Kulturarbeit als Chance?

On Sinti and Roma art and culture

Kunst ist dazu da, um Individuen eine Freiheit zu verleihen, eigene Gefühle, Ansichten oder Identität auszudrücken, ohne gesellschaftliche Konventionen allzu sehr beachten zu müssen. Doch wenn es sich um die Kunst und Kultur von Sinti und Roma handelt, scheint die Situation etwas komplexer zu sein. Hier kommen zahlreiche Vorurteile, Stereotype oder einfach bestimmte Erwartungen ins Spiel, sei es seitens der Mehrheitsgesellschaft oder seitens der Angehörigen dieser Minderheit selbst. Sie beeinflussen nicht nur das alltägliche Leben vieler Sinti und Roma, sondern möglicherweise auch ihr Kunstschaffen, sei es auch nur durch den Zwang, auf diese zu reagieren und sie zu reflektieren.

The Roma Image Studio. Photo: Nihad Nino Pusija /fotofabrika.de

Um die soziale Wirkung, die die Kunst- und Kulturarbeit von Roma und Sinti erzielen, einschätzen zu können, es ist notwendig, vorerst die Situation der Sinti und Roma in Deutschland zumindest kursorisch zu schildern. Dies erweist sich allerdings als schwierig, da es keine offiziellen Studien über die Situation der nicht-deutschen Roma in Deutschland gibt. Die folgenden Angaben basieren daher auf zwei Studien, die ausschließlich die Situation der deutschen Sinti und Roma erforschen, wobei man annehmen kann, dass die Lage der nicht-deutschen Roma – vor allem bei den neu zugezogenen Roma aus Rumänien und Bulgarien – insbesondere im Bereich der Bildung und der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse noch gravierender ist. In Bezug auf Diskriminierung bzw. Rassismus kann hingegen davon ausgegangen werden, dass sich die Erfahrung der deutschen Sinti und Roma von den Erfahrungen der nicht-deutschen Roma nicht gravierend unterscheiden.

Die Repräsentativumfrage des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma zum Rassismus gegen Sinti und Roma in Deutschland wurde im Jahr 2006 durchgeführt, an ihr nahmen 309 Personen teil. 76% der Teilnehmenden bejahten dabei die Frage, ob sie schon häufiger diskriminiert wurden – bei der Arbeit, von Nachbarn, in Gaststätten oder an anderen Plätzen. 40% der Befragten waren der Ansicht, dass ihre Kinder oder Enkel in der Schule nicht ausreichend gefördert wurden, 40% der Befragten waren der Ansicht, dass ihre Kinder bzw. Enkelkinder in der Schule benachteiligt werden. Die Studie machte darüber hinaus auf die vorurteilsschürende Praxis der Medien aufmerksam, bei Berichten über Fehlverhalten oder Kriminalität von Einzelnen auf deren Minderheitenzugehörigkeit hinzuweisen. 90,3% der Befragten bejahten, dass diese Berichterstattung bei ihnen als Angehörigen der Minderheit Angst vor Vorurteilen hervorrufe.1

Die neuere Studie zur aktuellen Bildungssituation deutscher Sinti und Roma wurde zwischen 2007 und 2011 von der RomnoKher GmbH durchgeführt, es wurden 275 deutsche Sinti und Roma aus drei Generationen zu ihrer Bildungssituation befragt. Im Vergleich zur älteren Studie sind die Ergebnisse noch schockierender. 81,2% der Befragten haben persönliche Diskriminierungserfahrungen. Die Studie stellt fest: “Die Erfahrungen in der Schule sind in starkem Maße von offenen und verdeckten Diskriminierungen in Form von alltäglichen antiziganistischen Beschimpfungen und Vorurteilen seitens einzelner Schüler/innen bestimmt. Die Lehrer scheinen hier nicht professionell einzuschreiten.”2 Darüber hinaus besuchten laut Studie 13% der Befragten keine Schule, wobei dieser Anteil in der Mehrheitsbevölkerung wahrscheinlich unter 1% liegt. 44% der Befragten haben keinen Schulabschluss (im Vergleich zu 7,5% der Mehrheitsbevölkerung).3

Diese zwei Studien zeigen nicht nur die gegenwärtige Lage der Sinti und Roma im Bereich Bildung und den weit verbreiteten Rassismus auf, sondern verdeutlichen gleichzeitig die ersten zwei wichtigen Möglichkeiten der sozialen Wirkung von Kultur- und Kunst-Arbeit von bzw. mit Sinti und Roma. Erstens stellt die Kulturarbeit eine Chance für Roma und insbesondere Roma-Jugendliche dar, sich persönlich weiter zu entwickeln. Sie ermöglicht ihnen, sich neue Fähigkeiten anzueignen und Erfolge zu erleben. Dadurch wird dazu beigetragen, ihr Interesse an (nicht-formaler) Bildung zu wecken und sie in sinnvolle und positive Aktivitäten einzubeziehen. Zweitens hat die Kunst- und Kultur-Arbeit das Potential, ein breiteres Publikum, d.h. auch die Mehrheitsgesellschaft, zu erreichen, die in den Medien gängigen Bilder von Sinti und Roma zu wiederlegen und dadurch Vorurteile und Stereotype abzubauen sowie Exotisierungen entgegenzuwirken.

Unter diesen Gesichtspunkten möchte ich einige Roma-Kunst- und -Kultur-Projekte näher betrachten.

André J. Raatzsch: The Roma Image Studio

Im Falle des ersten und eines der wohl aktuellsten Projekte handelt es sich um eine Ausstellung und eine langfristige Foto-Plattform zugleich. Das Projekt wurde von André J. Raatzsch in Zusammenarbeit mit Lith Bahlmann und Emese Benkö kuratiert und im April 2013 in der Galerie im Saalbau in Berlin-Neukölln eröffnet. “Das Roma Image Studio ist eine künstlerische und kritische Plattform, welche die Repräsentation der europäischen Roma mit der Re- und Dekonstruktion der Roma-Identität, unter Berücksichtigung von Fotografie, Foto-Archiven und dem dazugehörigen fotografischen Diskurs, miteinander verbindet. […] Anhand ikonografischer Bilder aus internationalen Foto-Archiven und -Sammlungen, privaten Fotoalben und künstlerischen Fotografien eröffnet die Ausstellung den überfälligen inter- und transdisziplinären Diskurs über die De- und Re-Konstruktion des historischen und sozialen Gedächtnisses über die europäischen Roma.”4

The Roma Image Studio. Photo: Nihad Nino Pusija /fotofabrika.de

Raatzsch sieht seine Kunst als Instrument, um die Entexotisierung und Entromantisierung des “Sinti- und Roma-Bildes” zu erreichen: “In meiner künstlerischen Arbeit beschäftige ich mich seit 2007, nach der Teilnahme am Ersten Roma Pavillon der Biennale in Venedig, mit der Problematik der Roma-Darstellungen der Gegenwart. Dazu präsentiere ich zeitgenössische Fotografie und fotografische Archive sowie Skulpturen in performativen künstlerischen Kontexten, die nicht zu der gängigen romantisierenden und exotisierenden Ausstellungspraxis gehören.”5 Die Intention, auf die Mehrheitsgesellschaft zu wirken, tritt dabei deutlich in den Vordergrund.

Moritz Pankok: Galerie Kai Dikhas

Die im Jahre 2011 gegründete Galerie Kai Dikhas6 für zeitgenössische Kunst von Sinti- und Roma-Künstlern aus der ganzen Welt, die Moritz Pankok künstlerisch leitet, befindet sich im Aufbau Haus in Berlin-Kreuzberg. Auf der Website der Galerie steht: “Abgesehen vom Roma-Museum in Brünn (Tschechische Republik), das jedoch nicht allein auf Bildende Kunst spezialisiert ist, gibt es bislang keine permanente Institution, die sich der Kunst der Sinti und Roma widmet, sie erforscht, verbreitet und einer größeren Öffentlichkeit vorstellt. Die Galerie Kai Dikhas hilft, diesem Umstand Abhilfe zu schaffen.”7

Darüber hinaus “[…] begründet [sie] einen neuen Freiraum, der es Roma-Künstler_innen ermöglicht, ihre Talente und Fähigkeiten zu entfalten und darzustellen. Die Galerie Kai Dikhas trägt zu einer inneren und äußeren Emanzipation der Roma-Kultur bei.”8 Die Absicht, Veränderungen und positive Entwicklungen innerhalb der “Sinti- und Roma-Kunstszene” zu bewirken, wird dadurch eindeutig deklariert.

Als Kurator der (vermutlich) einzigen Galerie für bildende Kunst von Sinti und Roma in Deutschland beschreibt Moritz Pankok seine Absicht, der breiten Öffentlichkeit die Heterogenität dieses Kunstbereichs zu zeigen:

“Ich glaube, die Galerie zeigt ganz klar, dass es eine sehr große Vielfalt und ganz unterschiedliche Denkweisen innerhalb der Minderheit gibt, dass es Menschen gibt, die sehr kleine, bewegliche Installationen aus Recycled-Materialien machen, genauso wie Maler, die 2×3 Meter große Ölgemälde machen, die gar nichts z.B. mit einer nomadischen Kunst zu tun haben.”9

Nihad Nino Pusija: Roma é Roma – Roma in Rom

Seit neun Jahren besucht Nihad Nino Pusija immer die gleichen Roma-Familien, die in den Lagern um Rom leben und verfolgt ihre Lebenssituation. Er fand dabei “junge Gladiatoren, stolze Pubertierende, desillusionierte wie auch lebensfrohe Menschen, die unter schwierigsten Bedingungen versuchen, ihr Überleben zu sichern.”10 Seine Fotos wurden im Herbst 2012 in der Galerie Kai Dikhas gezeigt.

From the Roma in Rome exhibition. Photo: Nihad Nino Pusija /fotofabrika.de

In der Pressemitteilung zu seiner Ausstellung erklärt er, dass sein Ziel die Dekonstruktion des klischeehaften und homogenisierenden Bildes von Sinti und Roma ist: “Dort, wo ich lebe und arbeite, spüre ich Mikrokosmen auf, dokumentiere Veränderungen im Kleinen und halte Unauffälliges fest, um mit den so entstandenen Serien ein tendenzielles Gesamtbild meiner Umgebung abzubilden.”11

Hamze Bytyci und Rafael Badie Massud: Romeo rennt

Romeo rennt ist ein Theaterstück, das von 14 Jugendlichen im Rahmen der akademie der autodidakten eingeübt und im Mai 2012 im Ballhaus Naunynstraße aufgeführt wurde. “Nach einer Odyssee vom Balkan bis nach Berlin landet Romeo schließlich im Zirkus: Hier nimmt eine unmögliche Hochzeit ihren Lauf, Rituale laufen aus dem Ruder und das Prisma der Perspektiven dreht sich weiter.”12

A scene from. Photo: Nihad Nino Pusija /fotofabrika.de

Die Theatervorstellung Romeo rennt entstand in Zusammenarbeit mit Jugendlichen, d.h., dass diese sich mit ihren Ideen und ihren Persönlichkeiten in das Theaterstück einbringen konnten. Ein wichtiger Aspekt war dabei das Erfolgserlebnis, das durch die Tatsache, dass beide Aufführungen ausverkauft waren, noch zusätzlich verstärkt wurde. Dies ist eine wirksame Methode der nicht-formalen Bildung, die das Potential hat, langfristige die Entwicklung junger Menschen zu beeinflussen. Da sich das Theaterstück intensiv mit verschiedenen “Roma-Traditionen” und Stereotypen gegenüber Sinti und Roma auseinandersetzte, war auch die Wirkung auf das Publikum besonders groß.

Ivor Stodolsky und Marita Muukkonen: Perpetual Romani-Gypsy Pavilion

Perpetual Romani-Gypsy Pavilion ist ein “Wanderpavillon”, der während der Venediger Biennale 2009 eröffnet wurde. Er war eine spontane Reaktion auf zwei Umstände: Der offizielle Roma-Pavillon wurde kurzfristig abgesagt und gleichzeitig verletzte Berlusconis Regierung die Rechte der in Italien lebenden Roma schwerwiegend.13 Der Roma-Pavillon wurde Teil von zehn nationalen Pavillons im Rahmen der Biennale, er hatte die Form einer “Postkarte aus Venedig”, auf die man seinen eigenen Fingerabdruck abdrucken konnte.14

Wie aus dem Interview mit Ivor Stodolsky hervorgeht, war das Ziel des Perpetual Romani-Gypsy Pavilions vor allem, die weltweite Szene der zeitgenössischen Kunst anzusprechen und die “Roma-Kunst” vor diesem Publikum zu (re)präsentieren: “Damals in Venedig war es sehr wichtig, dass es über e-flux herauskam, wir haben im letzten Augenblick e-flux überzeugt, es umsonst zu machen und es kam raus, als alle Kuratoren noch da waren. Der ungarische Pavillon war dabei, die Schweden, die Norweger – insgesamt zehn Länder. Das war das erste Mal, dass “Gypsies” in der internationalen Kunstszene innerhalb der anderen Pavillons dabei waren. […] Dieser Perpetual Pavilion war sehr politisch, gegen Berlusconis Politik gerichtet – Leute wurden auf den Straßen umgebracht, in Neapel wurden Kinder tot auf dem Strand aufgefunden. Das Publikum war damals contemporary art, weil es der größte und wichtigste Event von contemporary art überhaupt war, da sind alle Augen auf Venedig.”15 Die Intention war dabei etwas anders als bei anderen Projekten, denn es ging nicht nur darum, die breite Öffentlichkeit zu erreichen, sondern vor allem Einfluss auf die Roma-Repräsentation auf einer hohen politischen Ebene zu nehmen. Dies könnte man als die dritte Möglichkeit der sozialen Wirkung der Kunst und Kultur von Sinti und Roma bezeichnen.

Kulturelle Identität und Selbstrepräsentation

Hier möchte ich folgende Frage stellen: Gibt es überhaupt so etwas wie eine kulturelle Roma-Identität? Die Antwort, die sich aus den von mir durchgeführten Recherchen und Interviews ergibt, ist eindeutig: EINE kulturelle Roma-Identität gibt es nicht. Es gibt verschiedene heterogene Identitäten, die sich aus regionalen sowie individuellen Elementen zusammensetzen.

Besonders wichtig erscheint mir auch die Frage der Selbstrepräsentation. Die Sinti und Roma möchten und müssen selbst an der Entscheidung beteiligt sein, auf welche Weise sie dargestellt werden.

In der Pressemitteilung zur Ausstellung Roma é Roma von Nihad Nino Pusija wird beispielsweise die landläufig übliche Fremddarstellung der Roma problematisiert und unter anderem seine Roma-Herkunft als ein wichtiger Vorteil hervorgehoben:

“Das fotografische Bild von ‘Zigeunern’ ist bislang meist von Außenstehenden, nicht von Angehörigen der Minderheit selbst geprägt worden – meist ohne das Einverständnis beziehungsweise gegen den Willen der Porträtierten. So werden immer wieder die gleichen, klassischen Stereotype der Andersartigkeit tradiert und aufgegriffen, ohne hinter die homogene Oberfläche zu dringen. Aufgrund seiner Herkunft gelingt es ihm leicht, selbst Teil der fotografierten Szene zu werden und kommt den Porträtierten so nah, wie kaum jemand anderes.

Als Wanderer zwischen den Welten sucht Nihad Nino Pusija neue Aspekte in der Realität seiner Minderheit und befreit so das Selbstbild der Roma von Fremdbestimmtheit, vom Blick der Anderen. Das Medium Fotografie dient als Identitätsbearbeitung und als Rückaneignung des Selbstbildes.”16

Moritz Pankok, der keinen Roma-Hintergrund hat, will als Kurator einer Sinti- und Roma-Galerie den Sinti- und Roma-Künstler_innen einen Raum zu bieten, in dem sie sich selber präsentieren können:

“Ich will nicht meine Künstler durch irgendwelche inhaltlichen Vorschriften zu sehr beeinflussen, sondern es soll ein Raum da sein, der ihnen zur Verfügung steht, um sich selber darzustellen.”17

Er geht in seiner Überlegung noch weiter, indem der sagt:

“Es ist nicht Aufgabe oder Pflicht der Minderheit, sich darum zu kümmern, in der Mehrheit verstanden zu werden, sondern eigentlich hat die Mehrheitsgesellschaft die Mittel in der Hand, sich zu informieren und auf Menschen zuzugehen und ihnen Raum in der Kommunikation und in den Medien zu geben.”18

Wenn es um Kunst, bzw. Kultur der Sinti und Roma geht, wird oft über die Neigung zu Folklore bzw. Kitsch und über die Homogenisierung der vielfältigen Minderheit gesprochen….
André J. Raatzsch weist darauf hin, dass es bei allen Nationen eine Folklore gibt:

“Diese Folklore wird durch Institutionen wie Museen, Galerien, Kultureinrichtungen, Bildungseinrichtungen geprägt, weitergeführt, neu formuliert, neu kommuniziert. Im Fall von Roma passiert diese ganze Bewegung, dieser ganze Wechsel erst seit den 70er-Jahren. […] Und wir müssen das auch ganz genau sehen, dass diese Bewegung sehr langsam ist. Warum? Weil die Roma selbst als Minderheit nur sehr wenige Instrumente, Institutionen haben, die das ganz genau bestimmen, langfristig pflegen und kommunizieren können. Und ich denke, in der Zukunft wird sich auch in der Roma-Kultur Folklore, zeitgenössische Kunst und regionale bzw. lokale Kunst einfach trennen.”19

Folklore ist also ein legitimer Bestandteil der “Sinti- und Roma-Kultur”, allerdings darf sie nicht darauf reduziert werden….
Im Gegensatz dazu gilt es, gegen die Exotisierung und Homogenisierung der “Sinti- und Roma-Kunst” anzukämpfen….
Moritz Pankok sieht in der Kunst und in den Mitteln, die der Kunst zur Verfügung stehen, eine Möglichkeit, Stereotype aufzugreifen und abzubauen, beispielsweise durch Humor:

“Es ist auch so, dass die Kunst oft eben auch einen humoristischen Ansatz ermöglicht, was – wenn man sich mit einem Thema wie Rassismus wissenschaftlich oder medientheoretisch auseinandersetzt – sehr schwierig wäre. […] Es wäre eigentlich sehr befreiend. Und das ist eben auch die Freiheit, die ein Künstler hat – also z.B. in Damien Le Bas’ Arbeiten sind sehr viele sehr schlimme Stereotype. […] Aber beim Thema ,sich mit Klischees auseinanderzusetzen’ muss man sehen, mit welchen Intentionen das gemacht wird. Z.B. bei Damien Le Bas kommen immer wieder Klischees vor, die werden auf jeden Fall genutzt als Mittel der Kommunikation – aber immer mit dem Ziel, sie überhaupt sichtbar zu machen, zu entlarven und zu brechen. Und das aber eben mit Humor.”20

Immer wieder wird die Frage gestellt, ob die Bezeichnung “Roma-Kunst”, bzw. “Roma-Künstler_in” nicht auch als “Türöffner”, als Art “Eintrittskarte in die Welt der Kunst” wirken bzw. missbraucht werden kann.

Auf die Frage des Redakteurs von Deutschlandradio Kultur, ob “Sinti- und Roma-Kunst” denn “auch ein Etikett [sei], das einen schützen, mit dem man eventuell sogar werben kann – seht her, hier kommt die Kunst einer diskriminierten Minderheit, aber da dürft ihr definitiv nicht dagegen sein”, antwortete André J. Raatzsch folgendermaßen:

“[…]Ehrlich gesagt, einerseits, man wäre dumm, wenn man das nicht nutzen würde, andererseits, wie man das nutzt, das ist wichtig: was man damit erreicht, was man damit kaputt macht. Wie kann man das so gestalten, dass die Emanzipationsprozesse, dass die Protagonisten, die als Roma hier teilnehmen und teilnehmen möchten, später das erreichen können, was zum Beispiel in den USA bei der Black Culture passiert ist, dass die anerkannt sind heute, in der internationalen Kunstwelt etabliert sind.”21

Moritz Pankok meint dazu:

“Die Leute werden hier nicht ausgestellt, bloß weil sie Roma sind und die Pinsel in die Hand nehmen. Ihre Kunst muss mich überzeugen und das hat sehr viel mit der künstlerischen oder ästhetischen Qualität zu tun.”22

Ähnlich wie für Pankok ist auch für Ivor Stodolsky die Qualität der künstlerischen Produktion am wichtigsten. Darüber hinaus achtet er darauf, dass die von ihm ausgewählten Werke auch in das aktuelle künstlerische Konzept passen:

“Ja, es ist ein Ticket. Aber, ich meine – es sind so viele Tickets hier! Du kannst auch nicht sagen: Ich bin die neuen Beatles – dann hast du kein Ticket! [lacht] Du musst doch auch irgendwie etwas machen, was noch nicht gemacht wurde.”23

Repräsentativumfrage des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma über den Rassismus gegen Sinti und Roma in Deutschland, zentralrat.sintiundroma.de/content/downloads/stellungnahmen/UmfrageRassismus06.pdf (26.12.2012)

ebd.

André J. Raatzsch "Ein Interview mit mir selbst", eu-infothek.com/article/andre-j-raatzsch-ein-interview-mit-mir-selbst (06.04.2013)

ebd.

Zur Galerie Kai Dikhas siehe auch den Text Ort des Sehens von André J. Raatzsch in dieser Publikation.

Ort des Sehens/Kai Dikhas/Place to see, kaidikhas.com (07.04.2013)

ebd.

ebd.

Pressemitteilung Nihad Nino Pusija. Roma é Roma - Roma in Rom, kaidikhas.de/de/exhibitions/roma_E_roma_1/text (06.04.2013)

ebd.

Ballhaus Naunynstraße: Romeo rennt, ballhausnaunynstrasse.de/index.php?id=21&evt=610 (25.12.2012)

Perpetual Romani-Gypsy Pavilion, perpetualpavilion.org (26.12.2012)

Interview mit Ivor Stodolsky, geführt am 20.04.2013.

ebd.

Pressemitteilung Nihad Nino Pusija. Roma é Roma - Roma in Rom, kaidikhas.de/de/exhibitions/roma_E_roma_1/text (21.04.2013)

ebd.

ebd.

Jenseits von Folklore-Kitsch, dradio.de/dkultur/sendungen/thema/2063875 (22.04.2013)

Interview mit Moritz Pankok, geführt am 29.03.2013.

Jenseits von Folklore-Kitsch, dradio.de/dkultur/sendungen/thema/2063875 (24.04.2013)

Interview mit Moritz Pankok, geführt am 29.03.2013.

Interview mit Ivor Stodolsky, geführt am 20.04.2013.

Published 7 January 2014
Original in German
First published by First published in IG Kultur Österreich (ed.), Romanistan is Everywhere: Tracing Treacherous Terrain, in-house publication, 2013

© Hamze Bytyci / Eurozine

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