenwärtig nicht
durchsetzbar. Die bilaterale Demokratisierungspolitik, die mit vagen
Beitrittsversprechen operiert, sollte durch eine klare
Regionalisierungspolitik ergänzt werden, die Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft in regionalen Zusammenschlüssen
an der EU-Außengrenze fördert.
Iris Kempe
Zwischen Anspruch und Realität. Die Europäische Nachbarschaftspolitik
Mit ihrer Nachbarschaftspolitik verfolgt die EU ein hochgestecktes Ziel.
Sie will von der Barentssee bis zum Mittelmeer einen Ring befreundeter
Staaten schaffen und so Sicherheit und Stabilität jenseits der
EU-Außengrenzen garantieren. Die neuen Kooperationsangebote umfassen
zahlreiche Politikfelder, schließen aber einen Beitritt zur EU aus. Die
Nachbarschaftspolitik ist daher nur begrenzt dazu geeignet, Sicherheit
und Stabilität in den Anrainerstaaten zu schaffen.
Barbara Lippert
Teilhabe statt Mitgliedschaft? Die EU und ihre Nachbarn im Osten
Der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) fehlt es an Schwung und
Überzeugungskraft. Anders als die Erweiterungspolitik zielt sie nicht
auf Mitgliedschaft. Entsprechend unterschiedlich sind die
Entwicklungswege und Handlungsspielräume. Die Neuverhandlung der
“erweiterten Abkommen” mit den östlichen Nachbarn sind ein
Anknüpfungspunkt, um die Substanz der ENP zu erhöhen. Die
Nachbarschaftspolitik sollte stärker als Europäisierungsstrategie zur
Modernisierung der Länder und Sicherung der Stabilität verstanden
werden. Mit den Nachbarländern sollte eine gesamteuropäische
Aufgabenkonföderation gebildet werden.
Clara M. O’Donnell, Richard G. Whitman
Das Phantom-Zuckerbrot. Die Konstruktionsfehler der ENP
Die EU will Stabilität, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Marktwirtschaft in den Staaten an den EU-Außengrenzen verbreiten. Um die
Nachbarstaaten zu Reformen zu bewegen, bietet die EU ihnen in der
Europäischen Nachbarschaftspolitik eine Reihe von Anreizen. Diese
reichen jedoch bei weitem nicht aus. Der einzige Reformhebel, der wirken
könnte, wäre eine Aussicht auf Mitgliedschaft in der EU. Zu diesem
Zuckerbrot kann sich die EU jedoch bislang nicht entschließen. So rennt
etwa die Ukraine einem Phantom hinterher.
Elsa Tulmets
Alter Wein in neuen Programmen. Von der Osterweiterung zur ENP
Die Instrumente der Europäischen Nachbarschaftspolitik sind Abkömmlinge
der EU-Osterweiterungspolitik. Was einst die Beitrittskriterien waren,
sind nun die “gemeinsamen Werte”. Obwohl den Nachbarstaaten ein Beitritt
nicht in Aussicht gestellt wird und die ENP die Beziehungen der EU mit
den Nachbarstaaten auf die Prinzipien Partnerschaft, Differenzierung und
Eigenverantwortung festlegt, unterliegen die ENP-Staaten de facto einer
Konditionalität. Problematisch ist auch, daß die ENP einen Wettstreit
zwischen den Nachbarstaaten der EU um die beste und schnellste Anpassung
an den gemeinsamen Besitzstand der EU fördert und regionale Kooperation
schwächt. Schließlich sind einige Instrumente aus der
Osterweiterungspolitik nicht ohne weiteres auf die ENP-Staaten zu
übertragen, und manche Mitgliedstaaten konterkarieren die Öffnung von
EU-Programmen für die Nachbarstaaten mit einer restriktiven Visumspolitik.
Sebastian Lentz, Frank Meyer, Judith Miggelbrink, Christoph Waack
Regionalisierungen. Raumdimensionen in der EU-Politik
“Region” ist zu einem Schlüsselbegriff in der Europäischen Union
geworden. Der Begriff umfaßt unterschiedliche Dimensionen räumlicher und
politischer Ordnung. Regionen sind Handlungseinheiten im europäischen
Mehrebenensystem, Instrumente zur Behandlung von Grenzproblemen, Akteure
und Adressaten der Strukturpolitik, funktionale Konstruktionen oder
Zusammenschlüsse von Staaten.
Gerold Janssen
Grenzüberschreitende Regionalkooperation. Europäische Verbünde für territoriale Zusammenarbeit
Die grenzüberschreitende Kooperation spielt in der europäischen
Integration aufgrund der strategischen Lage und der Funktion von
Grenzregionen eine wichtige Rolle. Die Europäische Union hat ihre
zahlreichen Förderinstrumente für die Zusammenarbeit an EU-Binnengrenzen
und an der EU-Außengrenze harmonisiert. Für die Europäische
Nachbarschaftspolitik hat sie zudem das neue Rechtsinstrument des
Europäischen Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstruments (ENPI)
geschaffen. Die novellierte Kohäsionspolitik für das Unionsgebiet
erlaubt darüber hinaus die Gründung grenzüberschreitender Verbünde für
territoriale Zusammenarbeit (EVTZ). Das Nachbarschafts- und
Partnerschaftsinstrument läßt sich gut mit einem EVTZ verknüpfen, so daß
sich transnationale Infrastrukturvorhaben und Umweltprojekte an der
EU-Außengrenze verwirklichen lassen.
Steffi Franke
Die Grenze, die keine sein möchte. Exklusion und Inklusion an der EU-Ostgrenze
Menschen aus dem Grenzgebiet warnen davor, daß an der Ostgrenze der EU
neue Barrieren entstehen. Um dem entgegenzuwirken, ist
grenzüberschreitende Zusammenarbeit wichtig. Doch Grenzen müssen nicht
zwangsläufig Ausschluß bedeuten. Die Entwicklung am polnischen Abschnitt
der neuen EU-Außengrenze zeigt dies. Im Nachbarschaftsprogramm spiegeln
sich die Widersprüche des Grenzkonzepts. Kennzeichnend ist die
Gleichzeitigkeit unvereinbarer Praktiken, wodurch neue
Handlungsspielräume entstehen.
Wilfried Görmar
Die Ostseekooperation. Eine Blaupause für transnationale Zusammenarbeit zwischen der EU und ihren Nachbarn?
Nirgends in Europa sind die staatenübergreifenden
Kooperationsbeziehungen so dicht wie im Ostseeraum. Nicht nur über die
Staatengrenzen in der EU, sondern auch über die neue EU-Grenze hinaus
ist in den letzten anderthalb Jahrzehnten ein dichtes
Kooperationsnetzwerk entstanden. Dies ist auf einmalige historische und
naturräumliche Bedingungen zurückzuführen. Gleichwohl lassen sich die
Erfahrungen bei der Abstimmung strategischer transnationaler
Entwicklungsprojekte in anderen Großräumen an der EU-Außengrenze nutzen.
Ol’ga Shumylo
Draußen vor der Tür. Die ENP aus Sicht der Ukraine
Denjenigen Ukrainern, die ihr Land gerne in der EU sähen, gilt die
Europäische Nachbarschaftspolitik als schlechter Ersatz. Auch
Hoffnungen, die ENP werde Demokratisierung und Wirtschaftsreformen
fördern, haben sich nicht erfüllt. Die Pläne der EU zur ENP-Reform geben
aber diesen Hoffnungen neue Nahrung. Trotz mancher Defizite enthält das
neue Konzept einige Punkte, die – sollten sie in die Tat umgesetzt
werden – für die Ukraine eine stärkere Integration in die EU jenseits
der Vollmitgliedschaft bedeuten könnten. Eine deutlichere
Prioritätensetzung, klarere Anreize, mehr technische und finanzielle
Unterstützung durch die EU und vor allem ein Ausbau der Wirtschafts- und
Handelsbeziehungen durch einen “vertieften” Freihandel wären die beste
Gewähr für einen Wirtschaftsaufschwung und eine Verankerung der Ukraine
in Europa.
Lior Herman, Evgeny Finkel
Zweierlei Maß. Die ENP-Aktionspläne: Israel und die Ukraine
Die Ukraine und Israel spielen aus der Perspektive der EU in ihren
Regionen eine Schlüsselrolle. Dieser Sonderstatus schlägt sich jedoch in
den EU-Aktionsplänen für beide Länder unterschiedlich nieder. Während
die EU Israel engere bilaterale Beziehungen anbietet und dessen
Sicherheitsinteressen entgegenkommt, ist der EU-Ukraine-Aktionsplan
weniger Zeugnis einer Wertegemeinschaft gleichberechtigter Partner als
einseitiger Vorschriftenkatalog an die Adresse der Ukraine, ohne daß
diese die Perspektive auf einen EU-Beitritt erhielte. Der Vergleich
offenbart die teilweise Diskrepanz, die zwischen den postulierten Zielen
der Europäischen Nachbarschaftspolitik und ihrer Realisierung in den
Aktionsplänen besteht, sowie die Schwierigkeit, Mechanismen aus der
EU-Erweiterung auf unterschiedliche Nichtkandidatenländer anzuwenden.
Azer Babayev
Strategie und Demokratie. Azerbajdzan und die EU-Nachbarschaftspolitik
Im November 2006 hat Azerbajdzan zwei wichtige Schritte in Richtung
Europa gemacht. Baku und Brüssel unterzeichneten ein Memorandum über
eine Energiepartnerschaft sowie als Teil der Europäischen
Nachbarschaftspolitik einen Aktionsplan. Die Aliev-Regierung in Baku
verpflichtet sich damit auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Vieles
spricht dafür, daß dies nur Lippenbekenntnisse sind. Das
energiepolitische und sicherheitspolitische Interesse der EU an einer
Partnerschaft mit Azerbajdzan ist viel zu groß, als daß sie es wegen der
azerbajdzanischen Innenpolitik aufs Spiel setzen würde. Darüber hinaus
hat Baku mit Rußland einen alternativen Kooperationspartner in der
Hinterhand, dem noch weniger an Bürger- und Menschenrechten gelegen ist.
Sigrid Faath
Die ENP in Nordafrika und Nahost. Wahrnehmungen, Erwartungen und Probleme
Die Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens sind seit 1995 in die
multilaterale Euromediterrane Partnerschaft mit der EU eingebunden. Auf
das Angebot der Europäischen Nachbarschaftspolitik reagierten die
arabischen Staaten mit Skepsis. Gleichwohl einigte sich die EU mit
Tunesien, Marokko, Jordanien und der Palästinensischen Autonomiebehörde
auf Aktionspläne, die Kooperationsfelder und Reformziele festschreiben.
Doch gibt es zahlreiche innen- und außenpolitische Faktoren, die einer
verbesserten Kooperation zwischen der EU und den nordafrikanischen und
nahöstlichen ENP-Staaten im Wege stehen. Am besten stehen die Chancen in
den Bereichen Wirtschaft und Entwicklung, die politischen und
gesellschaftlichen Vorgaben werden hingegen als Einmischung in innere
Angelegenheiten gedeutet und abgelehnt.
Valentina Chaplinskaja
Lokal(Ko-)Operation. EU-Projekte in Rußlands Nordwesten
Rußland ist nicht Adressat der EU-Nachbarschaftspolitik. Doch es kann
Mittel aus dem Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument nutzen. Seit
1991 unterstützt Brüssel grenzüberschreitende Zusammenarbeit im
Nordwesten Rußlands. Allein das TACIS-CBS-Programm förderte 400 Projekte
zur Entwicklung der lokalen Wirtschaft und im Bereich Energie und
Umwelt. Zunehmend divergieren die regionalpolitischen Vorstellungen.
Während die EU auf Dezentralisierung setzt, zielt Moskau auf Kontrolle
und Rezentralisierung. Städte und Gemeinden haben wenig Spielraum für
eigene Projekte. Der rechtliche und technische Rahmen erschwert die
Kooperation. Ungeachtet dessen haben sich die rußländischen Regionen von
passiven Subventionsempfängern zu kompetenten und verantwortlichen
Partnern entwickelt.
Alexei Sekarev
Nachbarschaft in der Provinz. Erkundungen in der Westukraine
Die Europäische Nachbarschaftspolitik hat besondere Implikationen für
die grenznahen Gebiete der Nachbarstaaten. Am Beispiel der Ukraine zeigt
sich, daß neben der Zentralregierung auch regionale und kommunale
Verwaltungen, Industrie- und Handelskammern sowie NGOs Reformfähigkeit
beweisen müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Regionen zu erhöhen und
um sich fit zu machen für die sektorale Einbindung in den Binnenmarkt
und die Übernahme von Normen und Standards der EU. Diese Politik bietet
eine Chance zur Modernisierung von Wirtschaft und Verwaltung in der
westlichen Ukraine.
Kirsten Westphal
Liberalisiert, monopolisiert, fixiert. Antinomien des Energiemarkts in Europa
Die Europäische Union definiert die energiepolitische Kooperation als
einen Schlüsselbereich der Nachbarschaftspolitik. Seit 2006 versucht die
EU, Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Wettbewerb als Prinzipien
der Energiepolitik auf den Nachbarschaftsraum auszudehnen. Damit hat sie
eine energiepolitische und geostrategische Neuausrichtung vorgenommen.
Allerdings stößt der Wettbewerb auf dem Energiesektor bereits in der EU
an die Grenzen nationaler Souveränitätsansprüche. Der Ausbau
energiepolitischer Beziehungen in der weiteren Region ist ein
langwieriger, aber wichtiger Bestandteil einer im Entstehen begriffenen
Energieaußenpolitik.
Wilhelm Knelangen
Nachbarn in Sicherheit, Freiheit und Recht? Inneres und Justiz: Ambivalenzen der ENP
Die EU ist zur Schaffung eines “Raumes der Freiheit, der Sicherheit und
des Rechts” auf eine Zusammenarbeit mit ihren Nachbarn angewiesen. Die
zentrale Stellung innen- und justizpolitischer Themen in der
Europäischen Nachbarschaftspolitik spiegelt deshalb das Interesse an
einer Kooperation in den Bereichen Asyl und Einwanderung, innere
Sicherheit und Terrorismusbekämpfung wider. Weil die Innen- und
Justizpolitik nicht von den Kernfragen der Nachbarschaftspolitik –
Demokratie bzw. verantwortliches Regieren und Rechtsstaatlichkeit –
getrennt werden kann, zeichnen sich jedoch Zielkonflikte zwischen dem
sicherheitspolitisch motivierten Kooperationsinteresse und der Vorgabe
rechtsstaatlicher Reformen ab. Ob der Transformationshebel der
Konditionalität im Fall der Nachbarn wirksam werden kann, ist vor diesem
Hintergrund fraglich.
Anita Szymborska
Freundliche EU-Grenze. Anspruch und Realität der EU-Visapolitik
Mit Sympathiebekundungen für Demokratiebewegungen in Osteuropa ist die
EU stets schnell zur Stelle. Bei der Visapolitik hört die Freundschaft
jedoch auf. So werden – dies zeigt ein Monitoring der Warschauer
Stefan-Batory-Stiftung – Bürgern der Ukraine, aus Belarus, Moldova und
Rußland trotz Erleichterungen auf dem Papier immer noch massive
Hindernisse in den Weg gelegt, wenn sie sich um Visa für den
Schengen-Raum bemühen. Die neuen EU-Mitgliedstaaten, allen voran Polen,
sehen sich gezwungen, ihre liberale Visapolitik gegenüber ihren
östlichen Nachbarn an die restriktivere Schengen-Gesetzgebung
anzupassen. Auch ein neues Abkommen der EU mit der Ukraine über
Visaerleichterungen bringt nur zweifelhafte Fortschritte.
Annegret Bendiek
Grenzregimes bilden. Migration in der Nachbarschaftspolitik
Die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) ist eine sehr junge
europäische Außenpolitik, die sich an die 16 angrenzenden Nachbarstaaten
der EU richtet. Der Westliche Balkan und die Türkei werden durch andere
EU-Programme abgedeckt und sind daher nicht Partner der ENP. In den
Bereichen Justiz/Inneres und Migration intendiert die EU in der ENP, ein
Grenzregime zu errichten, das sich auf drei Pfeiler stützt: a) die
Außenpolitik, b) die Grenzsicherung und c) die Einhaltung von
Menschenrechts- und Grundrechtsstandards. Der Aufbau des Grenzregimes in
der ENP setzt voraus, daß die EU und die ENP-Staaten im Sinne der joint
ownership das Gleichgewicht zwischen den Eckpfeilern immer wieder neu
verhandeln und austarieren.
Lili Di Puppo
Good Governance oder Sicherheit? Die EU-Antikorruptionspolitik im Südkaukasus
Die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) zielt darauf, Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit auf die Nachbarschaft der EU auszudehnen.
Gleichzeitig reagiert sie auf externe Sicherheitsbedrohungen an den
Grenzen der EU. Somit verbindet sie normative Instrumente der
Erweiterungspolitik mit einer strategischen außenpolitischen Agenda.
Dies zeigt sich auch in der Anti-Korruptionspolitik der EU. Die EU läuft
dabei Gefahr, daß ihre sicherheitspolitischen Ziele den Interessen der
ENP-Staaten zuwiderlaufen. Zudem verfehlt der auf die Staaten der
Erweiterungsrunde von 2004 zugeschnittene Ansatz der ENP die Probleme
von Ländern wie Georgien, die sich erst in einer Phase der Staatsbildung
befinden.
Natascha Wessel
Nonproliferationskooperation. Europäisch-ukrainische Exportkontrolle wider die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen
Die Europäische Union sieht die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen
als große Sicherheitsbedrohung. Um die Proliferation einzudämmen,
versucht sie, die Exportkontrollbehörden anderer Staaten zu stärken. In
der Ukraine untersucht das von der EU beauftragte Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle das Außenwirtschaftsrecht, gibt Ratschläge zur Anpassung an europäische Standards und internationale Nonproliferationsregimes und schult Beamte und Unternehmer.
Irina Albrecht, Claudia Topp
Exportkontrollkooperation. Europäisch-rußländische Zusammenarbeit wider die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen
Die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen stellt eine Bedrohung des
Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dar. Auch die EU hat
sich dem Kampf gegen die Proliferation verschrieben und versucht, die
Exportkontrollbehörden anderer Staaten zu stärken. Rußland, das seit
Anfang der 1990er Jahre in großen Mengen sensible Güter exportiert, ist
dabei ein wichtiger Partner. Daher arbeitet das von der EU beauftragte
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle mit den rußländischen
Behörden zusammen, um die Kommunikation zu verbessern und die
rußländischen Rechtsbestimmungen an europäische Standards anzunähern.
André Müller
Kommunikation über Grenzen. Kooperation in der Raum- und Regionalentwicklung
In Zeiten internationaler Vernetzung gewinnt grenzüberschreitende
Kooperation zwischen Regionen und Städten auch in der Raum- und
Regionalentwicklung an Bedeutung. Das Spektrum der Aktivitäten reicht
von der Erneuerung von Großwohnsiedlungen über energieeffiziente
Siedlungsentwicklung bis zum Aufbau eines paneuropäischen Netzwerks von
Innovationsregionen. Klare politische Rahmenbedingungen und transparente
Kommunikation in den Projekten sind Voraussetzung, um das Potential
grenzüberschreitender Kooperation auszuschöpfen.
Susanne Thau
Öffnung des Binnenmarkts? Chancen und Risiken der ENP
Ein zentrales Instrument der Nachbarschaftspolitik der EU ist die
Öffnung des EU-Binnenmarkts. Mit diesem Anreiz könnten die Nachbarländer
zu wirtschaftlichen und politischen Reformen bewegt werden. Da aber eine
Vereinfachung des freien Verkehrs von Personen, Waren, Dienstleistungen
und Kapital die wichtigsten Schutzbarrieren der EU abschaffen würde, muß
eine Annäherung in diesen Bereichen sehr genau geprüft und
Zugeständnisse auf Einzelfälle reduziert werden. Die ENP-Staaten müssen
zunächst Anpassungsleistungen wie die Anpassung der Rechtsvorschriften
und den Aufbau von Verwaltungsapparaten vollbringen. Dabei können sie
durch Twinning Partnerschaften unterstützt werden.
Published 13 February 2007
Original in German
Contributed by Osteuropa © Osteuropa
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