Gedächtniskonjunktur

Wir erleben eine weltweite Konjunktur des Gedächtnisses. Seit zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren macht sich allenthalben, in allen Ländern, allen gesellschaftlichen und ethnischen Gruppen eine tiefgreifende Veränderung der traditionellen Beziehung zur Vergangenheit bemerkbar.

Diese Veränderung hat vielerlei Formen angenommen: Kritik der offiziellen Geschichtsdarstellung und Wiedererwachen der verdrängten Anteile des historischen Geschehens; Einforderung der Spuren einer zerstörten oder beschlagnahmten Vergangenheit; Pflege der Wurzeln und Entwicklung der Ahnenforschung; Aufblühen aller möglichen Arten des Gedenkens; juristische Aufarbeitung der Vergangenheit; Eröffnung der verschiedensten Museen; erhöhte Sensibilität für die Vorenthaltung von Archivbeständen und deren Freigabe zur Einsicht; neue Bindungen an das, was die Angelsachsen , die Franzosen und die Deutschen Erbe nennen. Wie auch immer diese Elemente kombiniert sein mögen, es ist, als wäre eine Flutwelle der Erinnerung über die Welt hereingebrochen und hätte überall eine enge Verbindung zwischen der – realen oder imaginären – Treue zur Vergangenheit und dem Zugehörigkeitsgefühl, dem Kollektivbewusstsein und dem individuellen Selbstgefühl, dem Gedächtnis und der Identität geschaffen.

Frankreich war wohl das erste Land, das in diese Ära des leidenschaftlichen, konfliktbeladenen, fast zwanghaften Gedenkens eingetreten ist. Dann, nach dem Fall der Mauer und dem Verschwinden der Sowjetunion, meldete sich das “wiedergefundene Gedächtnis” Osteuropas zurück. Und schließlich, mit dem Sturz der lateinamerikanischen Diktaturen, mit dem Ende der Apartheid in Südafrika und der Truth and reconciliation commission, wurden die Zeichen einer wirklichen Globalisierung des Gedächtnisses gesetzt, und es tauchten sehr vielgestaltige, aber vergleichbare Formen der Vergangenheitsbewältigung auf.

Das Besondere an der französischen Situation, das ich zunächst herausarbeiten möchte, resultiert aus dem rein konjunkturellen Zusammentreffen von drei wesentlichen Phänomenen in der Mitte der 70er Jahre – Phänomenen, die allem Anschein nach unabhängig voneinander waren, aber deren Wirkungen sich dahingehend verbanden, dass in Frankreich das historische Bewusstsein in ein Bewusstsein des Gedächtnisses umschlug. Man könnte den zeitlichen Rahmen sogar noch enger fassen und 1975 als das Wendejahr definieren, in dem die Folgen der Wirtschaftskrise, die Niederschläge der Ära nach de Gaulle und die Erschöpfung der revolutionären Idee am sichtbarsten aufeinandertrafen.

Auch die Wirtschaftskrise, ausgelöst 1974 durch die sprunghafte Erhöhung des Ölpreises, war eine Angelegenheit, die weltweit alle industrialisierten Länder betraf. Aber in Frankreich wurde sie um so schärfer empfunden, als sie nach über dreißig Jahren beschleunigten Wachstums, intensiver Industrialisierung und Urbanisierung das Ende eines Aufschwungs bedeutete, der wie im Sturm ein ganzes Gefüge von Traditionen, Landschaften, Berufsständen, Bräuchen und Lebensweisen mitgerissen hatte, die lange – und in Frankreich länger als in jedem anderen industrialisierten Nachbarland – unverändert geblieben waren. Das abfallende Wachstum ließ Frankreich mit einem Schlag nicht nur die Schäden begreifen, die der Fortschritt angerichtet hatte, sondern auch die endgültige Abgeschnittenheit von dem, was bis nach dem Zweiten Weltkrieg seine Basis und sein Fundament gewesen war, insbesondere den Verlust der unerschütterlichen, tausendjährigen Stabilität seiner ländlichen und bäuerlichen Grundlagen.

Die Soziologen und Historiker hatten das Ende der Bauern schon seit fünfzehn Jahren beschrieben, aber plötzlich wurde es fast körperlich spürbar und schmerzhaft wie eine Amputation: Es war das Ende des “Gedächtniskollektivs” par excellence. 1975 ist genau das Jahr, in dem die Quote der Erwerbstätigen aus dem landwirtschaftlichen Sektor unter die schicksalhafte Zehn-Prozent-Schwelle sank, während sie kurz nach dem Krieg noch beinahe die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung umfasst hatte. Es ist auch das Jahr, in dem der unerwartete, durchschlagende Erfolg bestimmter Bücher – wie Le Cheval d’orgueil, der Chronik eines traditionellen bretonischen Dorfes, von Pierre-Jakez Hélias, Montaillou, village occitan, von Emmanuel Le Roy Ladurie oder der Histoire rurale unter der Leitung von Georges Duby und Armand Wallon – ein “ländliches Gedächtnis” offenbart, das nur noch von seiner einfühlsamen oder wissenschaftlichen Darstellung lebt. Das Ende der Ländlichkeit, bald gefolgt vom Ende der auf lateinisch gehaltenen Messen, bedeutet den eigentlichen Bruch: das Abreißen der Nabelschnur, die Frankreich noch mit dem verband, was der Historiker Jacques Le Goff “sein langes, sehr langes Mittelalter” nennt, und das die Basis für den breiten, nicht nachlassenden Publikumserfolg abgeben sollte, den das Mittelalter und die mittelalterlichen Bauwerke seither genießen.

Die Wiederverwurzelung des Imaginären in einer fernen Vergangenheit kann übrigens durchaus dazu beigetragen haben, dass gerade 1974 ein Mann wie Valéry Giscard d’Estaing zum Präsidenten der Republik erhoben wurde. Welches schlummernde Bild von Frankreich verkörperte dieser junge und brillante Wirtschaftsexperte aus der Großbourgeoisie, von Herzen Europäer und Fürsprecher einer “Entkrampfung” des politischen Lebens, der seine siebenjährige Amtszeit unter dem Zeichen der “Veränderung”, das heißt der Modernisierung antrat? Vermutlich hat die Aufbruchsstimmung zu Beginn der neuen Präsidentschaft, die sich so selbstsicher technokratisch und pariserisch gab, doch etwas mit dem Eintauchen in die verlorenen und wiedergefundenen Tiefen zu tun, dem sich die Franzosen begeistert hingegeben haben und von dem zur allgemeinen Überraschung 1980, in dem Jahr, das der Präsident der Republik selbst dem “Erbe” widmen wollte, vieles wieder an die Oberfläche kam.

Die Tatsache, dass der Amtsantritt Giscard d’Estaings in allen Bereichen einen klaren Bruch mit der gaullistischen Tradition markierte, hat die Wirkungen des Post-Gaullismus – das zweite Phänomen von großer Tragweite – sicherlich verstärkt. Diese Wirkungen, vielfältig in ihrer Art und ebenso mächtig wie schleichend, sind noch lange nicht so gut erforscht, wie sie es verdient hätten. Was die Neuinterpretation der nationalen Vergangenheit betrifft, so haben sie sich – um sie schematisch zu unterscheiden – in drei Wellenlängen ausgedrückt.

Kurzfristig brachte der Tod des “Befreiers” im November 1970 das sofortige Ende der offiziellen und alleingültigen “Widerstandsversion” des Kriegsgeschehens, die de Gaulle seit der Befreiung von Paris hatte verkünden lassen und derzufolge alle Franzosen, ausgenommen eine Handvoll von Verrätern und Verirrten, gegen die deutsche Besetzung aufgestanden wären. Es gibt drei Anzeichen, die gewöhnlich mit dem Wiederaufsteigen der düsteren Erinnerung an das Frankreich des Vichy-Regimes – “die Vergangenheit, die nicht vergeht”, wie man es mittlerweile fast sprichwörtlich nennt – in Verbindung gebracht werden: die empörten Reaktionen der Vereinigungen ehemaliger Résistancekämpfer auf die Begnadigung, die Präsident Pompidou 1971 dem Milizsoldaten Touvier gewährte; der (auf die schwarze Liste gesetzte) Film von Marcel Ophüls, Le Chagrin et la Pitié (1971), der ein wenig heldenhaftes Frankreich zeigte; und die französische Übersetzung des Buchs von Robert O. Paxton, La France de Vichy (1973), das mit der offiziellen Geschichtsschreibung brach.

Längerfristig repräsentiert der Post-Gaullismus die Rückbesinnung auf eine tiefere Schicht der Vergangenheit. Die Institutionen der fünften Republik, von denen man zunächst geglaubt hatte, sie seien maßgeschneidert, ganz zugeschnitten auf den General, erwiesen sich als überlebensfähig, und als François Mitterand, ihr größter Gegner in der Opposition, sie, nachdem er an die Macht gekommen war, unverzüglich übernahm, bestätigte sich die Ahnung, dass de Gaulle seine historische Wette gewonnen hatte: die Institutionen, die durch den Sturz der absoluten Monarchie seit der Revolution ins Wanken gekommen waren, wieder ins Gleichgewicht zu bringen. François Furet etwa hat diese Ahnung 1978 in seinem Buch Penser la Révolution française in den berühmten Satz gefasst: “Die Französische Revolution ist beendet.” Damit waren auch die beiden letzten Jahrhunderte wieder in die lange Dauer und die Kontinuität des Nationalstaats eingegliedert. Es begann eine positive Neubewertung der gesamten monarchischen Vergangenheit, und wider alle Erwartungen wurde der unwahrscheinliche tausendjährige Geburtstag Hugo Capets schon 1987 – ehe man 1996 Chlodwigs tausendfünfhundertsten Jahrestag beging – als ein regelrechtes Volksfest unter dem Motto gefeiert: Frankreich ist tausend Jahre alt!

Noch allgemeiner gesehen, hat die Erhebung der letzten großen Gestalt der französischen Nation auf den höchsten Gipfel ihres Ruhms Erfrischung für die ganze Galerie gebracht. Man kommt nicht umhin, die Wiederaufwertung des “großen Mannes” in Zusammenhang mit der Rückkehr zur historischen Biographie zu bringen, einem Genre, das nach langer Ächtung in jüngster Zeit floriert. Man kommt auch nicht umhin, sie auf einer tieferen Ebene mit einem anderen Effekt zu verbinden: der neuen Sensibilität der Franzosen für “eine bestimmte Idee von Frankreich”, das heißt, nicht mehr nur für seine Geschichte, sondern auch für seine Landschaften, seine Küche, seine heimatlichen Böden und seine Traditionen. Aber so treffsicher diese neue Sensibilität den steilen Aufstieg der extremen Rechten und des Front National von Jean-Marie Le Pen erklären konnte, fand sie ihren Niederschlag als Rechtfertigung einer neuen Sorge um die Nation auch in der Linken – eine Tatsache, die gern benutzt wurde, um unter Preisgabe der revolutionären Idee auf das Scheitern des Marxismus zu verweisen.

Eben dies ist das dritte Phänomen – weniger greifbar, aber vielleicht noch bedeutsamer -, das entscheidend dazu beigetragen hat, dass die Franzosen eine andere Haltung gegenüber ihrer eigenen Vergangenheit eingenommen haben. Der intellektuelle Zusammenbruch des Marxismus, die radikale Diskreditierung der Sowjetunion, der rapide Niedergang der Kommunistischen Partei, die einige Jahre zuvor noch bis zu einem Viertel der Wählerschaft mobilisieren konnte, und der Verlust ihrer Ausstrahlung auf einen großen Teil der französischen Intelligentsia sind die wichtigsten Ereignisse dieser Zeit. Um das Bild abzurunden, sei 1975 noch als das Jahr erwähnt, in dem die französische Übersetzung des Archipel Gulag von Alexander Solschenizyn einen riesigen Erfolg erlebte. Auch dieses Phänomen geht weit über den nationalen Rahmen hinaus, doch die Existenz einer starken und von Grund auf stalinisierten Kommunistischen Partei hat ihm besondere Prägnanz verliehen. In einem Land wie Frankreich, das seit 1789 das Vaterland der Revolutionen war, musste das Ende der revolutionären Idee, des mächtigsten Vektors für die Orientierung der historischen Zeit auf die Zukunft, zwangsläufig eine rasche Veränderung des Gefühls für die Vergangenheit bewirken. Beim Zeitbegriff des revolutionären Typus weiß man, was man von der Vergangenheit bewahren muss, um die Zukunft vorzubereiten; und man weiß auch, was man von ihr unterdrücken, vergessen, ja gegebenenfalls zerstören muss. Der historischen Zeit wohnt ein Wille zum Bruch inne. Durch die Abwertung der Idee des Bruchs hat die Idee der Tradition ihre Legitimität zurückgewonnen. Dabei geht es nicht um eine Tradition, deren Erben und Fortsetzer wir wären, sondern um eine solche, von der wir auf immer getrennt sind, und die eben darum kostbar und geheimnisvoll anmutet, mit einem ungewissen Sinn begabt, den wir zu suchen und ihr wiederzugeben hätten. Der in diesen Jahren plötzlich aufgeblühte Kult um das Erbe der Nation hat keinen anderen Grund. Sein Geheimnis liegt darin, dass das Verschwinden der von der revolutionären Idee gelenkten historischen Zeit der Vergangenheit ihre Freiheit, ihre Unbestimmtheit, ihr materielles wie immaterielles Gewicht für die Gegenwart zurückgegeben hat.

Die genannten drei großen Phänomene – die aktivsten und die wichtigsten vielleicht, aber bei weitem nicht die einzigen – haben in der Mitte der 70er Jahre einen gemeinsamen Resonanzboden gefunden und die Idee eines nationalen “Gedächtnisses” hervorgebracht. Eine neue Idee also, kaum dreißig Jahre alt, aber mittlerweile prächtig gediehen.

Diese Bewegung, die dem Gedächtnis einen neuen Platz einräumt und die ich vorgeschlagen habe, als “Epoche des Gedenkens” zu bezeichnen, ist so allgemein, so tiefgreifend, so mächtig, dass es sich lohnt – selbst auf die Gefahr hin, über Allgemeinheiten oder Trivialitäten nicht hinauszukommen -, nach ihren Ursachen zu fragen. Wie mir scheint, erfolgt die Konjunktur des Gedächtnisses am Schnittpunkt zweier großer historischer Phänomene, die der Epoche ihr Gepräge geben: einem zeitlichen und einem gesellschaftlichen Phänomen. Sie sind es, mit denen ich mich hier befassen und die ich zur Diskussion stellen will.

Das erste Phänomen hat mit der sogenannten “Beschleunigung der Geschichte” zu tun. Diese von Daniel Halévy aufgebrachte Formulierung bedeutet, dass das Kontinuierlichste und Dauerhafteste nicht mehr in der Dauerhaftigkeit und der Kontinuität besteht, sondern in der Veränderung: einer Veränderung, die immer mehr Tempo gewinnt, die mit zunehmender Beschleunigung alle Dinge in eine immer schneller sich entfernende Vergangenheit befördert. Man muss sich darüber klar werden, was dieser Umbruch bedeutet. Er ist entscheidend für die Organisation des Gedächtnisses. Wie ein Sprengsatz hat er die Einheit der historischen Zeit zerstört, die schöne und schlichte Linearität, die die Gegenwart und die Zukunft mit der Vergangenheit verband.

Bis dahin war in der Tat die Vorstellung, die sich eine beliebige Gemeinschaft – ob Nation, Gruppe oder Familie – von ihrer Zukunft machte, maßgeblich für das gewesen, was sie zur Vorbereitung dieser Zukunft von der Vergangenheit bewahren musste, und was so der Gegenwart, die nur als Bindeglied erschien, ihren Sinn verlieh. Etwas schematisch ausgedrückt, gab es drei Muster, in denen sich die Zukunft denken ließ und die ihrerseits das Gesicht der Vergangenheit bestimmten: Man konnte sich die Zukunft als eine Art Wiederherstellung der Vergangenheit, als eine Art Fortschritt oder als eine Art Revolution vorstellen. Heute erwarten wir uns nichts mehr von diesen drei Erklärungsschemata, die es erlaubten, die “Geschichte” auf je verschiedene Weise zu organisieren. Absolute Ungewissheit lastet nun auf dem, was die Zukunft sein wird. Und eben diese Ungewissheit macht es der Gegenwart – die über nie dagewesene technische Aufbewahrungsmöglichkeiten verfügt – zur Pflicht, sich zu erinnern. Wir haben keine Ahnung, was unsere Nachkommen einmal von uns werden wissen müssen, um sich selbst zu verstehen. Dank unserer Unfähigkeit zur Antizipation der Zukunft sind wir darauf angewiesen, recht undifferenziert, aber gewissenhaft alle sichtbaren Spuren und materiellen Zeichen zu sammeln, die (vielleicht) einmal davon zeugen werden, was wir sind oder gewesen sein werden. In anderen Worten, es ist das Ende jeder Art von Geschichtsteleologie – das Ende einer Geschichte, deren Ende man kennt -, welches der Gegenwart jene unabweisliche “Pflicht zur Erinnerung” aufbürdet, von der so viel die Rede ist. Im Unterschied zu Paul Ricoeur, der sich von dieser abgedroschenen Formel distanziert und ihr den Ausdruck “Erinnerungsarbeit” vorzieht, bin ich bereit, sie zu akzeptieren, allerdings unter der Bedingung, ihr einen sehr viel umfassenderen Sinn zu geben als den, der ihr gewöhnlich verliehen wird: einen Sinn, der viel weiter gespannt, viel mechanischer, materieller, patrimonialer ist als die gängige moralische Bedeutung. Einen Sinn, der sich nicht mit Schuld verbindet, sondern mit Verlust, was etwas ganz anderes ist.

Die “Beschleunigung der Geschichte” lässt nämlich unerbittlich, entsprechend ihren Auswirkungen auf die Zukunft, die ganze Vergangenheit entrücken, so dass wir von ihr abgeschnitten sind. Sie ist für uns verloren, “the world we have lost”, um den berühmten Ausspruch eines englischen Bevölkerungshistorikers zu gebrauchen. Eine Welt, in der wir nicht mehr leben, die sich uns nur noch über Spuren mitteilt – Spuren, die übrigens rätselhaft geworden sind und die wir befragen müssen, da sie eben das Geheimnis dessen bergen, was wir sind, unsere “Identität”. Wir sind nicht mehr auf gleicher Höhe mit der Vergangenheit. Um sie wiederzufinden, sind wir auf Rekonstruktionsversuche anhand von Quellen, Archiven oder Monumenten angewiesen, und dieses Vorgehen führt dazu, dass der Begriff “Gedächtnis”, der selbst eine konstruierte Erinnerung bezeichnet, heute für das gleiche verwendet wird, was man früher einfach “Geschichte” nannte. Auch in einer solchen tiefen und gefährlichen Sinnverkehrung drückt sich der Geist der Epoche aus. Das Wort “Gedächtnis” hat eine so allgemeine, so übergreifende Bedeutung angenommen, dass es das Wort “Geschichte” schlicht und einfach zu ersetzen und die praktizierte Geschichte in den Dienst der Erinnerung zu stellen droht.

Die “Beschleunigung der Geschichte” hat also zwei Wirkungen, die das Gedächtnis betreffen:

– zum einen den Effekt der Akkumulation, der mit dem Verlustgefühl zusammenhängt und verantwortlich ist für die Aufblähung der Gedächtnisfunktion, für die Hypertrophie der Institutionen und Hilfsmittel der Erinnerung: Museen, Archive, Bibliotheken, Sammlungen, Digitalisierung der Bestände, Datenbanken, Chronologien usw.;

– und zum anderen – zwischen einer unvorhersehbaren Zukunft und einer wieder dunkel und undurchsichtig gewordenen Vergangenheit – den Effekt der Verselbständigung der Gegenwart, ihr Aufkommen als Kategorie der Intelligibilität unserer selbst – aber einer schon historischen Gegenwart, die sich selbst und ihre Wahrheit reflektiert. Meiner Ansicht nach ist es die Explosion der historischen und zeitlichen Kontinuität, die dem Gedächtnis seine ganze Aktualität verleiht. Die Vergangenheit ist keine Garantie mehr für die Zukunft: Das ist der Hauptgrund, warum das Gedächtnis zur dynamischen Kraft, zur Verheißung von Kontinuität befördert wird. Früher gab es einen Zusammenhalt zwischen der Vergangenheit und der Zukunft, für den die Gegenwart nur das Bindeglied war. Heute gibt es einen Zusammenhalt zwischen der Gegenwart und dem Gedächtnis.

Der zweite Grund für den starken Auftrieb des Gedächtnisses ist gesellschaftlicher Natur: Er hat mit einer Entwicklung zu tun, die man analog zur “Beschleunigung” die “Demokratisierung” der Geschichte nennen könnte. Gemeint sind die mächtigen Befreiungs- und Emanzipationsbestrebungen der Völker, Ethnien, Gruppen oder sogar Individuen, die auf die heutige Welt einwirken; kurz, das rasche, fast schlagartige Aufkommen aller möglichen Formen des Gedächtnisses von Minderheiten, für die die Rückgewinnung ihrer eigenen Vergangenheit integraler Bestandteil ihrer Identitätsfindung ist.

Es sind im wesentlichen drei Typen der Dekolonisierung, denen diese Minderheitsgedächtnisse entspringen: Die globale Dekolonisierung unterdrückter Gesellschaften, die den ethnologischen Schlaf der Kolonialherrschaft schliefen und durch die Befreiung zu einem historischen Bewusstsein und der Rückgewinnung oder Wiederherstellung ihres Gedächtnisses gelangen. Die innere Dekolonisierung sexueller, gesellschaftlicher, religiöser oder regionaler Minderheiten, die sich in den klassischen westlichen Gesellschaften auf dem Weg der Integration befinden und denen die die Behauptung ihres “Gedächtnisses” – das heißt in Wirklichkeit, ihrer Geschichte – eine Möglichkeit gibt, sich in ihrer Eigentümlichkeit die Anerkennung der Mehrheit zu verschaffen, die ihr das Recht darauf verwehrt hatte, zugleich aber auch ihre Andersartigkeit und die Treue zu einer sich auflösenden Identität zu pflegen. Schließlich gibt es einen dritten Typus der Dekolonisierung, der überall dort seine Blüten treibt, wo ein totalitäres Regime des 20. Jahrhunderts verschwindet, ganz gleich, ob kommunistisch, nationalsozialistisch oder einfach diktatorisch: die ideologische Dekolonisierung, die den befreiten Völkern hilft, ihr langes, traditionelles Gedächtnis wiederzufinden, das diese Regime beschlagnahmt, zerstört oder manipuliert hatten. Dieser Fall trifft auf Russland ebenso zu wie auf die osteuropäischen Länder, die Balkanstaaten, Lateinamerika oder Afrika.

Die Explosion all dieser Minderheitsgedächtnisse hat den respektiven Status und die wechselseitigen Beziehungen zwischen Geschichte und Gedächtnis grundlegend verändert. Genauer gesagt: Sie hat dem bis dahin nur selten gebrauchten Begriff des “kollektiven Gedächtnisses” Geltung verschafft.

Anders als die Geschichte, die seit jeher in den Händen der Macht, der wissenschaftlichen oder professionellen Autoritäten war, hat sich das Gedächtnis mit den neuen Privilegien und dem Prestige der Protestbewegungen geschmückt. Es erschien wie die Rache der Erniedrigten und Beleidigten, die kleine Geschichte derer, die auf die große Geschichte kein Recht gehabt hatten. Bisher stand das Gedächtnis, wenn schon nicht für die Wahrheit, so doch zumindest für die Treue. Was neu ist, und was es aus dem heillosen Unglück des 20. Jahrhunderts bezieht, aus der Verlängerung der Lebensdauer, der Präsenz der Überlebenden, ist der Anspruch auf eine Wahrheit, die “wahrer” ist als die Wahrheit der Geschichte: die Wahrheit des Erlebten und der Erinnerung.

Umgekehrt hat sich die Geschichte, die eine Disziplin mit wissenschaftlichem Ehrgeiz geworden ist, bis heute ausgehend von der Erinnerung gegen die Erinnerung entwickelt, die seit jeher für individuell, psychologisch, trügerisch, für ein Zeugnis und nicht mehr, gehalten wurde. Die Geschichte umschrieb den Bereich des Kollektivs, das Gedächtnis den des einzelnen. Die Geschichte war die eine Geschichte, das Gedächtnis per definitionem vielfältig, weil dem Wesen nach individuell. Die Idee eines kollektiven, emanzipatorischen und sakralisierten Gedächtnisses bedeutet eine vollständige Umwertung: Hatten die Individuen bislang ihr Gedächtnis und die Gemeinschaften ihre Geschichte, so setzt der Gedanke, dass es die Gemeinschaften wären, die ein Gedächtnis haben, ein grundlegendes Umdenken in bezug auf den Ort der Individuen in der Gesellschaft und ihre Beziehung zum Kollektiv voraus. Darin liegt das Geheimnis jener anderen rätselhaften Konjunktur, die ein wenig Aufhellung verdient: die Konjunktur der Identität, ohne die jene des Gedächtnisses nicht zu verstehen ist.

Der Begriff Identität hat in der Tat eine analoge und parallele Sinnverkehrung durchgemacht wie der Begriff Gedächtnis. Aus dem individuellen ist ein kollektiver, aus dem subjektiven ein objektiver, fast formaler Begriff geworden. Üblicherweise charakterisiert die Identität das Individuum in seiner Einzigartigkeit – so sehr, dass “Identität” hauptsächlich eine verwaltungstechnische und polizeiliche Bedeutung angenommen hat. Unsere Fingerabdrücke weisen unsere Identität nach, desgleichen z.B. unser Personal”ausweis”. Der Ausdruck hat sich zu einer Gruppenkategorie entwickelt, einer Art Definition der eigenen Person von außen. “Man ist nicht von Geburt aus Frau, man wird es”, schrieb Simone de Beauvoir in einer berühmten Formulierung, die sich ohne weiteres auf alle durch Selbstbehauptung geschaffenen Identitäten anwenden ließe. Die Identität ist genau wie die Erinnerung eine Art Verpflichtung. Ich bin gehalten, das zu werden, was ich bin: ein Korse, ein Jude, ein Arbeiter, ein Algerier, ein Schwarzer. Auf dieser Ebene der Pflicht entsteht die entscheidende Verbindung zwischen dem Gedächtnis und der sozialen Identität. So gesehen, gehorchen beide dem gleichen Mechanismus: Die beiden Wörter sind praktisch synonym geworden, und ihre Vereinigung bezeichnet eine neue Ökonomie der geschichtlichen und gesellschaftlichen Dynamik.

Frankreich hat die Metamorphose eines historischen Selbstbewusstseins in ein soziales Bewusstsein besonders intensiv erlebt, weil es traditionsgemäß eine wesentliche und determinierende Beziehung zu seiner Vergangenheit, seiner Geschichte unterhielt. Diese Beziehung hatte mit der dritten Republik eine zentrale Bedeutung angenommen, da die Geschichte der Nerv der sozialen und politischen Bindungen geworden war. Über die Schule, über die kleinen Schulbücher von Ernest Lavisse und über Kinderbücher wie das berühmte Tour de la France par deux enfants wurde die große Erzählung der nationalen Gemeinschaft in den Köpfen festgeschrieben: Eine gewaltige Saga in zahlreichen Versionen, die aber allen zugänglich gemacht wurde und die alles wegpolierte, was nicht zur großen Nationalgeschichte zu gehören schien, alle Eigentümlichkeiten, ob regional, sprachlich, religiös, sozial oder sexuell. So gab es also auf der einen Seite ein großes Heldengedicht, ein mächtiges Epos mit seinen Höhen und Tiefen, seinen glorreichen und schwierigen Momenten, seinem unerschöpflichen Repertoire an Persönlichkeiten, Szenen, Widerreden, Intrigen, Daten, an Guten und an Bösen; einen ergreifenden Familienroman, der von Vercingetorix und der Schlacht von Alesia über die Kreuzzüge, Ludwig XIV., die Aufklärung, die Revolution, das Epos des napoleonischen Zeitalters, die kolonialen Eroberungen und die Härten des Zweiten Weltkriegs bis zum Triumph der Republik und der Menschenrechte reichte und dessen Erbe schließlich de Gaulle antreten sollte. Und auf der anderen Seite gab es die Zugehörigkeit der einzelnen, die individuelle Treue. Auf der einen Seite eine kollektive Nationalgeschichte, auf der anderen Erinnerungen privater Natur. Hier eine heilige Geschichte, weil von der gleichen Art wie der religiöse Katechismus, den zu bekämpfen sie angetreten war; eine sakrale Geschichte, weil die des Vaterlandes, für das man gern sein Leben opferte; eine Legende, die aber wie eine gewaltige Antriebskraft wirkte, ein Motor der Integration und des sozialen Zusammenhalts. Dort die Gedächtnisse der Gruppen, das heißt der Minderheiten: das Arbeitergedächtnis, das jüdische (früher sagte man “israelitisch”), das royalistische, das bretonische, korsische oder weibliche Gedächtnis. Auf der Grundlage dieser Spaltung hat sich die traditionelle französische Identität herausgebildet, auf dieser Grundlage ist sie seit einem Jahrhundert erstarkt. Und eben diese Grundlage ist nun zerbrochen. Zerbrochen unter dem Einfluss einer doppelten Bewegung: dem inneren Zerfall des Mythos von dem einem großen nationalen Entwurf einerseits und dem selbstbewussten Freiheitsstreben aller Minderheiten andererseits.

Diese doppelte Bewegung hat sich parallel entwickelt und in den entscheidenden 70er Jahren, in denen Frankreich eine tiefgreifende Veränderung erfuhr, plötzlich an Tempo zugelegt. Das Geheimnis, das sich hinter dem Entstehen eines hegemonischen, tyrannischen, fast zwanghaften “nationalen Gedächtnisses” verbirgt, liegt in dem Übergang vom historischen zum sozialen Bewusstsein. Der Ort der nationalen Identität wird von den sozialen Identitäten besetzt. Der traditionelle Glaube an die Größe und Bestimmung der französischen Nation ist von innen erschüttert worden: Die Kriege, ob europäisch, weltweit oder kolonial – der Krieg von 1914 bis 1918, der von 1939 bis 1945 wie auch der Algerienkrieg – haben Frankreich nicht nur einen realen Machtverlust eingebracht, sondern auch einen tiefen, schleichenden Zweifel an der Gültigkeit und Unfehlbarkeit des klassischen nationalen Modells. Die Folge war, dass alles, was das stolze Nationalgefühl verdrängt hatte, wieder an die Oberfläche gekommen ist, von der Schreckensherrschaft während der Revolution bis zur Folter während des Algerienkriegs; alle Einrichtungen, die einen nationalen Bildungsauftrag hatten – Kirchen, Gewerkschaften, Parteien, Familien – gerieten in eine Krise; der Sinn der pädagogischen Botschaft war in Frage gestellt und der Platz, den Frankreich zwischen Schüben der Dezentralisierung und der Eingliederung in ein europäisches Gesamtkonzept einnahm, nur noch schwer zu definieren. Zugleich entfaltete sich eine mächtige Bewegung der inneren Dekolonisierung und der Emanzipation von Gruppenidentitäten, die den Minderheiten auf dem Weg zur nationalen Integration den Rücken stärkte: Jede einzelne Minderheit erhob Anspruch auf ihre eigene Geschichte, ihr “Gedächtnis”, das sie sich, wie man sagte, “wiederaneignen” wollte, und verlangte dessen Anerkennung durch die Nation. Das Beispiel der Juden ist hier sehr aufschlussreich. Noch vor dreißig Jahren hätte man kaum von einem jüdischen “Gedächtnis” gesprochen. Selbst die Erinnerung an Vichy bezog sich nicht in erster Linie auf die antisemitische Gesetzgebung und die Verantwortung des französischen Staates für die Deportation und die Vernichtung der Juden. Heute ist das Gegenteil der Fall. Und immer wieder hat die “jüdische Gemeinde” – auch dies ein Begriff, den man damals nicht angewandt hätte – den Präsidenten der Republik aufgefordert, sich zu dieser Verantwortung zu bekennen, bis Jacques Chirac es am 16. Juli 1995 im Vel’ d’hiv’ tat, wo die Juden bei der großen Razzia von 1942 zusammengetrieben worden waren. Was man in Frankreich das “nationale Gedächtnis” nennt, ist nichts anderes als die Verwandlung, die Invasion, die Unterwanderung, die Überschwemmung des historischen Grundgedächtnisses durch die Gedächtnisse der Gruppen.

Nun wäre es natürlich wichtig, die Beschreibung der inneren Ökonomie des neuen Gedächtnisses weiter voranzutreiben. Ich habe versucht, es in meinen Einleitungen und Nachworten der Reihe Lieux de mémoire1 zu tun. Begnügen wir uns hier damit, abschließend einige direkte, unmittelbare Wirkungen hervorzuheben, die der plötzliche Aufstand des Gedächtnisses hervorgebracht hat. Vor allem zwei Effekte scheinen mir bedeutsam.

Der erste besteht darin, dass seither ein rapide sich intensivierender Gebrauch von der Vergangenheit gemacht wird, sei es politisch, touristisch oder kommerziell. Von dieser Tendenz zeugt auch die steil ansteigende Kurve der Gedenkfeiern, die in Frankreich besonders ins Auge springt. Das letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts könnte sogar als der Höhepunkt dieser Ära des Gedenkens erscheinen, eingerahmt von der Zweihundertjahresfeier der Französischen Revolution, die das ganze historische, politische, nationale, religiöse, ideologische und symbolische Gewicht des ohnehin wohletablierten Phänomens demonstrierte, und der Feier der Jahrtausendwende. Jedes Jahr hat sein Schärflein an Gedenken beigetragen, von der Dreyfus-Affäre bis zu Chlodwigs 1500. Jahrestag, vom 80. Jahrestag des Waffenstillstands von 1918 bis zum 150. Jahrestag der Abschaffung der Sklaverei. Frankreich ist, soviel ich weiß, das einzige Land, das seit zwanzig Jahren über eine Kommission für Nationalfeiern verfügt. Diese Konjunktur der Gedenkfeiern hat vielfältige Gründe: Sie alle beweisen, dass die Vergangenheit nicht mehr in einer einzigen Bedeutung kulminiert, und dass eine Gegenwart, die über ein historisches Selbstbewusstsein verfügt, in dem sie sich reflektiert, mehrere mögliche Versionen der Vergangenheit zulassen muss.

Der zweite Effekt der neuen Ökonomie des Gedächtnisses läuft darauf hinaus, dass dem Historiker das Monopol genommen wird, das er traditionsgemäß auf die Interpretation der Vergangenheit besaß. In einer Welt, in der es eine einzige kollektive Geschichte und viele individuelle Gedächtnisse gab, kam ihm eine Art exklusive Kontrolle über die Vergangenheit zu. Die “wissenschaftliche” Geschichte hat dieses Privileg seit einem Jahrhundert sogar noch kräftig untermauert. Der Historiker allein war berechtigt, die Fakten festzustellen und zu beglaubigen und die Wahrheit zu verbreiten. Das war sein Beruf und seine Würde. Inzwischen ist er längst nicht mehr der einzige, der die Vergangenheit produziert. Er teilt diese Rolle mit dem Richter, dem Zeugen, den Medien und mit dem Gesetzgeber. Das ist ein Grund mehr, der “Pflicht zur Erinnerung”, die einige von uns vor zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren proklamiert haben, heute laut und deutlich eine “Pflicht zur Geschichte” entgegenzusetzen.

Denn das eigentliche Problem, das sich aus der Sakralisierung des Gedächtnisses ergibt, besteht darin herauszufinden, wie, warum und in welchem Augenblick das positive Prinzip der Emanzipation und der Befreiung, das die Erinnerung beflügelt, in sein Gegenteil umschlagen und eine Form der Gefangenschaft, ein Motiv des Ausschlusses, ja eine Kriegswaffe werden kann. Seinem Prinzip nach ist der Anspruch auf das eigene Gedächtnis ein Aufruf zur Gerechtigkeit. In seiner Wirkung ist er oft zu einem Aufruf zum Mord geworden. Vielleicht ist es an der Zeit, den Prozess, den Nietzsche vor mehr als hundert Jahren gegen die Historie eröffnet hat, heute gegen das Gedächtnis wieder aufzugreifen und wie er in seinen Unzeitgemäßen Betrachtungen – aber indem wir für das Wort “Historie” das Wort “Gedächtnis” setzen – zu warnen: “Es gibt einen Grad von Schlaflosigkeit, von Wiederkäuen, von historischem [sprich: erinnertem] Sinne, bei dem das Lebendige zu Schaden kommt, und zuletzt zu Grunde geht, sei es nun ein Mensch oder ein Volk oder eine Kultur.” 2 Auch an diese Botschaft des Gedächtnisses haben wir die Pflicht, uns zu erinnern.

Pierre Nora (Hg.), Les lieux de mémoire , 7 Bde., Paris 1984 - 1993.

Friedrich Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen, München 1999, S. 250.

Published 19 April 2002
Original in French
Translated by Grete Osterwald
First published by Transit 22/2002

Contributed by Transit © Transit / Eurozine

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Read in: FR / DE / EN / HU / LT / IT

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